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Inflation | Notbremse der US-Notenbank Fed: Jetzt wird es gefährlich für Europa


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Notbremse der US-Notenbank
Jetzt wird es gefährlich für Europa

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 16.06.2022Lesedauer: 3 Min.
US-Notenbank-Chef Jerome Powell verkündet den größten Zinssprung seit fast 30 Jahren.Vergrößern des Bildes
US-Notenbank-Chef Jerome Powell verkündet den größten Zinssprung seit fast 30 Jahren. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)
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Die US-Notenbank zieht angesichts der Rekordinflation die Notbremse. Der größte Zinsanstieg seit 1994 scheint unausweichlich, auch für Europa. Doch das Manöver hat gefährliche Tücken, die in die nächste Katastrophe führen können.

Kurz schien der US-Präsident komplett die Fassung zu verlieren. Anfang der Woche war Joe Biden zum größten Gewerkschaftskongress Amerikas nach Philadelphia gekommen. Wütend reckte er die Hände und rief: "Ich will diese Lügen über rücksichtslose Staatsausgaben nicht mehr hören!" Seine Stimme bebte. "Wir verändern das Leben von Menschen!" Im Gegenteil, so Biden, man könne in diesem Jahr den größten Rückgang des Staatsdefizits in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika verzeichnen.

Tatsächlich ist das Defizit, verglichen mit den vergangenen Jahren, deutlich gesunken. Dafür haben die Menschen in den USA ähnlich wie in Europa seit Monaten mit einer Rekordinflation zu kämpfen. Insbesondere Benzin, Strom, Gas und Lebensmittel sind so teuer geworden, dass die finanziellen Probleme längst weit in die Mittelschicht hineingetragen werden.

Der Druck auf die Biden-Administration wächst immer weiter. Die USA mit ihrer "Bidenflation" werden zu einer "Inflation-Nation", wie es das gegnerische politische Lager gerne propagiert. Doch die Sorgen vor einem weiteren Rückgang des Konsums in der Folge sind berechtigt. Das sich wegen der Covid-Pandemie erholende Wirtschaftswachstum würde auf diese Weise gefährdet. Arbeitslosigkeit wäre die Folge. Ein Teufelskreis würde beginnen.

Der Druck auf Europa wächst

Um die Inflation zu stoppen, hat die US-Notenbank Fed jetzt die Notbremse gezogen. Zu groß ist die Angst vor einem Kontrollverlust, einer galoppierenden Inflation. Dem Fed-Chef Jerome Powell merkte man den Ernst der Lage an, als er am Mittwoch in Washington einen Rekordanstieg der Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte verkündete. Es ist der größte Sprung seit 1994. Gerechnet wurde mit diesem Schritt zwar schon länger. Aber Powell kündigte in seiner Pressekonferenz bereits an: Schon bei der nächsten Sitzung der Fed könnte es noch einmal um 0,5 oder um 0,75 Prozentpunkte nach oben gehen.

Mit der Fed-Entscheidung ist nun eines klar: Noch immer in pandemischen Zeiten, mitten im Krieg in der Ukraine, am Rande einer weltweiten Hungerkatastrophe und einer nie da gewesenen Klimakrise hat das Wettrennen um die richtigen Antworten begonnen. Für Europa kann das besonders gefährlich werden. Denn der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) und ihre Chefin Christine Lagarde, endlich auch zu handeln, wird immer größer. Die Inflation in der Eurozone zieht ebenfalls weiter an. Sich an den Fed-Entscheidungen zu orientieren, erscheint mittelfristig unausweichlich.

Die Kehrseite der Leitzinserhöhung ist nicht nur ein weiterer Absturz der Aktienkurse, ein Ansteigen der Zinsen am Immobilienmarkt und die Gefahr des Abwürgens von Investitionen und damit der Wirtschaft. Für Europa besonders entscheidend ist eine damit erneut drohende Staatsschuldenkrise. Insbesondere nach den großen wirtschaftlichen Covid-Aufbauprogrammen brauchen die verschuldeten EU-Staaten weiterhin ein niedriges Zinsniveau, um ihre Defizite wieder einzuschrumpfen.

Weil Deutschland inzwischen wegen der Eurobonds mithaftet, könnte es bei einer Staatsschuldenkrise auch dann in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn es selbst eigentlich noch gut dasteht. Und wie stark die Bundesrepublik mitten im Ukraine-Krieg dasteht, ist unklar. Das eigene Wirtschaftsmodell, das auf billige Rohstoffimporte fußt, muss komplett und damit kostspielig umgekrempelt werden.

Das Dilemma des Westens

Der Fed-Notenbankchef Powell brachte es auf den Punkt, als er sagte: "Die Folgen des Krieges in der Ukraine werden jetzt erst richtig deutlich." Ihm zufolge haben Staaten weltweit mit der Inflation zu kämpfen, zum Teil deutlich mehr als in Europa und den USA.

Zu den viel länger als gedacht anhaltenden Lieferkettenproblemen wegen der Covid-Pandemie schlagen die immer weiter anziehenden Rohstoff-, Energie- und Lebensmittelpreise immer weiter durch. Wer dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zuhört, der kann erahnen, dass es eher noch schlimmer als besser werden wird.

Der Westen, und insbesondere Europa, kommt einem Dilemma immer näher:

  • Wie lange kann man auf den eigenen gesellschaftlichen Rückhalt noch bauen, wenn Rentner, Familien oder Alleinstehende nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen? Angesichts der globalen Kriege, Katastrophen und Krankheiten werden die Nöte voraussichtlich immer nur noch größer und können nur durch Schuldenaufnahmen oder Umverteilungen aufgefangen werden.
  • Was passiert, wenn diesem gesellschaftlichen Druck nachgegeben wird, die Hilfsmaßnahmen des Westens erlahmen und die Ukraine gegen Russland verliert? Der Preis für die westlichen Gesellschaften wäre am Ende vielleicht noch viel größer, weil autokratische Weltmächte wie Russland oder China wissen, sie können Demokratien in die Knie zwingen.

Es ist ein waghalsiger Balanceakt, den die Notenbanken im Tango mit den Regierungen wagen müssen. Niemand weiß derzeit, ob sie mit ihren Entscheidungen sanft landen werden und erfolgreich bestehen.

Die Zeit, in der wir leben, bleibt unsicher. Und wird ungemütlicher.

Verwendete Quellen
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