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Bundestagswahl: So reagiert die Wirtschaft auf die Ergebnisse


Wirtschaftsstimmen zur Bundestagswahl
"Die Zeit drängt"


Aktualisiert am 24.02.2025 - 16:23 UhrLesedauer: 4 Min.
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Produktion bei Volkswagen (Archivbild): Wie blicken Vertreter der Wirtschaft in die Zukunft angesichts der Bundestagswahl? (Quelle: IMAGO/Darius Simka/imago)
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Die Wirtschaft spielte in der Endphase des Wahlkampfs [überraschenderweise] eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch hoffen die Unternehmen in Deutschland nun auf umfassende Reformen.

Ernüchternde Wirtschaftszahlen, hitzige Diskussionen über den Haushalt und wachsender Druck aus dem Ausland – die wirtschaftliche Lage galt lange Zeit als gesetztes Wahlkampfthema. Doch dann kam alles anders: Die Anschläge in Magdeburg, Aschaffenburg und München beförderten Fragen zur inneren Sicherheit und Migration auf die Tagesordnung, die Wirtschaft rückte zunehmend in den Hintergrund.

Nun ist die Union als Wahlsiegerin aus der Bundestagswahl hervorgegangen, wenn auch mit einem vergleichsweise schwachen Ergebnis von 28,5 Prozent. Angestrebt hatten die Parteispitzen einen noch deutlicheren Sieg mit mehr als 30 Prozent. CDU-Chef Friedrich Merz will jetzt mit der SPD über die Neuauflage der Großen Koalion verhandeln. Die Wirtschaft fordert dabei vor allem eines: Geschwindigkeit, denn die Probleme drängen.

DIHK-Präsident Peter Adrian sagte dazu: "Die Wirtschaft setzt auf eine möglichst zügige Regierungsbildung." Diese sei notwendig, um die Attraktivität Deutschlands wieder zu steigern. "Unternehmen gewinnen nur dann wieder Vertrauen in den Standort, wenn Wachstum ganz oben auf der Agenda der neuen Bundesregierung steht", so Adrian weiter.

Konkret versteht er darunter spürbare Entlastungen bei Bürokratie und Abgaben. "Wenn die künftige Regierung schnell und klar diesen Kurswechsel einleitet, werden wir auch wirtschaftlich wieder erfolgreicher sein", so seine Hoffnung. Eine Hoffnung, die viele andere Wirtschaftsvertreter und Ökonomen teilen dürften.

Angespannte wirtschaftliche Lage

Denn die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist angespannt. Seit zwei Jahren befindet sich das Land in einer Rezession, auch für das laufende Jahr sind die Prognosen gedämpft. Kurz vor der Wahl verharrte der Ifo-Geschäftsklimaindex im Februar bei 85,2 Punkten. Für den Index werden monatlich Tausende Unternehmer befragt. Der Referenzwert von 100 Punkten entspricht dabei der Stimmung im Jahr 2020. Vor allem die aktuellen Geschäfte machen dieser Befragung zufolge den Unternehmen zu schaffen, von den kommenden Monaten erhoffen sie sich hingegen eine Verbesserung der Lage. Das könnte auch mit den Aussichten auf eine neue Bundesregierung zusammenhängen.

Peter Leibinger, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, appellierte am Tag nach der Wahl: "Es braucht einen wirklichen Neubeginn." Dafür müsse alles in den Mittelpunkt gerückt werden, was Wachstum schaffe. "Eine Trendumkehr kann nur durch ein Paket von Maßnahmen erreicht werden: öffentliche Investitionen in eine moderne Infrastruktur, in Transformation und die Widerstandskraft unserer Volkswirtschaft." Des Weitren brauche es Entlastungen im Energiebereich, Entscheidungen bei der Kraftwerksstrategie und Entlastungen bei Netzentgelten und Stromsteuer. Auch er plädiert für weniger Bürokratie und mehr Innovationsförderung.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte, die Unternehmen könnten "die hohen Energiepreise, die überbordende Bürokratie sowie die Steuern und Abgaben in aktueller Form nicht mehr tragen". Es brauche Maßnahmen, "die kurz-, mittel- und langfristig Entlastung versprechen". Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie hatte zuvor auf Tempo gepocht und unter anderem mehr staatliche Investitionen gefordert.

Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), warnte im Nachgang zur Wahl: "Es ist keine Zeit zum Taktieren". Dittrich weiter: "Es gilt, schnellstmöglich eine stabile und tragfähige Regierung auf den Weg zu bringen, die unserem Land wirtschaftliche Stärke und Selbstbewusstsein zurückgibt."

Handelsverband: "Vergleichbar mit Lage nach Wiedervereinigung"

In die Hoffnung auf eine neue Regierung mischt sich auch eine gewisse Vorsicht angesichts der zu bewältigenden Aufgaben. Dr. Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), mahnte: "Deutschland steht heute vor einer gewaltigen Aufgabe, vergleichbar mit der Lage unmittelbar nach der Wiedervereinigung. Damals wie heute wird es keine blühenden Landschaften über Nacht geben."

Deshalb müsse die Bundesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft anpacken: "Uns alle erwartet viel Arbeit. Es wird eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung brauchen, um Deutschlands Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen", so Jandura weiter.

Gewerkschaft fordert Milliarden für Infrastruktur

Auch die IG Metall drängt auf eine schnelle Regierungsbildung. Die Industrie brauche eine klare Perspektive. Die Erste Vorsitzende, Christiane Brenner, sagte: "Die Industrie und die Beschäftigten können nicht Monate auf klare Perspektiven warten. Sie brauchen jetzt so schnell wie möglich konkrete Zusagen."

Aus Sicht der Gewerkschaft zählen wettbewerbsfähige Energiekosten, der Ausbau der Elektromobilität und umfassende Investitionen in Bildung, Straßen und Schienen sowie die Digitalisierung zu den wichtigsten Themen. Die IG Metall fordert dafür ein Investitionspaket des Bundes über zehn Jahre mit einem Volumen von mindestens 600 Milliarden Euro plus zusätzliche öffentliche Unterstützungsleistungen für die Dekarbonisierung der Industrie in Höhe von 30 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren.

"Vielen Industrieunternehmen, besonders der energieintensiven Industrien und in der Zulieferindustrie, steht das Wasser bis zum Hals", so Brenner. "Die Beschäftigten sehen diese Bedrohung ihres Arbeitsplatzes und damit auch ihrer Lebensentwürfe, ihrer Familien und der Regionen, in denen sie leben."

Ökonom Hüther: "Unsere Schwierigkeiten liegen tiefer"

Ökonom Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), ist vor allem darüber erleichtert, dass es eine Zweierkoalition geben wird. Wären FDP oder BSW über die Fünfprozenthürde gekommen, hätte es für eine Große Koalition rechnerisch nicht mehr gereicht.

"Gerade die Wahlverliererin SPD wird jetzt über ihren Schatten springen müssen", so Hüther. "Wir haben keine Wahl – Deutschland braucht Stabilität, Deutschland braucht schnell eine handlungsfähige Bundesregierung mit der Bereitschaft zu den gebotenen Reformen."

Das hänge auch mit der volatilen geopolitischen Lage zusammen. "Gleichzeitig wissen alle: Unsere Schwierigkeiten liegen tiefer als in der Kombination aus Trump und Putin. Deutschland ist in einer schweren wirtschaftlichen Krise, die schon zwei Jahre vor der Pandemie begann", so Hüther weiter. "Die Zeit drängt. Deutschland ist nur stark, wenn seine Wirtschaft es auch ist."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Pressemitteilungen von DIHK, BDI, IG Metall, IW
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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