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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Firma Wanzl Hier entsteht der Einkaufswagen der Zukunft
Beim Einkaufen ist der Wagen nur ein Hilfsmittel, über das man sich wenig Gedanken macht. Die Firma Wanzl verdient damit Hunderte Millionen – und feilt bereits am Einkaufswagen der Zukunft.
Samstagvormittag, Wocheneinkauf, und immer dieselbe Frage: Habe ich einen Euro für den Einkaufswagen? Das Portemonnaie wird gezückt, nach einem passenden Geldstück gekramt.
Denn ohne das geht nichts: Der Einkaufswagen lässt sich nicht von seinen Kollegen lösen; das Shoppingerlebnis scheitert, bevor es überhaupt begonnen hat.
Doch das muss bald nicht mehr sein, zumindest wenn man Klaus Meier-Kortwig glauben mag. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Wanzl. Das Unternehmen ist der Weltmarktführer für Einkaufswagen – und arbeitet an einem Gefährt, das ohne Münzeinwurf auskommt.
800 Millionen Euro Umsatz im Jahr
Wanzl sitzt im beschaulichen Örtchen Leipheim, zwischen Ulm und Augsburg im bayrischen Teil des Schwabenländles gelegen. Der Umsatz von Wanzl ist hingegen nicht beschaulich, bei immerhin 800 Millionen Euro lag er vergangenes Jahr.
- Wanzl-Chef im Interview: "Die Inflation macht auch vor dem Einkaufswagen nicht halt"
Jährlich drei Millionen Einkaufswagen stellt die Firma her und liefert sie rund um den Globus aus, ein klassischer "Hidden Champion" also. China, Indien, USA: Überall kommen die rollenden Gefährte zum Einsatz.
In Deutschland stammen 80 Prozent der Einkaufswagen aus der Fabrik von Wanzl, alle großen Lebensmittelketten setzen auf den Mittelständler. Damit das so bleibt, muss Wanzl auch die Antwort auf die Frage finden: Wie sieht der Einkaufswagen der Zukunft aus?
Angesichts von Amazon Go, dem Rewe-Lieferservice und bewussteren Einkäufen der Deutschen schwindet das Geschäft des Unternehmens rapide. Auch Meier-Kortwig weiß das; er kündigt daher einen "evolutionären Schritt" an.
Der "Smart Trolley"
Bei Wanzl nennen sie ihn "Smart Trolley", englisch für "schlauer Wagen". Warum er diesen Namen trägt, wird schnell klar. Im Grunde ist es ein stinknormaler Einkaufswagen – statt eines Münzeinwurfs hat Wanzl jedoch ein Display an den Schiebegriff installiert, etwa so groß wie ein Tablet.
Zum Lösen des Einkaufswagens braucht es keine Münze, das Smartphone reicht. Per Supermarkt-App lässt sich es mit dem Gefährt verbinden, der Einkauf kann beginnen.
Die "Smart Trolleys" gibt es in einigen Märkten schon, in den nächsten Jahren sollen sie schrittweise bundes- und weltweit benutzt werden, hofft Meier-Kortwig.
Wird der Münzeinwurf dann ganz verschwinden? Nein – so lange es Einkaufswagen geben wird, werden sie auch den Schlitz für Münze oder Chip haben, versichert Meier-Kortwig. "Wir werden die Münze im Einkaufswagen nicht vollständig ersetzen", sagt er. Auch, weil viele Menschen den Münzeinwurf gewohnt seien.
GPS-Tracker, damit Wagen auffindbar sind?
Aber er und seine Kollegen feilen noch an weiteren Ideen. Etwa daran, dass sich der Einkaufswagen nicht nur mit dem Smartphone verbinden kann. Sondern auch gleich die Nudeln, Butter und Tomaten erkennt, die dort hineingelegt werden.
Und einen GPS-Tracker könnten die Wagen der Zukunft haben. Denn fünf bis zehn Prozent der Einkaufswagen verschwinden pro Jahr, werden von Kunden mitgenommen oder von kriminellen Banden zu Geld gemacht, sagt der Unternehmer.
Bislang sind lediglich 15 Softwareentwickler und IT-Spezialisten für Wanzl in Leipheim tätig, bei einer Gesamtmitarbeiterzahl von rund 2.400 am Platz. Im Sommer soll sich die Zahl der Digitalisierungsexperten verdoppeln, dann will Wanzl einen "Innovation Hub" eröffnen: ein Testlabor, in dem an weiteren Wagen getüftelt werden soll.
2017 hat die Digitalisierung bei Wanzl angefangen
Trotz klischeehafter englischer Begriffe und legerem Kleidungsstil beteuert Meier-Kortwig stets, dass die Firma nicht wie ein Start-up arbeite.
Wanzl denke nicht kompliziert, wolle keine teuren Gesamtlösungen. Sondern das, was sich die Kunden wünschten und nicht selbst umsetzen könnten, sagt er.
Vor fünf Jahren hätten sich die Wanzl-Manager zusammengesetzt, sagt Meier-Kortwig, "da hat das Digitalisierungsthema bei uns angefangen". Zum Vergleich: Das erste iPhone brachte Apple bereits 2007 auf den Markt. "Zugegeben: An unserer Schnelligkeit können wir womöglich noch etwas arbeiten", so Meier-Kortwig. "Aber was wir anpacken, klappt."
Idee des Einkaufswagens stammt aus den USA
Das stecke auch in der Firmengeschichte, meint der Geschäftsführer. Wanzl, vor 104 Jahren vom Namensgeber Rudolf Wanzl Senior in der damaligen Tschechoslowakei gegründet, produzierte noch keine Einkaufswagen. Den gab es damals noch nicht.
Erfunden hat ihn aber nicht die Familie Wanzl, er stammt aus den USA. Der Amerikaner Sylvan Goldman führte 1937 den ersten Einkaufswagen in seinem New Yorker Geschäft ein. Zehn Jahre später gab es ihn dann auch in Deutschland.
Rudolf Wanzl Junior, Sohn des Firmengründers, war von der Idee Goldmans fasziniert und entwickelte ihn weiter, sodass der Wagen beweglicher wurde.
1951 meldete er das Patent für "Concentra" an, mittlerweile in Leipheim, wo sich die Familie nach dem Zweiten Weltkrieg und Vertreibung niederließ. Das Modell bildete die Grundlage des heutigen Geschäftserfolgs und ist bis heute dort ausgestellt, als Teil eines riesigen Showrooms über drei Stockwerke.
Nur noch ein Viertel des Umsatzes kommt vom Einkaufswagen
Das ursprüngliche Kerngeschäft macht mittlerweile nur noch ein Viertel des Umsatzes aus. Die Palette umfasst vielmehr Kofferwagen am Flughafen, Transportwagen für die Post oder mehrere Meter große Container auf Rollen für Lager.
All das stellt Wanzl in Leipheim her und aus. Daher stammen die Kunden nicht mehr nur aus dem Lebensmittelhandel; "von A wie Amazon bis Z wie Zalando" fänden sich alle möglichen Abnehmer, so Meier-Kortwig.
Wanzl experimentiert auch viel. In Corona-Zeiten testete Wanzl beispielsweise Einlasskontrollsysteme, ein Kassenschlager waren die aber nicht. Mehr ein Versuch, so Meier-Kortwig.
Bald einkaufen ganz ohne Wagen?
Der Manager ist der erste Unternehmenschef, der nicht aus der Familie stammt, übernahm den Posten 2015 von Gottfried Wanzl, dem Enkel des Firmengründers, der seitdem im Aufsichtsrat sitzt.
In seiner Zeit hat dieser maßgeblich die Internationalisierung des Unternehmens vorangetrieben, auch heute lässt er sich noch regelmäßig in der Firma blicken, berichten Mitarbeiter.
Auch im sogenannten "Urban Store", den Wanzl im Showroom aufgebaut hat. Dem Prototyp eines Supermarktes, in dem man sich bedienen – und einfach hinausspazieren könnte.
Ganz ohne Einkaufswagen, die Produkte kämen direkt in die Tasche. Abgebucht würde direkt vom Konto, der Betrieb wäre 24 Stunden, sieben Tage die Woche möglich. Bis das der Regelfall ist, dürfte es noch ein weiter Weg sein.
Auf der anderen Straßenseite des Unternehmenssitzes, in der Leipheimer Filiale des Lebensmittelhändlers Norma, setzt man hingegen noch auf die klassischen Wagen, samt Münzeinwurf. Geliefert vom Weltmarktführer nebenan.
- Eigene Recherche vor Ort
- Gespräch mit Klaus Meier-Kortwig
- wanzl.de