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Gefährdet Chinas Kurswechsel die europäische Wirtschaft?


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Deutsche Firmen warnen
"Chinas Regierung zieht die Daumenschrauben an"


Aktualisiert am 03.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Arbeiterin in einer Fabrik im nordchinesischen Cangzhou: China könnte vor einem fundamentalen Kurswechsel in seiner Wirtschaftspolitik stehen.Vergrößern des Bildes
Arbeiterin in einer Fabrik im nordchinesischen Cangzhou: China könnte vor einem fundamentalen Kurswechsel in seiner Wirtschaftspolitik stehen. (Quelle: imago-images-bilder)

China reguliert seine Bürger und die Industrie immer härter. Experten sehen einen Abschottungskurs des Lands der Mitte – mit weitreichenden Folgen für die deutsche Wirtschaft.

Der eine baut Mauern in die Wüste, der andere errichtet lieber unsichtbare Barrikaden. Das Ergebnis bleibt am Ende gleich: Die Großmächte USA und China wenden sich von der Welt ab – nur mit unterschiedlichen Stilen. Mit seiner aktuellen Politik zeigt China deutlich: Dieses Land will nicht mehr dem Westen gefallen, es braucht nicht einmal seine Akzeptanz.

China legt ausländischen Firmen im eigenen Land ein enges Korsett an und drängt Unternehmen mit einer Mischung aus Regulation und Anreizen, die Produktion direkt in China anzusiedeln. "Die chinesische Regierung erhöht den Druck auf europäische Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeit in
China weiter auszubauen und ihre Lieferantenbeziehungen zunehmend zu lokalisieren", analysiert etwa Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln in einem aktuellen Bericht zur Chinapolitik.

Das Land der Mitte drängt so deutsche Unternehmen in seine Kontrolle. So setzt China etwa zunehmend auf eigene Produktionsstandards, sodass Exporte aus deutschen und europäischen Fabriken keinen Zugang mehr zum chinesischen Markt haben. Statt Waren zu exportieren, sollen die Unternehmen ihre Gelder direkt in China investieren – und nicht im heimischen Markt in Europa.

China will die Unternehmen im eigenen Land wissen

"Es macht Ihnen nichts aus, wenn ein ausländisches Unternehmen die Waren herstellt, solange es das innerhalb der großen Mauern Chinas macht", erklärt Präsident der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke in einem englischsprachigen Medium. Gleichzeitig stärkt die chinesische Regierung den Stolz auf eigene Produkte, das zeigen auch die staatlichen Programme wie "Made in China 2025" und "Chinese Standards 2035". Spätestens 2049 will China die größte Wirtschaftsmacht der Welt sein – auf seine Wege und fokussiert sich dabei zunehmend auf sich selbst.

Das löst bei einigen Ökonomen Befürchtungen aus. Es gebe "besorgniserregende Anzeichen" dafür, dass sich China zunehmend nach innen wende, sagt Jörg Wuttke. Immer mehr deutsche Unternehmen fürchteten, in Zukunft über Exporte nicht mehr vom künftigen Wirtschaftswachstum Chinas profitieren zu können. Manche sprechen schon von einer zweiten Kulturrevolution und einem erneuten Linksruck.

Der Grund zur Sorge ist berechtigt: Denn Deutschland ist enorm auf seine Exporte angewiesen und China ist der zweitwichtigste Handelspartner. Insgesamt machten die Exporte selbst in der Corona-Krise noch 43,8 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes aus, vor der Krise waren es sogar über 50 Prozent.

Deutschland ist auf Exporte angewiesen – und auf den chinesischen Markt

Deutschlands Trumpf ist aber auch seine Achillessehne: Die große Exportleistung macht abhängig von den Ergebnissen auf den ausländischen Märkten, analysiert auch Matthes vom IW. Holt China die Produktion ins eigene Land, sinken unsere Exporte und die Auslastung der Fabriken.

Und bisher scheinen die Pläne aufzugehen. Bei einer Umfrage der Außenhandelskammer Great China gaben 43 Prozent der deutschen Unternehmen, die in China ansässig sind, an, sogar ihre Forschung in das Land der Mitte verlagern zu wollen. Der Grund? Die Abkoppelungstendenzen der Regierung. Außerdem ist China für immer mehr deutsche Unternehmen der wichtigste Absatzmarkt.

"Die großen Zeiten der Globalisierung und Exportwachstumsraten sind zunächst einmal vorbei", sagt Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft im Gespräch mit t-online deutlich. Diese Ansicht teilt auch Matthes von IW: "Wenn China ausländische Firmen nicht mehr braucht, werden sie zu Figuren auf dem geopolitischen Schachbrett."

"Der chinesische Motor funktioniert dank deutscher Teile"

Besonders deutlich zeigt dies der Fünf-Jahres-Plan der kommunistischen Regierung auf. Das Land, das in der Globalisierung seinen Wohlstand und Aufstieg fand, will sich nun von der Welt abwenden. Unabhängigkeit, eigene Forschung und die Stärkung der chinesischen Binnenwirtschaft – das sind die neuen Ziele, analysiert das IfW aus Kiel.

Dennoch sehen manche Experten nicht nur eine einseitige Abhängigkeit von China, sondern vielmehr eine gegenseitige Interdependenz. "Der chinesische Motor funktioniert auch dank deutscher Teile", sagt Volker Treier, Außenhandelschef der Deutschen Industrie- und Handelskammertags, "Die Unternehmen profitieren nicht nur von China, sondern China auch von den Unternehmen."

Yanling Zhu, Analystin und Asien-Expertin beim Asset Management des Bankhauses Metzler, ist überzeugt, dass eine mangelnde Globalisierung nicht in Chinas Interesse sei: "China ist der größte Exporteur mit einem Volumen von 2,7 Billionen USD in 2020 weltweit. Der verstärkte Fokus der Regierung auf die Binnenwirtschaft ist vielmehr eine Reaktion auf den Handelskrieg der USA", sagt sie t-online.

"China will Kontrolle und zieht die Daumenschrauben an"

Fakt ist: Die chinesische Regierung will mehr Kontrolle: Dies zeigt sich in seiner strikten Politik gegenüber seinem pulsierenden und erfolgreichen Tech-Sektor, bei seinem Bann der Kryptowährungen wie etwa Bitcoin oder auch bei dem Umgang mit dem hochverschuldeten Immobilienkonzern Evergrande. Alle zu tiefen Wurzeln im Ausland sind der Regierung ein Dorn im Auge.

"Je größer und internationaler chinesische Unternehmen werden, desto mehr entziehen sie sich der Staatsführung. Das will die Regierung nicht und zieht nun die Daumenschrauben an", sagt Langhammer.

Wer über China hinauswächst, wird zurechtgestutzt. Und wer von außen in den chinesischen Markt möchte, wird mit Regularien in die "großen Mauern Chinas", wie es Wuttke bezeichnet, gepresst. Lokale Produktionen, lokale Lieferketten, für den deutschen Exportmarkt wird das Einfallstor immer kleiner.

Wissen ist Deutschlands Trumpf – aber wie lange?

Viele europäische Unternehmen zwingt China zudem, ein Joint Venture mit einem lokalen Partner einzugehen. Gerade hier könnten die deutschen Firmen ihren Trumpf aus der Hand geben: Ihren Wissensvorsprung in der Produktion und Forschung. Hier will China laut seinem Fünfjahresplan aufholen – in dem nächsten Jahrzehnt sogar führend sein.

Gerade im Technologiesektor hat China aufgeholt. "Die Bedrohung für deutsche Unternehmen kommt eher von der zunehmenden Konkurrenzfähigkeit und dem technologischen Fortschritt chinesischer Unternehmen", sagt Zhu.

Es bleibt also abzuwarten, wie lange China noch auf die deutsche Partner angewiesen ist – oder ob deutsche Unternehmen im Schachspiel bald nur noch Bauern, anstatt Dame sind.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Rolf Langhammer
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