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Inflation: Senkung der Mehrwertsteuer war ein großer Fehler


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Steigende Inflation
Diese Steuersenkung war ein großer Fehler

  • Florian Schmidt
MeinungEin Kommentar von Florian Schmidt

Aktualisiert am 29.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Ein Einkaufswagen (Symbolbild): Vieles wird dieser Tage teurer – manches jedoch nur auf dem Papier.Vergrößern des Bildes
Ein Einkaufswagen (Symbolbild): Vieles wird dieser Tage teurer – manches jedoch nur auf dem Papier. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)
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Die Inflation hat einen neuen Höchststand erreicht. Schuld an der Malaise ist auch die scheidende Regierung, die im Kampf gegen die Corona-Krise die Mehrwertsteuer gesenkt hat.

"Preis-Schock", "Mega-Inflation", "Teuer-Welle" – an reißerischen Überschriften für die anziehende Inflationsrate mangelt es nicht dieser Tage. Und auf den ersten Blick wirken sie auch angebracht.

Laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes vom Montag lagen die Verbraucherpreise im November 5,2 Prozent über jenen im vergleichbaren Vorjahresmonat. So hoch war die Inflation zuletzt vor knapp als 30 Jahren, im September 1992. Kein Wunder, dass angesichts dieser Zahlen nicht nur Boulevardmedien in helle Aufregung verfallen – und kein Wunder, dass sich viele Arbeitnehmer ob der entsprechenden Schlagzeilen fragen: Wann bekomme ich vom Chef eigentlich mehr Geld?

Schon jetzt zeigt sich, dass einige Gewerkschaften bei den anstehenden Tarifverhandlungen einen Inflationsausgleich haben wollen. Unlängst forderte das etwa die IG BCE für die rund 580.000 Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Macht dieses Beispiel Schule, dürften in den kommenden zwölf Monaten mehr als 10 Millionen Arbeitnehmer ein sattes Gehaltsplus bekommen – und sich die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale endgültig in Bewegung setzen, die hohe Inflation zum Dauerphänomen werden. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Mehrwertsteuersenkung hat fast nichts gebracht

Klar, auch wir Journalisten tragen zur aktuellen Erregung bei. Die viel größere Schuld an dieser Entwicklung aber trifft, so abgedroschen es klingt, die Politik, genauer gesagt die scheidende Bundesregierung von Union und SPD.

Um das zu verstehen, müssen wir zurückblicken auf den 3. Juni 2020. Im Kampf gegen die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen zauberte der Koalitionsausschuss damals aus dem Hut, was bis dato niemand auf dem Zettel hatte: die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer für das zweite Halbjahr 2020. Die Idee: Reichen die Händler die geringere Steuer an die Verbraucher weiter, ziehen diese wegen der niedrigeren Preise Anschaffungen vor. Ein solches Konsum-Plus würde dann dafür sorgen, dass die Wirtschaft schneller wieder in den Tritt kommt.

Das Ergebnis ist bekannt. Der neuerliche Lockdown im vergangenen Winter machte den zügigen Aufschwung zunichte. Doch auch unabhängig davon kritisierte das Münchner Ifo-Institut im Januar dieses Jahres: Der Effekt der Steuersenkung ist fast gänzlich verpufft, nur wenige Deutsche hätten ihretwegen mehr eingekauft. Insgesamt habe die Maßnahme den Fiskus um rund 20 Milliarden Euro an Steuereinnahmen gebracht, jedoch nur einen Konsumeffekt in Höhe von 6,3 Milliarden Euro hervorgerufen.

Die Steuersenkung treibt die Inflation auf dem Papier hoch

Auch wenn neuere Studien durchaus einen positiven Effekt der Steuersenkung herausstellen, stellt sich die Frage: Viel gekostet, wenig gebracht? Wenn es nur das wäre. Tatsächlich ist der Schaden der Steuersenkung viel größer, womit wir wieder im Hier und Jetzt sind.

Denn: Die aktuell so hohe Inflationsrate hängt zu einem großen Teil auch damit zusammen, dass die Preise wegen der Steuersenkung im November 2020 so niedrig waren. Selbst bei Waren, deren Preise dieses Jahr nur leicht gestiegen sind, wirkt der Zuwachs im Vergleich deshalb umso größer.

Für wie viel Prozentpunkte dieser statistische Effekt verantwortlich ist, lässt sich zwar nur schwer berechnen. Schließlich setzt sich der Verbraucherpreisindex aus einer Vielzahl von Waren zusammen, deren Preise dieses Jahr tatsächlich stark gestiegen sind, etwa die für Energie, also Heizöl oder Benzin.

Endlich wendet sich die EZB ans Volk

Fest steht aber: Ohne die Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr würde die prozentuale Teuerung auf dem Papier deutlich geringer ausfallen. Wahrscheinlich würde niemand von einem "Preis-Schock" sprechen, würden keine Sätze fallen wie "So hoch war die Inflation zuletzt vor mehr als 30 Jahren".

Mit der Mehrwertsteuersenkung hat die große Koalition Deutschland einen Bärendienst erwiesen. Die Kürzung war ein großer Fehler, der – und das immerhin war absehbar – die Debatte um Preissteigerungen in diesem Jahr unnötig anheizt. Schlimmstenfalls sorgt sie jetzt gar dafür, dass die Preisspirale erst richtig in Fahrt kommt.

Verhindern kann das als Hüterin der Preisstabilität vor allem die Europäische Zentralbank (EZB). Es ist ein gutes Signal, dass sich unlängst EZB-Präsidentin Christine Lagarde über ein Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel im ZDF-"Morgenmagazin" endlich mit klaren und beruhigenden Worten direkt an die deutsche Bevölkerung gewandt haben. Ihre Botschaft: Keine Panik, wir haben alles im Griff.

Zu hoffen bleibt jetzt, dass eintritt, was sie prognostizieren: Dass die Inflationsrate schon im Januar deutlich geringer ausfällt, weil dann der vermaledeite Mehrwertsteuereffekt endlich nicht mehr zum Tragen kommt.

Anm. d. Red.: Im Absschnitt über das mögliche Konsum-Plus haben wir im Nachgang eine weitere Studie ergänzt.

Verwendete Quellen
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