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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Scharfes Schwert? Das bedeuten die Swift-Sanktionen gegen Russland
Russland lässt nicht von der Ukraine ab. Der Westen reagiert auf den Hass aus Moskau mit harten Sanktionen. Nun hat der Westen ein schweres Geschütz aufgefahren: Den Teilausschluss aus dem Swift-Netzwerk.
Raketen auf Wohnsiedlungen, Kämpfe auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks Tschernobyl und eine Rhetorik des Hasses: Die kriegerischen Aggressionen der Russen gegen die Ukraine sind vor wenigen Tagen noch unvorstellbar gewesen – und sie halten an. Der Westen reagiert seit dem Wochenende mit scharfen Sanktionen, eine davon: Der Ausschluss vieler russischer Banken aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk Swift.
Statt eines pauschalen Ausschlusses des Landes, wie es viele Länder die vergangenen Tage gefordert haben, einigten sich die EU, die USA und Großbritannien nun auf das gezielte Abkoppeln einiger Banken.
Trifft das Russland wirklich hart und welche Konsequenzen werden wir aus dieser Sanktion spüren?
Was ist Swift?
Der Begriff Swift ist eine Abkürzung für "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" (Eigenschreibweise: SWIFT) – eine internationale Genossenschaft mit Sitz in Belgien, die mit ihrem Telekommunikationsnetz (dem Swift-Netz) den Nachrichtenaustausch zwischen Finanzinstituten rund um den Globus betreibt.
Kurz gesagt: Das Swift-Netz ermöglicht es, Zahlungen international über den ganzen Globus über ein einheitliches System zu tätigen. Täglich durchlaufen das System Hunderte Milliarden Dollar. Laut Unternehmensangaben nutzen das Netzwerk mehr als 11.000 Banken, Wertpapierfirmen und Konzerne in über 200 Ländern.
Wer beispielsweise aus Deutschland eine Überweisung an Freunde in den USA vornehmen möchte, geht über das Swift-Netzwerk. Dafür geben Sie bei Überweisungen außerhalb der EU den BIC (Business Identifier Code) an (mehr dazu lesen Sie hier).
Das Swift-System ist im internationalen Handel allgegenwärtig. Wer also aus diesem Netzwerk ausgeschlossen ist, kann kaum mehr Zahlungen ins Ausland senden oder erhalten. "Ein Ausschluss vom Swift-Standard würde Bürgern, Unternehmen und letztlich auch dem russischen Staat jedweden Zugang zum internationalen Finanzsystem verwehren", sagt Michael Kötter, stellvertretender Präsident und Leiter der Abteilung Finanzmärkte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
Wurde Russland nun aus Swift ausgeschlossen?
Nein, die beschlossenen Sanktionen haben nicht Russland als gesamtes Land von dem Swift-Netzwerk ausgenommen. Vielmehr haben sich die USA, die EU, Großbritannien und seit Sonntag auch Japan darauf geeinigt, einige russische Banken aus dem Netzwerk auszuschließen.
Zudem soll es zusätzliche Sanktionen gegen die russische Zentralbank und auch gegen Oligarchen aus dem Umfeld von Russlands Präsident Wladimir Putin geben. Hinzukommen sollen – soweit erforderlich – weitere russische Banken. Die Institute sollen von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden, teilte die Bundesregierung mit.
Lange Zeit hatten Experten diesen Schritt für unwahrscheinlich gehalten – denn der Ausschluss dürfte auch Schäden bei den westlichen Partnern erzeugen, besonders einige europäische Länder, etwa Deutschland, haben deutlich mehr Handelsbeziehungen mit den Russen. Diese werden durch die Sanktionen behindert.
Diese Banken fliegen wohl aus dem System
Welche Banken nun genau betroffen sind, ist noch nicht endgültig. In der am Samstag verabschiedeten Erklärung der Bundesregierung heißt es, dass alle Banken betroffen seien, die bereits von der internationalen Gemeinschaft sanktioniert worden sind.
Das umschließt bisher fünf Banken, darunter die beiden Staatsbanken Wneschekonombank (VEB) und Promswjasbank (PSB) sowie die größten Banken des Landes Sberbank und die VTB Bank.
Warum wehrte sich Deutschland gegen einen Swift-Ausschluss?
Deutschland und andere europäische Staaten haben deutlich mehr Handelsbeziehungen mit Russland, die bei einem kompletten Swift-Ausschluss hart getroffen werden würden. Lange Zeit blockierte Deutschland neben Italien daher diese Form der Sanktion in der EU. "Swift infrage zu stellen, das könnte die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein", sagte CDU-Vorsitzender Friedrich Merz noch vor wenigen Tagen.
Am Samstag wandelte sich die Haltung Deutschlands aber drastisch, als russische Truppen die Hauptstadt Kiew belagerten und zivile Wohnhäuser mit Raketen angriffen.
"Genug ist genug, das Spiel ist aus", sagte Oppositionsführer Friedrich Merz bei einer Sondersitzung am Sonntag. Putin habe sich als Kriegsverbrecher entlarvt. Der CDU-Vorstand hat der Bundesregierung Unterstützung für die Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine zugesagt – auch für umfassende Maßnahmen. Damit vollzog er eine Kehrtwende zu seiner Haltung, die er noch vor knapp einer Woche vertrat.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich bei der Sondersitzung und hat die Kehrtwende Deutschlands bei Waffenlieferungen mit der Pflicht zur Verteidigung der Ukraine und der UN-Charta begründet. "Wir dürfen die Ukraine nicht wehrlos dem Aggressor überlassen, der Tod und Verwüstung über dieses Land bringt", sagte Baerbock. "Wir tun dies, weil unsere internationale Ordnung auf dem Spiel steht."
Kehrtwende in der deutschen Energiepolitik
Vor allem die Abhängigkeit vom russischen Gas hat Deutschland länger zögern lassen als andere EU-Staaten, russische Banken aus dem Swift-System auszuschließen. Deutschland bezieht mehr als 55 Prozent seiner Gasimporte aus Russland, die deutschen Gasspeicher sind auf einem historisch niedrigen Niveau. Auch andere Faktoren machen Deutschland bei der Gasversorgung angreifbar, eine ausführliche Analyse dazu lesen Sie hier.
Die Sorge der deutschen Regierung war bei einem Swift-Ausschluss Russlands, dass die Gasversorgung zum Erliegen kommen könnte, schließlich wäre Deutschland nicht mehr in der Lage, Zahlungen nach Russland zu senden.
Nun kam aber auch hier die Kehrtwende: Am Sonntag kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz den Bau von zwei Flüssiggas-Terminals an. Zudem möchte die Regierung sich kurzfristig zwei Milliarden Kubikmeter Gas über staatlich abgesicherte sogenannte Long-Term-Options beschaffen. Zusätzlich will die Ampel-Koalition laut Scholz im EU-Verbund weiteres Erdgas auf den Weltmärkten beschaffen.
Welche außenwirtschaftliche Auswirkungen sind nun zu erwarten?
Das kommt stark darauf an, wie viele Banken betroffen sind. Die westlichen Partner haben seit Samstag deutlich gemacht, dass sie auch weitere Banken auf die Liste setzen könnten.
Der Ausschluss der zwei größten Banken Russlands, Sberbank und die VTB Bank, dürfte die russische Wirtschaft spüren. Das Kernkapital dieser beiden Banken machten 2010 allein 57 Prozent des gesamten Kapitals der 20 größten Geldhäuser in Russland aus.
Da die beiden Banken bereits auf der Sanktionsliste der USA standen, ist es wahrscheinlich, dass diese aus dem Swift-System ausgekoppelt werden. Entscheidend ist dann, welche Banken ebenfalls betroffen sein werden.
Entscheidender Faktor: Trifft es auch die Gazprom-Bank?
"Wenn die Liste der Banken die großen Fische umfasst – Sberbank, VTB, und Gazprombank – ist das ein absolut großes Ding", schreibt etwa der Sanktionsexperte Edward Fishman vom Thinktank Atlantic Council auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Die Gazprombank ist die drittgrößte Bank Russlands. 1990 gründete der Gazprom-Konzern die Bank als Tochterunternehmen, heute ist das Geldhaus aber nicht mehr mehrheitlich im Besitz des Gaskonzern. Sie verfügt über ein Privatkunden- und Firmenkundengeschäft, eine Investmentbanking-Sparte sowie Abteilungen für Devisen- und Rohstoffhandel.
Es ist davon auszugehen, dass Gazprom seine Geschäfte über die Gazprom-Bank abwickelt, auch wenn diese heutzutage nicht mehr mehrheitlich in der Hand des Gaskonzerns ist. Dies Gazprom-Bank dürfte daher der entscheidende Dreh- und Angelpunkt für die Gasversorgung sein. Am Sonntag lief das Gas noch durch die Ukraine, wie ein Sprecher von Gazprom mitteilte.
"Wir arbeiten daran, Russland so vom Swift-System abzukoppeln, dass Kollateralschäden möglichst klein bleiben", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter.
Sollte die Gazprom-Bank dennoch auf die Liste der sanktionierten Banken geraten, dann dürfte es Russland besonders empfindlich treffen – auch Deutschland und andere europäische Länder würden dies spüren.
Weitere Sanktionen könnten noch am Sonntag folgen
Da die Ampel-Koalition allerdings bereits nach kurzfristigen Alternativen für die Gasversorgung sucht, könnte auch die Gazprom-Bank als weitere Eskalationsstufe im Sanktionsplan angedacht sein.
Bereits am Sonntag will die EU aufgrund der anhaltenden Aggressionen Russlands in der Ukraine weitere Sanktionen verhängen, schreibt EU-Außenbeauftragter Josep Borrell auf Twitter. Hier könnten weitere Banken aus dem Swift-Netzwerk ausgeschlossen werden, möglicherweise auch die Gazprom-Bank.
Könnte ein Swift-Ausschluss den Westen schwächen?
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) warnte bezüglich einer Swift-Blockade der Gasgeschäfte dagegen vor einem "Vergeltungsreflex". Kurzfristig würde ein mit der Swift-Blockade ausgelöster Lieferstopp für Gas dem Westen mehr schaden als Russland, erklärte IfW-Vizepräsident und Konjunkturchef Stefan Kooths am Sonntag.
Dazu kommt: Russland hat sich bereits auf eine Abkoppelung vom Swift-Netzwerk vorbereitet. Denn schon bei der Invasion der Krim 2014 drohten die Amerikaner damit, das Land vom internationalen Zahlungsverkehr abzuschneiden.
Seitdem hat Russland vorgesorgt und ein eigenes Zahlungsnetzwerk mit seinen Anrainer-Staaten aufgebaut: SPFS, ein System, das zwar nicht ganz so ausgeklügelt wie Swift funktioniert, aber nach einem sehr ähnlichen Prinzip.
Ein Ausschluss aus dem Swift-System würde für die russische Wirtschaft also eine gewisse Disruption bedeuten, aber keinen Stillstand. Die EU dagegen hätte auf einmal deutlich weniger Möglichkeiten, Gelder mit seinem fünftgrößten Handelspartner auszutauschen.
Allianz zwischen China und Russland droht
Zudem könnte ein Ausschluss der Russen aus dem Swift-System das Bankennetzwerk langfristig schwächen und damit die Finanzhoheit des Westens über globale Zahlungswege. China dürfte einen solchen Schritt besonders aufmerksam beobachten und könnte stattdessen sein eigenes Zahlungsmittel vorantreiben.
Wenn Russland komplett vom Westen abgeschnitten wäre, könnte sich eine Allianz der aneinandergrenzenden Staaten bilden. Bereits zu den Olympischen Spielen haben beide Präsidenten einen demonstrativen Schulterschluss präsentiert.
Chance für Chinas rivalisierendes System
Chinas Rivale zum Swift-System heißt CIPS. Im vergangenen Jahr hat China die Summen, die durch das Netzwerk täglich transferiert werden, auf 50 Millionen Dollar verdoppelt. Das sind zwar deutlich weniger als die 400 Milliarden Dollar, die täglich über Swift die Seite wechseln, zeigt aber deutlich das Potenzial.
Und China wirbt bereits seit Jahren dafür, unabhängiger vom Swift-System zu werden. Ein Ausschluss Russlands aus dem Netzwerk könnte diesen Bewegungen neuen Antrieb verleihen. Allerdings hat sich China zunehmend zurückgezogen im Ukraine-Konflikt und versucht, eine Balance zwischen Russland und der EU zu waren.
Finanzexperte Kötter sieht das Risiko der chinesisch-russischen Finanzallianz daher als gering an, da Chinas wichtigste Handelspartner im Swift-System organisiert sind. "Ich vermag somit nicht akute Anzeichen erkennen, dass die Volksrepublik China in ihrem Kalkül den Nutzen aus einer Aggression Russlands gegenüber der Ukraine als wertvoller bewertet, im Vergleich zu einem funktionalen, sicheren und stabilen globalen Zahlungssystem", so Kötter.
- Eigene Recherche
- Unternehmensseite: SWIFT
- The Economist: The hidden costs of cutting Russia off from SWIFT
- CNN: What is SWIFT and why it might be the weapon Russia fears most
- CNN: New intel adds to US fears that Russia is readying for military action
- Auswärtiges Amt: Interview Baerbock mit der SZ
- Deutschlandfunk: Ausschluss aus Banken-Netzwerk SWIFT als Sanktionsmittel?
- Tagesschau: Russlands SWIFT-Ausschluss träfe alle
- Reuters: Chinese banks urged to switch away from SWIFT as U.S. sanctions loom
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters