"Nein Danke, Herr Premierminister" Polnische Lkw-Fahrer wollen Großbritannien nicht retten
Großbritannien sucht weiterhin nach einer Lösung für seine Lieferengpässe. Die Idee: polnische Lkw-Fahrer für wenige Monate zurückholen. Doch die lehnen ab – für Boris Johnson könnte es ungemütlich werden.
Geschlossene Tankstellen, teils leere Regale in den Supermärkten und immer mehr Verbände warnen vor noch mehr Versorgungslücken: Großbritannien kämpft mit massiven Lieferengpässen, die mittlerweile tief in den gesellschaftlichen Alltag einschneiden.
Mittlerweile warnt sogar ein Ärzte-Verband, dass die Benzinversorgung so knapp sei, dass Ärzte bald nicht mehr zu ihren Patienten kommen könnten. Die Regierung überlegt daher, die Armee einzusetzen, um den Mangel an Lkw-Fahrern vorübergehend auszugleichen – das kann allerdings nur eine kurzzeitige Lösung sein. In Großbritannien fehlen fast 100.000 Lkw-Fahrer.
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Das ist teils in der Pandemie, aber auch teils im Brexit begründet. Wegen der Corona-Pandemie wurden etliche Fahrstunden und -prüfungen verschoben. Zudem wanderten aufgrund des Brexits etwa 20.000 vor allem osteuropäische Fachkräfte ab – und die wollen nicht zurückkommen.
"Kein Fahrer will für drei Monate umziehen"
Am Sonntag hatte die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson angesichts anhaltender Versorgungsengpässe angekündigt, 5.000 bis zum 24. Dezember gültige Visa für ausländische Lkw-Fahrer auszustellen. Sie sollen vor allem Benzin zu Tankstellen transportieren.
Doch polnische Lkw-Fahrer winken bei dem Angebot ab, für drei Monate in Großbritannien beim Kampf gegen Engpässe bei Versorgungen auszuhelfen. "Nein Danke, Herr Premierminister, ich werde diese Gelegenheit nicht wahrnehmen", sagt Jakub Pajka hinter dem Steuerrad seines roten Lasters auf einem Parkplatz außerhalb von Warschau.
"Kein Fahrer will nur für drei Monate umziehen, nur damit den Briten die Vorbereitung auf die Weihnachtsfeiertage erleichtert wird." Der 35-Jährige hatte seinen Job im Vereinigten Königreich wegen des Brexits aufgegeben.
Das Geld sei es nicht wert
Das zusätzliche Geld könne die Mühen des Umzugs, die Bedrohung durch Migranten, die versuchen, den Ärmelkanal auf der Ladefläche eines Lastwagens zu überqueren, oder die Trennung von seiner Familie nicht wettmachen, sagt Pajka. "Das Geld, das man im Vereinigten Königreich verdienen kann, entschädigt einen Fahrer nicht für all die gefährlichen Dinge, die ihm dort passieren."
Ähnlich äußert sich Jacek Rembikowski, ein 60 Jahre alter Trucker auf einem anderen Parkplatz. Sieben Jahre hat er in Großbritannien gearbeitet, bevor er wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union nach Polen zurückkehrte. Damals sei unklar gewesen, wie die Fahrer behandelt würden und ob sie nach dem Brexit noch gebraucht würden, erklärt Rembikowski.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur Reuters