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Grünen-Finanzpolitiker: "FDP agiert als Schutzheiliger der Steuerhinterzieher"


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Grünen-Finanzpolitiker
"Der ehrliche Steuerzahler darf nicht der Dumme sein"

InterviewVon Mauritius Kloft

Aktualisiert am 01.09.2021Lesedauer: 3 Min.
Sven Giegold: Der Grünen-Politiker verteidigt seinen Parteikollegen Danyal Bayaz.Vergrößern des Bildes
Sven Giegold: Der Grünen-Politiker verteidigt seinen Parteikollegen Danyal Bayaz. (Quelle: Dominik Butzmann/privat)

Baden-Württembergs grüner Finanzminister Bayaz muss Kritik einstecken, weil er ein Portal eingerichtet hat, auf denen Steuerbetrüger gemeldet werden können. Parteikollege Giegold verteidigt die Idee.

"Steuer-Stasi", "Blockwart-Mentalität", "Denunziantentum": Die Worte, mit denen das neue Portal der baden-württembergischen Finanzverwaltung kritisiert wird, klingen hart. Vor allem Politiker der FDP und CDU dreschen auf das neue Portal ein.

Worum es geht: Seit neustem können Menschen online anonym melden, wenn jemand Steuern hinterzieht. Die Idee dafür hatte Danyal Bayaz, Grünen-Politiker und Finanzminister Baden-Württembergs – ihm gilt deshalb vor allem ihm.

t-online hat mit seinem Parteikollegen Sven Giegold gesprochen. Der EU-Finanzpolitiker kämpft seit 20 Jahren gegen Finanzkriminalität und findet die Vorwürfe absurd.

t-online: Herr Giegold, Ihr Parteikollege Danyal Bayaz will als Finanzminister von Baden-Württemberg eine Webseite einrichten, auf der sich Bürger gegenseitig für Steuerbetrug anschwärzen können. Sie wehren sich gegen den Vorwurf einer neuen "Steuer-Stasi". Warum?

Sven Giegold: Weil so ziemlich alles daran falsch ist. Ein plumpes Wahlkampfmanöver. Man sieht: Wenn die Grünen Finanzpolitik machen, sich fürs Gemeinwohl und Steuergerechtigkeit einsetzen, wird die ganz große Keule rausgeholt. Es ist eine geschichtsvergessene Entgleisung, die deutschen Finanzämter mit der Stasi zu vergleichen.

Vor allem die FDP haut hier in die Kerbe, Sie als Grüne würden "Denunziantentum" fördern. Was sagen Sie dazu?

Beim Steuerbetrug hat die FDP einen verstörenden Rechtsstaatsbegriff. Denn: Jahrelang agierte sie als Schutzheiliger der Steuerhinterzieher. Gerade die Liberalen sollten doch wissen: Soziale Marktwirtschaft und fairer Wettbewerb funktionieren nur, wenn alle ihre Steuern ordnungsgemäß zahlen.

Man merkt, auch Sie können ganz schön austeilen.

Nun ja. Bei solch haarsträubenden Aussagen werde ich schon mal deutlich. Wolfgang Kubicki verteidigt Hanno Berger, den Drahtzieher hinter den Cum-Ex-Geschäften, also dem größten Raub von Steuergeldern in der Geschichte der Bundesrepublik. Und die FDP hat sich ewig gegen den Kauf der Steuer-CDs gewehrt, die uns endlich etliche Steuerbetrüger in renitenten Steueroasen geliefert haben. Dieser plumpe Angriff auf den grünen Finanzminister in Baden-Württemberg passt daher nur zu gut ins Bild.

Aber um einen Milliardenskandal geht es hierbei ja nicht, sondern um die Putzhilfe, die schwarz arbeitet, oder?

Nein, das ist nur die Halbwahrheit der FDP. Die Plattform wendet sich an alle Hinweisgeber. Auch bisher schon haben Finanzämter Tipps von Whistleblowern angenommen – auch unter Finanzministern der FDP in verschiedenen Bundesländern. Der Unterschied jetzt ist: Die Menschen sollen ermutigt werden, ihr Wissen über schwere Steuerbetrügereien zu teilen. Dabei geht es nicht um das Verpetzen des Nachbarn, sondern um die großen Fälle von Steuerbetrug.

Aber auf dem Portal kann man auch "kleinere" Fälle melden.

Ja. Nur: Das Finanzamt wird nicht jeder Verdachtsmeldung nachgehen. Jedes Finanzamt muss sich fragen, wo der mögliche Ertrag liegt, wenn man den Hinweis eines Whistleblowers verfolgt. Gerade deshalb ist es gut, dass es diese Webseite gibt. Denn das Finanzamt kann jetzt anonym nachfragen, wenn es weitere Infos über eine Verdachtsmeldung benötigen sollte. Und wenn ich nur meinen Nachbarn anschwärzen will, der ohne Rechnung arbeiten geht, wird das Finanzamt dem in den seltensten Fällen nachgehen. Es geht um die großen Fälle von Finanzkriminalität, die regelmäßig nur durch mutige Whistleblower aufgeklärt werden. Die Enthüllungen von Steuerskandalen wie LuxLeaks oder PanamaPapers verdanken wir Whistleblowern. Deshalb ist es gut, wenn das Finanzministerium die Hürden für sie absenkt.

Könnte es solche Portale also auch in weiteren Ländern geben?

Ja, das hoffe ich. Corona hat die öffentlichen Kassen geleert. Jetzt brauchen wir eine Nulltoleranz-Politik gegenüber Steuerbetrügern und Geldwäsche. Deshalb sind wir auf die Hilfe von Insidern angewiesen. Wichtig ist zu wissen: Im Europaparlament haben wir eine Richtlinie zum Whistleblowerschutz verabschiedet, die von der Großen Koalition in Deutschland bislang nicht umgesetzt wird.

Was heißt das genau?

Viel mehr Aufsichtsbehörden brauchen solche Portale für anonyme Hinweisgeber. Der Bund sollte diese Portale einrichten. Whistleblower haben uns immer wieder zentrale Fortschritte gebracht. Doch allzu oft sind diese Hinweise nicht aufgenommen worden, etwa beim Wirecard-Skandal oder der VW-Abgasaffäre. Hinweisgeber als Denunzianten zu beschützen, ist völlig fehl am Platz. Whistleblower sind häufig Helden und handeln im Sinne des Gemeinwohls. In den USA bekommen Hinweisgeber bisweilen sogar finanzielle Unterstützung vom Staat. In Deutschland wird dagegen immer noch die Hand schützend über die Wirtschaftskriminalität gehalten. Der ehrliche Steuerzahler darf nicht der Dumme sein.

Herr Giegold, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Sven Giegold
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