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SAP-Personalchef: "Unsere Mitarbeiter können auch im Schwimmbad arbeiten"


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SAP-Personalchef Younosi
"Unsere Mitarbeiter können auch im Schwimmbad arbeiten"

InterviewVon Nele Behrens

Aktualisiert am 12.06.2021Lesedauer: 5 Min.
Entspanntes Arbeiten (Symbolbild): Bei SAP können die Mitarbeiter in Zukunft zu 100 Prozent selbst entscheiden, wo sie arbeiten – egal, ob vom Pool aus oder im Büro.Vergrößern des Bildes
Entspanntes Arbeiten (Symbolbild): Bei SAP können die Mitarbeiter in Zukunft zu 100 Prozent selbst entscheiden, wo sie arbeiten – egal, ob vom Pool aus oder im Büro. (Quelle: agrobacter/getty-images-bilder)

Deutschlands wertvollstes Unternehmen SAP lässt seine Mitarbeiter in Zukunft selbst entscheiden, wo sie arbeiten. Personalchef Cawa Younosi erklärt im Interview die Hintergründe – und warum andere Konzerne unter Zugzwang stehen.

Vom Küchentisch, auf dem Balkon oder im Park: Seit knapp einem Jahr arbeiten fast zwei von drei Deutschen von wo sie wollen. Homeoffice lautet die Parole, die das Arbeitsleben in der Corona-Pandemie geprägt hat.

Mit sinkenden Corona-Zahlen drängt sich jedoch vielerorts die Frage auf: Was bleibt von der plötzlichen Revolution der Arbeitswelt nach Corona? Die Antwort der Mitarbeiter ist eindeutig: Laut einer aktuellen Umfrage der Beratungsfirma EY wollen etwa 80 Prozent der Arbeitnehmer die gewonnenen Freiheiten nicht mehr aufgeben und fordern eine Hybridlösung – also an einigen Tage den Arbeitsort frei zu wählen und an anderen ins Büro zu kommen.

Für Firmen ist es angesichts dieses Wunsches ein Leichtes, sich innovativ zu zeigen. So setzt auch Deutschlands bekanntestes Softwareunternehmen und wertvollster Dax-Konzern SAP ein Zeichen: Auch nach der Pandemie dürfen die Mitarbeiter zu 100 Prozent flexibel arbeiten – eine Pflicht, ins Büro zu kommen, gibt es nicht.

Was hat das Traditionsunternehmen dazu veranlasst? Und wie funktioniert ein Team, wenn es sich nur noch selten persönlich sieht? t-online sprach darüber mit Cawa Younosi, Personalchef bei SAP Deutschland.

Herr Younosi, nur sechs Prozent Ihrer Mitarbeiter möchten Sie laut einer Umfrage nach über einem Jahr Homeoffice noch täglich im Büro sehen. Warum?

Cawa Younosi: Ganz einfach: Weil sie die Vorteile, die das virtuelle Arbeiten mit sich bringt, erkannt haben. Das hat auch Menschen überzeugt, die vielleicht vorher gezweifelt haben, wie das mit Homeschooling oder dem Arbeitstag im Allgemeinen zu vereinbaren ist. Außerdem hatten sie genug Zeit, die Höhen und Tiefen kennenzulernen.

Was waren denn die Höhen und Tiefen?

Wir haben gesehen, wie gut die Menschen und insbesondere die Führungskräfte sich umgestellt haben. Die Führungskräfte haben sich mehr Zeit für ihre Mitarbeiter genommen, haben öfter nachgefragt und die Teams haben untereinander eine ausgesprochene Solidarität gezeigt.

Diesen Begriff haben wir im vergangenen Jahr häufig gehört. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Natürlich. Nehmen wir etwa die Problematik der Schulschließungen. Hier haben Mitarbeiter andere Kollegen aufgefangen, etwa indem sie die Aufgaben übernommen haben, die andere nicht machen konnten. Eben weil sie als Elternteil parallel ihre Kinder während der Schulschließungen betreuen mussten. Für Eltern war diese Zeit besonders anstrengend. Man muss aber ganz ehrlich sagen: Die Pandemie hat uns alle belastet – besonders in der dunklen Jahreszeit.

Das klingt nicht nach den besten Erfahrungen.

Wie gesagt, es war ein Mix. Wir haben auch gesehen: Wenn wir etwas schaffen wollen, dann erreichen wir das. Ohne Corona hätten wir für 100 Prozent Homeoffice wahrscheinlich drei Jahre gebraucht. Jetzt haben wir es einfach gemacht.

Und jetzt will keiner mehr zurück ins Büro?

So platt kann man das nicht sagen. Unser Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen flüchten nicht aus dem Büro. Kaffeeküchen und Pausenräume sind die Feuerstellen der Neuzeit. Wir Menschen sind soziale Wesen. Viele denken sich wahrscheinlich auch nach einem Jahr: Nun wird es mal wieder Zeit, sich auch physisch zu sehen.

Cawa Younosi, Jahrgang 1974, ist seit zehn Jahren bei SAP und seit 2018 Personalchef für Deutschland beim Softwareunternehmen aus Walldorf. Mit 14 Jahren kam Younosi aus Afghanistan nach Deutschland. Später studierte er Jura in Bonn, war eine Zeit lang selbstständig und kam über Stationen bei der Telekom und der IT-Firma Atos zum Softwarekonzern SAP.

Das heißt, es ändert sich nichts?

Doch natürlich, aber: Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen möchten einfach selbst entscheiden, wann es für sie Sinn ergibt, ins Büro zu kommen und wann sie von einem anderen Ort arbeiten möchten. Das muss nicht unbedingt ihr Zuhause sein: Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können meinetwegen auch im Café oder im Schwimmbad arbeiten. Der Ort ist für uns zweitrangig. Wir haben eine Ergebnis-, statt einer Präsenzkultur.

Andere Unternehmen fahren da eine andere Strategie. Warum steht bei Ihnen die Präsenz nicht im Vordergrund?

Das liegt schon daran, dass wir global arbeiten. Bei manchen Teams sitzt die Teamleitung etwa in China oder den USA und der Rest in Deutschland. Wir haben schon vor Corona viel digital gearbeitet, das hat uns sehr geholfen.

Dann mal ganz konkret: Was wird überwiegen – das Homeoffice oder das Büro?

Die mobile Arbeit wird auf jeden Fall überwiegen. Ich schätze, im Schnitt werden unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen drei Tage mobil arbeiten und zwei Tage im Büro.

Sie bauen aktuell einen neuen Digital-Campus in Berlin, 200 Millionen Euro haben Sie dafür investiert, 1.200 Büroarbeitsplätze sollen dort entstehen. Bleibt es dabei oder hat Corona Sie gezwungen, Ihre Pläne noch einmal anzupassen?

Nein, es bleibt dabei. Wir hatten auch schon vor Corona nicht für jeden einen Arbeitsplatz eingeplant. Uns geht es ja nicht ums Sparen – im Gegenteil: Wir bauen aktuell in München und Berlin. Die drängendere Frage ist: Wie nutze ich die Fläche, was brauchen die Mitarbeiter?

Und was braucht das Büro der Zukunft?

Das passt sich an die Bedürfnisse der Mitarbeiter an, wir haben dazu Workshops und Umfragen gemacht. Heraus kam: Es braucht sowohl klassische Schreibtische als auch Großraumbereiche, aber eben auch Denkerzellen, viele Freiflächen für unterschiedliche Bedürfnisse und Gastronomie.

Gab es auch ausgefallenere Wünsche?

Ja. In unserem jüngsten Bau in Walldorf haben sich die Mitarbeiter etwa einen Raum zur Entspannung gewünscht. Das haben wir umgesetzt: Hier gibt es nun einen Raum mit einer Kinoleinwand an der Decke, in dem unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jetzt bei Entspannungsvideos und Meeresrauschen Kraft tanken können. Am Ende müssen sich die Mitarbeiter wohlfühlen und nicht die, die das Büro bauen.

Befindet sich die Arbeitswelt in einem Umbruch und geraten andere Firmen bald unter Zugzwang?

Natürlich kann nicht jeder seinen Job aus der Ferne machen, aber für alle anderen lässt sich festhalten: Trends werden irgendwann die Realität der Masse. Und gerade bei hochspezialisierten Fachkräften merken das die Unternehmen schon jetzt.

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Heißt das: Wer nicht mit der Zeit geht, bekommt bald keine Fachkräfte mehr?

Genau, diese Entwicklung gab es bereits, aber sie hat sich nun stark verschärft. Die Talente sind nicht mehr bereit, für einen Job von Berlin nach Schwäbisch Hall zu ziehen. Sie wissen, dass sie ihren Job zum Großteil auch aus Berlin machen könnten. Das hat die Corona-Krise gezeigt – trotz aller Zweifel und Bedenken. Die Ausstattung ist nun da, die IT ist vorbereitet, dieser Trend ist nicht mehr zurückzudrehen.

Klingt wie ein großer Vorteil für viele Menschen.

Finde ich auch. Voraussetzung ist natürlich, dass man in der privilegierten Lage ist, sich auszusuchen, wo man arbeiten möchte, weil man so spezialisiert ist. Für den Arbeitgeber steigert es dagegen den Druck, denn der nächste Job ist nur einen Klick entfernt. Ob man sich nun für SAP oder t-online mobil einwählt, macht für den Mitarbeiter keinen Unterschied.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Die Firmen müssen sich nun mehr anstrengen. Das heißt: Sie müssen der Arbeit einen Sinn geben, Mitarbeiter einbinden und mit dem Unternehmenswerten verbinden und auch Nachhaltigkeit leben – das ist nun auch ein größeres Thema.

Können sich Unternehmen, die mit dem Trend gehen, dann darauf ausruhen?

Nein, denn auch die bestehenden Mitarbeiter sind ja keine Selbstverständlichkeit. Gerade im Technologiebereich sind einige Talente sehr gefragt am Markt. Für uns gilt daher, wir wollen nicht nur Vorreiter sein, sondern zeigen, was wir investieren, damit sich unsere Mitarbeiter lange bei uns wohlfühlen und sich bei uns entwickeln. Oder in Zahlen ausgedrückt: Wir haben eine durchschnittliche Betriebszugehörigkeit von 14 Jahren, sowas gibt es sonst nur im Staatsdienst.

Zusammengefasst: Glauben Sie, dass die Pandemie insgesamt eine Chance war?

Sagen wir es so: Wir haben die Chancen der Situation so gut es geht genutzt – wir hätten auf die Pandemie aber gerne auch verzichten können.

Herr Younosi, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Cawa Younosi
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