10 Jahre nach dem Aus Kommt jetzt das große Schlecker-Comeback?
Die Drogeriekette Schlecker war früher aus kaum einer Stadt oder einem Dorf wegzudenken. Doch vor 10 Jahren kam es zur großen Pleite. Nun will ein Investor die Marke zurückbringen.
Den Namen Schlecker kannten früher alle. In nahezu jeder Kommune in Deutschland hing zeitweise mindestens einmal der Ladenschriftzug mit dem Logo, weiße Schrift auf blauem Grund. Das Gesicht dazu kannten aber nur die wenigsten Menschen. Das änderte sich schlagartig, als das Imperium des Drogerie-Königs und Selfmademan Anton Schlecker aus Ehingen bei Ulm Insolvenz anmelden musste. Vor zehn Jahren, am 23. Januar 2012, war es so weit.
Angekündigt hatte der Drogeriekonzern den Schritt schon drei Tage früher. Rund 25.000 Beschäftigte in Deutschland, vor allem Frauen, verloren ihren Job. "Es gab vermutlich in Deutschland bislang kaum ein vergleichbares Insolvenzverfahren hinsichtlich des öffentlichen und medialen Interesses", heißt es im Büro von Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.
Pleite zeichnete sich schon vorher ab
Der Niedergang des Schlecker-Imperiums zeichnete sich schon über ein halbes Jahr vor der Pleite ab. Im Juni 2011 kündigte das Unternehmen an, rund 10 Prozent der über 8.000 Filialen in Deutschland zu schließen. Grund sei deren unzureichende Wirtschaftlichkeit gewesen. Die Probleme waren hausgemacht. Schlecker habe versucht, mit immer mehr Läden noch größer zu werden, mehr Einkaufsvorteile zu erzielen, um noch günstigere Preise erzielen zu können, sagt der Sprecher des Insolvenzverwalters.
"Die Kunden blieben jedoch aus, weil die Läden zu klein, zu alt und unattraktiv waren." Der Umbau von der einstmals größten Drogeriekette Europas konnte nicht rasch genug umgesetzt werden, weil das Geld dazu fehlte. "Und dann fiel das auf Expansion gebaute Kartenhaus in sich zusammen."
"Es ist nichts mehr da"
Legendär sind die Worte von Schleckers Tochter Meike wenige Tage nach der Insolvenzanmeldung auf einer Pressekonferenz zusammen mit Insolvenzverwalter Geiwitz. Sie wird gefragt, warum der Vater denn nicht mit Geld aus seinem Privatvermögen das Unternehmen gestützt habe. Meike Schlecker rückte auf ihrem Stuhl nach vorn und antwortete: "Ich glaube, Sie haben das nicht verstanden. Es ist nichts mehr da." Als sogenannter Einzelkaufmann haftete er mit allem, was er besaß. Etwa 28.000 Gläubiger haben Forderungen von etwas über 1,2 Milliarden Euro zur Insolvenztabelle angemeldet.
Der Fall Schlecker wird auch zum Politikum. Im März 2012 scheitert der Versuch von Geiwitz, eine Transfergesellschaft für knapp 10.000 vor der Kündigung stehende Beschäftigte auf die Beine zu stellen. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt einen Kredit durch die Staatsbank KfW ab und verweist auf die Zuständigkeit der Länder.
Die FDP-Wirtschaftsminister in Bayern, Niedersachsen und Sachsen verhindern die Bildung der Gesellschaft. Und Rösler sorgt für zusätzliche Empörung, weil er den von Entlassung betroffenen Frauen der Drogeriekette empfohlen hatte, selbst eine neue Arbeit zu finden und dies als "Anschlussverwendung" bezeichnet.
Betriebsratschefin: Politik hat Türen zugeschlagen
Auch zehn Jahre nach der Insolvenz ist Christel Hoffmann, die ehemalige Betriebsratschefin des Konzerns, noch empört. "Bei Schlecker hatte die Politik die Türen zugeschlagen. Die dort beschäftigten Frauen waren der Politik nicht wichtig", sagt die heute 68-Jährige. Auch die heutige SPD-Bundestagsabgeordnete und damalige Verdi-Chefin von Baden-Württemberg, Leni Breymaier, meint rückblickend, Schlecker habe einfach ein zu schlechtes Image gehabt. Deshalb habe es kein Engagement der Politik gegeben.
Die frühere Betriebsratschefin arbeitete knapp 20 Jahre bei dem Drogerieunternehmen. Das große Manko der Familie Schlecker war aus Sicht von Hoffmann, dass diese beratungsresistent gewesen sei. In ihrer Betriebsratszeit habe sie Anton Schlecker nie zu Gesicht bekommen, sagt Hoffmann. Einer breiteren Öffentlichkeit musste sich der Metzgermeister, der seinen ersten Drogeriemarkt nach dem Wegfall der Preisbindung für Markenartikel in den 1970er Jahren eröffnet hatte, während des Prozesses vor dem Landgericht Stuttgart stellen.
Schlecker geriet mit Justiz aneinander
2017 wurde Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Im Wissen um die bevorstehende Insolvenz habe er Geld zur Seite geschafft. Ihm blieb das Gefängnis erspart. Seinen Kindern aber nicht. Meike und Lars Schlecker mussten ins Gefängnis. Vor Bekanntgabe der Insolvenz im Jahre 2012 sollen sie Millionenbeträge beiseite geschafft haben.
In letzter Instanz wurden sie zu Haftstrafen von jeweils zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Über zehn Millionen Euro hatten die Schleckers in der Vergangenheit an den Insolvenzverwalter zurückgezahlt.
Im Handel sind die Marktanteile von Schlecker dagegen längst neu verteilt. "Der Platzhirsch dm konnte seinen Marktanteil danach von 28,5 Prozent auf über 40 Prozent steigern, Rossmann von 22,5 Prozent auf 33,5 Prozent", berichtet Mirko Warschun von der Unternehmensberatung Kearney. Andere Drogeriemarktketten hätten dagegen nur wenig profitiert. Und auch die großen Lebensmittelhändler seien weitgehend leer ausgegangen, als die Marktanteile von Schlecker neu verteilt wurden.
Neuer Investor kommt aus Österreich
Inzwischen hat der in Österreich ansässige Geschäftsmann Patrick Landrock sich die Markenrechte mit seiner Firma Kitzventure gesichert und erklärt, er wolle die Marke "noch größer, digitaler und innovativer" zurück an den Markt holen. Dafür soll das Sortiment um Lebensmittel, Büro und Baumarktartikel erweitert werden. Darüber hinaus will er Schlecker zu einer Plattform für die Vermietung von Unterhaltungs- und Haushaltsgeräten ausbauen (t-online berichtete).
Der Online-Vertrieb solle im ersten Halbjahr starten. Die ersten Filialen sollen dann folgen, in diesem Jahr seien 50 Verkaufsstellen geplant. Der Start des Online-Vertriebs sei bereits finanziert. Die Markenrechte waren frei, da sie im Insolvenzprozess nicht an einen geeigneten Bieter veräußert werden konnten. Damalige Verhandlungen mit Landrock führten nicht zum Verkauf, so der Insolvenzverwalter.
Auch Landrock ist schon häufiger mit der Justiz aneinandergeraten. Medienberichten zufolge muss Landrock sich aktuell vor dem Oberlandesgericht Innsbruck gegen den Vorwurf des schweren gewerbsmäßigen Betrugs behaupten. 2020 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen vermeintlichen "Sachwuchers" mit Corona-Schutzausrüstung – also dem gewerbsmäßigen Ausnutzen einer Zwangslage. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa