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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kritik an Wirtschaftspolitik "Biden lässt Trumps Traum wahr werden"
US-Präsident Joe Biden hatte im Wahlkampf oft betont, dass er die Dinge anders angehen wolle als sein Vorgänger Donald Trump. Doch mit dem "Buy American"-Programm schlägt er nahezu gleiche Töne an.
Es war ein griffiges Motto, mit dem Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen Millionen Stimmen eingesammelt hatte: "Make America Great Again" lautete sein Wahlspruch. Auf die Wirtschaft bezogen hieß das vor allem Abschottung nach außen und Unterstützung der heimischen Industrie.
Nach Trumps Abwahl wollte der neue US-Präsident Joe Biden dieses Vorgehen eigentlich ändern – zumindest sagte er das häufig im Wahlkampf. Jetzt aber wird immer deutlicher: Einen Bruch mit der Wirtschaftspolitik seines Vorgängers wird es so nicht geben, im Gegenteil. Mit seinen jüngst verkündeten "Buy American"-Regelungen verschärft er sogar Richtlinien von Trump.
So will Biden etwa sicherstellen, dass bei staatlichen Aufträgen vor allem heimische Unternehmen profitieren. Zunächst soll der Mindestanteil bei der staatlichen Auftragsvergabe an US-Firmen von 55 auf 60 Prozent steigen. Bis 2029 soll er dann 75 Prozent umfassen.
Im In- und Ausland kritisierten Wirtschaftsvertreter den Vorstoß. Doch was bedeuten die neuen Vorgaben tatsächlich für die Wirtschaft in den USA, aber auch in Deutschland?
Buy American ist eine beliebte Krisenreaktion
"Es gibt zwischen Biden und Trump Unterschiede in der Rhetorik und den Mitteln, aber die Ziele sind ähnlich", sagt Philipp Haubner, Ökonom und USA-Experte am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, t-online. Und das sei auch wenig überraschend.
Was er damit meint: Die Idee hinter "Buy American" ist eine beliebte Krisenreaktion in der amerikanischen Politik. Schon US-Präsident Herbert Hoover brachte 1933 ein ähnliches Programm auf den Weg, damals als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre.
Auch Trump nutzte das bekannte Konzept, um sich als Unterstützer der amerikanischen Wirtschaft zu inszenieren. Er legte damals besonderen Wert darauf, auch Darlehen, Zuschüsse und inländische Hilfsprogramme mit einzuschließen.
Biden spricht gezielt Arbeitnehmer im "Rust Belt" an
Auch Mark Tomkins, Präsident der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, überrascht Bidens Ansatz wenig. "Jeder neue Präsident in den letzten Jahrzehnten hat das Thema 'Buy American' angesprochen", erklärt er. Es handele sich also nicht um ein parteipolitisches Gebaren.
Vielmehr werbe Biden damit um eine bestimmte Bevölkerungsgruppe: Arbeitnehmer im sogenannten "Rust Belt", dem "Rostgürtel", eine Region im Nordosten der USA mit einer großen Anzahl an Unternehmen in der verarbeitenden Industrie.
Unternehmen droht großer bürokratischer Mehraufwand
Die US-Regierung bezieht jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 600 Milliarden US-Dollar. Damit ist sie der größte Käufer von Konsumgütern weltweit und stellt für die globale Wirtschaft einen relevanten Faktor dar. Klar ist dabei aber auch: Schon jetzt bestellt die US-Regierung einen Großteil ihrer Anschaffungen bei amerikanischen Unternehmen oder solchen mit amerikanischen Niederlassungen.
Bereits unter Trumps Regierung machten diese heimischen Güter 97 Prozent des Gesamtvolumens der Staatsaufträge aus. Entsprechend gering waren nach Einschätzungen der Amerikanischen Handelskammer die Auswirkungen seiner Politik.
Denn: Die verbleibenden drei Prozent entfallen unter anderem auf Kosten von Militärstützpunkten im Ausland. Auch der Einfluss von Bidens Vorstoß kann dementsprechend nicht allzu groß sein.
Mehrbelastungen auch für deutsche Firmen
Biden selbst hatte bei der Vorstellung seiner Pläne darauf verwiesen, dass er anders als sein Vorgänger Trump auf das Einhalten der Regeln pochen werde. "Meine Regierung wird 'Buy American' wahr werden lassen", kündigte er an.
Doch genau das könnte für einige Unternehmen – nicht zuletzt aus Deutschland – zur Belastung werden. "Wenn jedes Bauteil nachgewiesen werden muss, werden manche Unternehmen nicht mehr liefern wollen", so Tomkins. Die Dokumentationspflicht, gerade bei komplexen Produkten, bedeute einen großen Aufwand. Eine Rechnung, die nicht unbedingt aufgehe, wenn man die Nutzen dagegen halte. "Letztendlich sind die Auswirkungen minimal", sagt Tomkins.
Auch IfW-Experte Haubner fürchtet steigende Belastungen für die Unternehmen. "Bidens Gesetz sieht vor, dass die Angaben strenger überprüft werden. Dies ist bislang wohl nicht üblich gewesen", sagt er. "Das könnte einen großen bürokratischen Aufwand bedeuten, zumal der heimische Wertschöpfungsanteil einzelner Güter schwer zu bestimmen ist."
Für ausländische Unternehmen könnte die Regelung allerdings auch einen Anreiz darstellen, Produktionsstätten in den USA auf- oder auszubauen. Das wäre ganz in Bidens Sinne, so Haubner.
"Biden lässt Trumps protektionistischen Traum wahr werden"
Die Reaktionen auf Bidens Vorstoß fallen unterschiedlich aus. Der Gewerkschaft-Dachverband AFL-CIO, der für rund 12 Millionen Arbeitnehmer in den USA steht, lobte die Verschärfungen. "Die Trump-Regierung hat zwar die richtigen Worte gefunden, aber nie Maßnahmen ergriffen, um einen sinnvollen Wandel herbeizuführen", heißt es in einem Statement. Die neuen Regeln würden "Schlupflöcher" schließen.
Doch sowohl auf amerikanischer als auch auf deutscher Seite gibt es Kritik. So heißt es etwa von der US-amerikanischen Handelskammer, dass "eine weitere Erhöhung der Beschaffungsschwellen und Quoten ineffizient, kostspielig und letztlich kontraproduktiv ist".
In Deutschland kritisiert Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, Bidens Politik. "Offensichtlich will Präsident Biden nachträglich Donald Trumps protektionistischen Traum wahr werden lassen", sagte er t-online. Der Unternehmensverband fordert stärkere internationale Zusammenarbeit.
"Das Credo 'Buy American' ist und bleibt aber ein grober Bruch mit einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte. Freihandel, fairer Wettbewerb und die transatlantische Partnerschaft sind tragende Säulen des Wohlstandes der westlichen Welt", so Steiger weiter. Gerade nach der Corona-Krise brauche es ein Freihandelsabkommen statt Abschottung. Der Vorschlag der EU-Kommission, einen transatlantischen Handels- und Technologierat ins Leben zu rufen, sei ein richtiger Schritt.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters
- Gespräche mit Philipp Haubner (IfW) und Mark Tomkins (Deutsch-Amerikanische Handelskammer)
- Statement der AFL-CIO
- Wall Street Journal: Biden Proposes Buy American Rule for Government Procurementshttps://www.wsj.com/articles/biden-to-propose-buy-american-rule-for-government-procurements-11627462800
- Fact Sheet des Weißen Hauses