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Am Aktienmarkt: Wie sich Sparer das Leben unnötig schwer machen


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Am Aktienmarkt
Wie sich Sparer das Leben unnötig schwer machen

MeinungEine Kolumne von Gerd Kommer

Aktualisiert am 10.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Junge Frau kauft Aktien (Symbolbild): Wer Wertpapiere ständig kauft und verkauft, schmälert seine Rendite.Vergrößern des Bildes
Junge Frau kauft Aktien (Symbolbild): Wer Wertpapiere ständig kauft und verkauft, schmälert seine Rendite. (Quelle: gorodenkoff/getty-images-bilder)

Für Anleger könnte es so leicht sein. Doch statt auf die Forschung zu hören, meint die Mehrheit, es besser zu wissen – und verschenkt mit ihrem Verhalten viel Geld. Ich zeige Ihnen, mit welcher Strategie Sie besser fahren.

Es ist paradox: Obwohl es eine Geldanlagestrategie gibt, die nachgewiesenermaßen funktioniert, tut die Mehrheit der Anleger genau das Gegenteil. Sie versucht, den besten Zeitpunkt am Aktienmarkt zu erwischen ("Market Timing"), kauft und verkauft immer wieder oder investiert in einzelne Aktien ("Stock Picking"). Dabei enden solche Versuche mehrheitlich in unnötigen Verlusten oder entgangenen Gewinnen.

Das liegt an einer seltsamen Eigenschaft von Aktienrenditen: Einige wenige Ausreißer sind für den allergrößten Teil der Rendite verantwortlich. Was passiert, wenn Sie diese nicht erwischen und mit welcher Strategie Sie deutlich besser fahren, werde ich Ihnen heute zeigen.

Betrachten wir dazu die Tagesrenditen des bekannten MSCI World Aktienindex: In den fünf Jahren bis 31. März 2022, das heißt über 1.305 Börsentage, erzeugte der Index vor Kosten und Steuern eine Euro-Rendite von 12,1 Prozent pro Jahr oder aufsummiert 77 Prozent.

Ein Anleger, der es in diesem Zeitraum mit "Market Timing" (Rein-Raus) versuchte und dabei lediglich die 13 besten Tage (ein Prozent aller Börsentage) verpasst hat, erzielte statt einer kumulativen Rendite von 77 Prozent gerade einmal 6 Prozent – 96 Prozent weniger!

Gut zu wissen: Der MSCI World bildet die Aktienmärkte der Industrieländer ab, vereinfacht gesagt, den globalen Aktienmarkt ohne Schwellenländer. In diesen Index kann man über ETFs kostengünstig investieren.

Ganz ähnlich sieht das Bild aus, wenn man dieser Kalkulation statt eines MSCI World-Index ein Einzelaktieninvestment zugrunde legt. Ich verwende dafür – willkürlich – die Apple-Aktie . Wer in den vergangenen fünf Jahren ihre 13 besten Renditetage (ein Prozent der Zeit) verpasst hat, dessen Endvermögen fiel um mehr als drei Viertel geringer aus als das eines Anlegers, der dem Buy-and-Hold-Ansatz (Kaufen und Halten) gefolgt ist.

Führt man eine solche Berechnung für die Monatsrenditen des MSCI World Index von Anfang 1970 bis 31. März 2022 durch (627 Monate oder 52,2 Jahre), dampft ein Verpassen der sechs besten Monate (wieder nur ein Prozent der Zeit) den erreichten Endvermögenswert gegenüber Buy-and-Hold um 51 Prozent ein.

Im Statistikjargon nennt man dieses Phänomen die "Rechtsschiefe der Renditeverteilung" bei Aktien. Während eines gegebenen Gesamtzeitraums (hier 5 Jahre beziehungsweise 52 Jahre) sind die Renditen pro Teilperiode (die einzelnen Tage oder Monate) außerordentlich ungleich. Einige wenige Ausreißer am rechten, positiven Ende des Renditespektrums generieren zusammen den allergrößten Teil der Rendite des Gesamtzeitraums.

Der "ETF-Papst"
Dr. Gerd Kommer ist seit mehr als 20 Jahren Bestsellerautor für Investmentratgeberbücher. Zugleich ist er Geschäftsführer der Gerd Kommer Capital GmbH, eine digitale Vermögensverwaltung, bei der Kunden bereits mit kleinen Beträgen starten können, sowie der Gerd Kommer Invest GmbH, ein Honorarberatungsunternehmen. In seiner t-online-Kolumne schreibt er gemeinsam mit seinen Kollegen Felix Großmann und Daniel Kanzler alle zwei Wochen über sein Spezialgebiet: den langfristigen Vermögensaufbau mit ETFs.

Der amerikanische Finanzökonom Hendrik Bessembinder hat zu einem ähnlichen Sachverhalt in den letzten Jahren mehrere faszinierende Untersuchungen publiziert.

Das Hauptergebnis einer seiner Studien von 2018: Im Zeitraum von 1926 bis 2016 (91 Jahre) produzierten im US-Aktienmarkt ganze vier Prozent aller Unternehmen kollektiv die gesamte US-Aktienmarktrendite oberhalb der "Sparbuchrendite". Die Sparbuchrendite entspricht der Rendite sehr kurzfristiger US-Staatsanleihen.

Wieder ist die Rechtsschiefe der Renditeverteilung für dieses Ergebnis ursächlich – diesmal nicht in der Zeitdimension für die Teilperiodenrenditen eines einzelnen Investments, sondern in der Dimension "alle Firmen über einen Gesamtzeitraum hinweg".

Studie: 98,7 Prozent aller Aktien waren Nieten

Bessembinder und einige Kollegen stellten später noch eine identische Untersuchung für den globalen Aktienmarkt an. Aus Datenverfügbarkeitsgründen war hier der Untersuchungszeitraum kürzer als zuvor für die USA, nämlich von 1990 bis 2018 (29 Jahre). Die Ergebnisse aber waren noch erstaunlicher.

Lediglich 1,3 Prozent der Unternehmen in diesen knapp drei Jahrzehnten bewirkten gemeinsam die gesamte Rendite des Weltaktienmarktes oberhalb der US-Sparbuchrendite. Anders formuliert: 98,7 Prozent aller Aktien auf dem Globus schafften zusammen gerade einmal so viel wie das Sparbuch. Noch einmal anders gesagt: 98,7 Prozent aller Aktien in diesen 29 Jahren waren Nieten.

Übrigens sind sowohl bei meinen Berechnungen zur Zeitdimension als auch bei denen von Bessembinder zur Unternehmensdimension die höheren Kosten und Steuernachteile von Market Timing und Stock Picking gegenüber Buy-and-Hold nicht einmal berücksichtigt.

Was sollten Sie aus diesen Zahlen für Ihre Geldanlage ableiten?

Anleger, die "Market Timing" oder "Stock Picking" betreiben, müssen eine auf lange Sicht wirklichkeitsfremd hohe Trefferquote erreichen, um einen Buy-and-Hold-Anleger zu schlagen.

Die großen Vorteile des Kaufen-und-Haltens für Privatanleger habe ich in dieser Kolumne schon zuvor gezeigt – gerade auch in Krisenphasen, wie wir sie derzeit in Gestalt des Ukraine-Krieges erleben. Lesen Sie hier, wie sich die vergangenen Kriege auf den Aktienmarkt auswirkten.

Dass Buy-and-Hold mit einer global gestreuten ETF-Aktienanlage funktioniert, belegt nicht nur meine historische Analyse für Aktienmarktrenditen während großer Kriege in den zurückliegenden 120 Jahren, es ist auch die herrschende Meinung unter Wissenschaftlern.

Tun Sie daher das, was die Wissenschaft angesichts der Rechtsschiefe der Verteilung von Aktienrenditen empfiehlt: Legen Sie Ihr für die Anlageklasse Aktien vorgesehenes Geld mit ETFs weltweit gestreut auf Buy-and-Hold-Basis an. Wenn Sie das nicht oder noch nicht selbst machen wollen oder können, dann nutzen Sie eine digitale Vermögensverwaltung, einen "Robo-Advisor", der mit ETFs auf Buy-and-Hold-Basis arbeitet.

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