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Inflation: Darum kommt es jetzt auf die Notenbanker an


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Kampf gegen Inflation
Bricht für Sparer jetzt eine neue Zeitrechnung an?


Aktualisiert am 15.12.2021Lesedauer: 6 Min.
Die Drei von den Notenbanken: Die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel (v.l.), Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde.Vergrößern des Bildes
Die Drei von den Notenbanken: Die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel (v.l.), Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde. (Quelle: imago images/IPON, Getty Images/North America, imago images/PanoramiC)

Fast überall auf der Welt steigen die Preise immer schneller. Lange unternahmen die Zentralbanken nichts gegen die Inflation. Doch das könnte sich jetzt ändern. Die Zeit drängt.

Mit der Inflation verhielt es sich zuletzt wie mit einer fast verschwundenen Krankheit: Ein abstraktes Risiko war da, doch eine echte Gefahr ging von ihr kaum aus. Seit diesem Jahr ist das anders. Die Teuerung ist zurück – mit voller Wucht, und das weltweit.

In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im November um durchschnittlich 5,2 Prozent. In den USA erreichte die Inflationsrate gar einen Wert von 6,8 Prozent. So hoch war sie in Übersee zuletzt im Jahr 1982. Mehr denn je sind deshalb jene gefragt, die – um im Bild zu bleiben – die Rolle der Ärztinnen und Ärzte einnehmen: die Spitzenleute der Notenbanken.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel und Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, stehen besonders im Fokus. Auf sie kommt es jetzt an:

Powell und seine Kollegen entscheiden am Mittwoch über weitere Schritte in der Geldpolitik der USA, Lagarde und Schnabel rücken am Donnerstag ins Rampenlicht, wenn sich der EZB-Rat ein letztes Mal im laufenden Jahr trifft. Doch um was geht es dabei eigentlich? Warum ist die Inflation momentan so hoch – und wie können steigende Zinsen verhindern, dass die Preise unkontrolliert weiter steigen? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum ist die Inflation überhaupt so hoch?

Dafür gibt es eine Reihe von Ursachen und fast alle hängen mit der Corona-Krise zusammen. Der wichtigste Grund: die Energiekosten. Die nämlich sind mit dem Wiederanlaufen der Weltwirtschaft nach dem Ende der ersten Lockdowns schier explodiert, weil auf einen Schlag fast alle Fabriken wieder ansprangen.

Eine solch hohe Nachfrage konnten die Öl- und Energiekonzerne nicht sofort bedienen. Ähnliche Engpässe hatten und haben bis jetzt die Hersteller von Mikrochips und die großen Containerschiff-Reedereien. Die Folge: steigende Produktionskosten und damit verbundene höhere Preise für uns alle im Alltag. (Mehr zu den Folgen der Inflation für Sparer und Verbraucher lesen Sie hier.)

Hinzu kommt, dass derzeit viel Geld im Umlauf ist, das die Zentralbanken gedruckt haben, um den Staaten Liquidität im Kampf gegen die Corona-Krise zu verschaffen (siehe nächster Abschnitt). Da viele Menschen im Lockdown zudem viel gespart haben, können sie sich vorübergehend auch mehr leisten – was es Händlern und Dienstleistern leicht macht, ihre Einkaufskosten in Form höherer Preise an die Verbraucher weiterzureichen.

Was können die Zentralbanken gegen die Inflation tun?

Die Inflation im Zaum zu halten, ist eine der wichtigsten Aufgabe der Zentralbanken. Oft werden sie deshalb auch "Hüterinnen der Preisstabilität" genannt. Tatsächlich kontrollieren EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihr amerikanischer Kollege Jerome Powell dabei aber weniger die Preise selbst als vielmehr die Menge an Geld, die innerhalb ihres Währungsraums zirkuliert.

Die Menge nämlich sorgt in der Theorie für die Bewegung bei den Preisen, der Mechanismus ist einfach: Ist mehr Geld im Umlauf, steigen die Preise, weil der einzelne Euro dadurch weniger wert ist. Sinkt umgekehrt die Geldmenge, ist jeder Euro mehr wert, die Preise fallen.

Im Wesentlichen stehen den Lagarde, Schnabel, Powell und Co. zwei Instrumente zur Verfügung, um die Geldmenge zu bestimmen. Sie können einerseits Geld aus dem Nichts erschaffen und es in Umlauf bringen. Dazu kaufen sie den normalen Banken Staatsanleihen ab. Verleihen die Geschäftsbanken dieses gewonnene Geld dann weiter, an Firmen oder Privatleute, tritt es in den Wirtschaftskreislauf ein. Die Folge: Die Geldmenge steigt und mit ihr die Preise. (Was genau Staatsanleihen sind, erfahren Sie hier.)

Andererseits können die Zentralbanken die Höhe der Zinsen festlegen, zu denen sich die Geschäftsbanken Geld bei ihnen leihen können oder es bei der Notenbank anlegen dürfen. Früher oder später reichen die normalen Banken diese Zinsen an die Endverbraucher weiter, zum Beispiel, wenn diese einen Kredit aufnehmen wollen. Erhöhen die Zentralbanken den Leitzins, werden Schulden also teurer. In der Konsequenz sinkt die Nachfrage nach Geld, es kommt weniger neues Geld in den Umlauf, die Preise fallen.

In der aktuellen Situation bedeutet all das für die sogenannte Geldpolitik der Zentralbanken: Die EZB und die Fed könnten die hohen Teuerungsraten wieder auf ein Normalmaß um die wissenschaftlich erwünschten zwei Prozent bringen, indem sie – Option A – die aktuellen Mini-Zinsen erhöhen, oder – Option B – die laufenden Ankäufe von Staatsanleihen zurückfahren. Am realistischsten wäre jedoch – Option C – ein Mix aus A und B (siehe nächster Abschnitt).

Erhöht die US-Notenbank Fed jetzt die Zinsen?

Angesichts der inzwischen sehr hohen Inflation in den USA gehen davon immer mehr Experten aus, die sogenannte "Zinswende" halten viele Ökonomen mittlerweile für absehbar. In einem ersten Schritt jedoch müsste die Fed dafür den Ankauf von Staatsanleihen beenden. So würde sie zunächst dafür zu sorgen, dass die Geldmenge nicht noch weiter wächst.

Derzeit druckt die Fed monatlich noch rund 120 Milliarden US-Dollar, mit denen sie den Geschäftsbanken US-Staatsanleihen abkauft. Aktuell plant sie, diesen Betrag um monatlich rund 15 Milliarden Dollar zu reduzieren, sodass das Kaufprogramm Mitte 2022 auslaufen würde.

Vor der geldpolitischen Sitzung am Mittwoch rechnen die meisten Beobachter aber damit, dass Jerome Powell und seine Kollegen schneller auf die Bremse treten werden. Möglicherweise könnte bereits kommenden März Schluss sein mit den coronabedingten Anleihenkäufen. Damit wäre der Weg geebnet, um schon im Laufe des Jahres 2022 auch die Zinsen anzuheben.

Wann kommt die Zinswende bei uns in Europa?

Das lässt sich aktuell noch nicht sagen. Immer wieder schmetterte die Europäische Zentralbank im laufenden Jahr alle Fragen danach ab. Stets verwies auch Christine Lagarde darauf, dass die Inflation noch nicht so hoch sei, dass die EZB eingreifen müsse, im Gegenteil:

Im Sommer änderte die EZB gar ihre Strategie, sodass sie inzwischen nicht mehr eine Inflation von "bis zu" zwei Prozent anstrebt, sondern "mittelfristig" glatt zwei Prozent erreichen will. Was erst einmal lapidar klingt, hat gewichtige Folgen. Denn aus Sicht der EZB heißt das: Schießt die Inflation in einem Jahr einmal über das Zwei-Prozent-Ziel hinaus, lasse sich das mit einer niedrigeren Inflationsrate im Folgejahr verrechnen – ohne dass die Zentralbank zum Handeln gezwungen wäre.

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Allmählich jedoch werden die Stimmen lauter, die diesen Kurs kritisieren. Denn auch in Europa und in Deutschland zeichnet sich ab, dass die derzeit hohen Teuerungsraten im kommenden Jahr nicht sofort sinken werden. Das Münchner Ifo-Institut rechnet in seiner aktuellen Konjunkturprognose gar damit, dass die Inflation im kommenden Jahr sogar noch einmal steigt.

Diese Nachrichten dürften auch an EZB-Präsidentin Christine Lagarde und der deutschen EZB-Direktorin Isabel Schnabel nicht spurlos vorübergehen. Zwar betonte Schnabel jüngst im ZDF, dass die Inflation alles andere als "außer Kontrolle" sei. Dezent, mehr zwischen den Zeilen als direkt, signalisierte sie sogleich aber auch, dass die Zentralbank bei den Preisen aktuell genau hinschaue – und wenn nötig eingreife. Wörtlich sagte Schnabel: "Wenn wir sehen, dass sich die Inflation dauerhaft auf einem höheren Niveau als zwei Prozent festsetzen könnte, dann werden wir natürlich ganz entschlossen reagieren."

So ist für die Sitzung der EZB am Donnerstag, einen Tag nach der der Fed, zwar weder damit zu rechnen, dass die Zentralbank das Anleihenkaufprogramm so schnell zurückfährt wie die Fed, noch damit, dass Lagarde die Zinswende überhaupt andeutet. Die Vergangenheit aber zeigt, dass die Amerikaner den Europäern mit ihren geldpolitischen Schritten in der Regel ein knappes Jahr voraus waren. Mit Blick auf die Zinswende im Euroraum hieße das: Sie könnte frühestens ab dem Jahr 2023 kommen.

Was bedeutete eine mögliche Zinswende für mich?

Das kommt, wie so oft, ganz darauf an. Im Falle der Zinswende vor allem darauf, ob Sie Sparer oder Schuldner sind – oder als Anlegerin ihr Geld investieren, etwa in Aktien.

Für Sparer verspricht eine mögliche Zinswende erst einmal viel Gutes: Mit den jüngst von vielen Banken als Kontoführungsgebühren getarnten Negativzinsen dürfte es angesichts eines angehobenen Leitzinses wieder vorbei sein. Je nachdem, wie hoch die Zinsen steigen, könnte es absehbar womöglich sogar wieder Zinsen aufs Ersparte geben, etwas, wonach sich viele Menschen in Deutschland sehr lange sehnen.

Umgekehrt bedeuten höhere Zinsen auch, dass all jene, die sich künftig verschulden wollen oder müssen, etwa um ein Auto oder Haus zu finanzieren, dafür mehr ausgeben müssen. Auch wer jetzt schon Schuldner ist und seinen Kredit nicht schnell genug abbezahlt bekommt, müsste beim Ablösen des alten durch einen neuen Kredit nach einer potenziellen Zinswende wahrscheinlich mehr bezahlen.

Im Falle der Anleger ist die Sache etwas komplizierter. Wer sein Geld in Anleihen investiert hat, schaut bei steigenden Zinsen schnell in die Röhre. Der Grund: Die neuen Kreditpapiere versprechen angesichts eines höheren Leitzinses eine bessere Rendite, sodass die älteren Anleihen, die Sie womöglich im Depot haben, im Kurs fallen. Gleichzeitig heißt das: Wenn Sie neuere Anleihen kaufen, bekommen Sie dafür künftig einen höheren Zins ausgezahlt.

Aktionäre müssen ebenfalls stark sein. Denn anders als in Zeiten des billigen Geldes und der Mini-Zinsen sind Aktien für Anleger nicht länger alternativlos und deshalb wahrscheinlich weniger gefragt. Die Folge: Die Kurse an den Börsen dürften zumindest nicht mehr ganz so rasant steigen wie in den vergangenen zehn Jahren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters und dpa-AFX
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