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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona-Ausbruch in China Wie ein Mega-Stau auf See den Welthandel bedroht
Die Suez-Krise ist gerade erst vorbei, da zeichnen sich bereits die nächsten Probleme ab: Ein Mega-Stau vor der südchinesischen Küste. Die Auswirkungen könnten Kunden bald spüren, Engpässe drohen.
2021 ist noch nicht einmal halb vorbei, da ist schon klar, welche Bilder in keinem Jahresrückblick fehlen werden: die des Containerschiffes Evergiven, das im März tagelang den Suezkanal blockierte.
Zwar ist die wichtige Handelsroute seit Ende März wieder frei, doch die Auswirkungen der verstopften Wasserstraße spürten viele Menschen noch Wochen später: Beim Einkaufen im Supermarkt oder bei der Drogerie um die Ecke, weil Regale teils leer blieben.
Nun bahnt sich eine neue Krise für den Welthandel an. Seit rund zwei Wochen stauen sich zahlreiche Containerschiffe vor den Häfen Südchinas.
Häfen "von einer auf die anderen Stunde" dicht
Grund dafür ist ein Corona-Ausbruch in der Provinz Guangdong vor einigen Wochen. "Die Chinesen haben ohne Vorwarnung, von einer Stunde auf die andere, den Hafen Yantian dichtgemacht", sagt Willem van der Schalk, Vorsitzender des Komitees Deutscher Seehafenspediteure im DSLV Bundesverband Spedition und Logistik.
Dieser Containerhafen gilt als ausschlaggebend für die Wirtschaftsregion Guangzhou, die auch als "Fabrik der Welt" bekannt ist. "Schiffe mussten umgeleitet werden, um ihre Ware loszuwerden – während andere Güter noch auf den Abtransport warten", so van der Schalk.
Die Folgen für den Handel sind verheerend, wie auch Vincent Stamer, Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) weiß. "Die strengen Lockdown-Maßnahmen verzögern den Hafenbetrieb enorm", sagt er. "Deshalb müssen Dutzende Containerschiffe an den Häfen warten." Wie stark die Anzahl der Schiffe zuletzt anstieg, zeigen folgende Daten des Dienstleisters Fleetmon.
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Doch der dortige Corona-Ausbruch ist nur eine Ursache für das Chaos vor den chinesischen Häfen. Hinzu kommt, dass die Pandemie die Linienpläne auf den maritimen Schlagadern rund um den Globus kräftig durcheinandergewirbelt hat, und das schon seit Beginn der Corona-Krise vor einem Jahr.
"Lieferketten überhaupt nicht mehr planbar"
"Der Verkehr der Containerschiffe ist nicht ausgeglichen", so Stamer. "Es gibt zahlreiche Staus, die durch einen Vorfall wie jetzt in Südchina leicht ausarten können." Denn in Ostasien, aber auch in den USA erholt sich die Wirtschaft nach Corona deutlich stärker als etwa in Europa.
Die Folge dieser Entwicklung: Viele Container stecken an Standorten fest, an denen sie niemand gebrauchen kann – und fehlen dadurch andernorts oder müssen teuer zurückgeschickt werden.
Durch die Suez-Blockade wurde das Containerungleichgewicht zuletzt weiter verschärft, wie auch van der Schalk betont. "Die Krise am Suezkanal hat die angeschlagenen Lieferketten komplett durcheinander gebracht", sagt van der Schalk. "Die jetzige Hafenkrise führt dazu, dass Lieferketten überhaupt nicht mehr planbar sind."
Lieferverzögerungen bei Spülmaschinen
Das merken auch bald Verbraucher. Denn: Die Frachtpreise ziehen momentan stark an – und werden vermutlich noch weiter steigen. "Ich gehe davon aus, dass die Deutschen die Containerkrise beim Einkaufen spüren werden", sagt Stamer. Wie sehr und wann, lässt sich kaum beziffern. "Doch die höheren Kosten werden die Importfirmen sicher an die Händler weitergeben – und die wiederum an die Kunden."
Van der Schalk geht noch weiter: Der Logistikexperte erwartet, dass Verbraucher in Deutschland lange auf Produkte warten müssen. "Das werden wir in allen Bereichen spüren, vor allem aber bei Elektroartikeln, beispielsweise Spülmaschinen. Wenn es hier nur um eine Verzögerung von einem Monat geht, wäre das Glück im Unglück", sagt van der Schalk.
Doch damit rechnet er kaum. "Wir gehen davon aus, dass die Lieferketten noch bis Ende des Jahres so angespannt bleiben." Für den sich ankündigenden Aufschwung gleicht das einer Hiobsbotschaft.
Die deutsche Industrie ist besonders betroffen
Besonders die exportstarke Industrie, der Treiber der wirtschaftlichen Erholung, hängt stark an Produkten aus Asien. Zuletzt hatte einzig der Chipmangel der Autoindustrie zugesetzt. Nun könnten weitere Teile zur Mangelware werden. "Es geht hier zum Beispiel um Ersatzteile für Motoren oder Achsen, die schon seit Jahren in China oder Vietnam hergestellt werden", sagt van der Schalk. "Das lässt sich nicht kurzfristig umplanen und nach Europa holen."
Auch Ökonom Stamer sorgt sich vor den Folgen des Containerchaos. "Für die hiesige Industrie ist es ein schwerer Schlag, wenn viele Firmen auf Zwischenprodukte aus China warten müssen. Das lähmt den Aufschwung", sagt er.
"Ich hoffe nicht, dass die wirtschaftliche Entwicklung durch die Hafenkrise bedroht ist. Doch klar ist: Sie kommt wahrlich zu einer Unzeit." Für van der Schalk steht derweil fest: "Das Prinzip Just-In-Time hat ausgedient."
- Eigene Recherche
- Gespräch mit Vincent Stamer
- Gespräch mit Willem van der Schalk
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa