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Fragen zum BIP-Einbruch in der Corona-Krise: Gehen alle Firmen pleite?


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Fünf Fragen zum BIP
Deutsche Wirtschaft rutscht ab – drohen jetzt die Firmenpleiten?


Aktualisiert am 14.01.2021Lesedauer: 5 Min.
Produktion in einem Daimler-Werk: Die deutsche Wirtschaftsleistung ging in der Krise stark zurück.Vergrößern des Bildes
Produktion in einem Daimler-Werk: Die deutsche Wirtschaftsleistung ging in der Krise stark zurück. (Quelle: Sergei Bobylev/TASS/imago-images-bilder)

Die deutsche Wirtschaft ist 2020 fast so stark eingebrochen wie während der Finanzkrise 2009. Doch was heißt das nun? Und wie flott geht es wieder bergauf?

Die Corona-Krise drückt die deutsche Wirtschaftsleistung – allerdings nicht so einschneidend wie von Experten befürchtet. Um fünf Prozent ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 im Vergleich zum Vorjahr zurück, teilt das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit.

Damit endet für Deutschland offiziell eine zehnjährige Wachstumsphase. Die Wirtschaft befindet sich nun in einer Rezession, ähnlich wie zuletzt während der Finanzkrise 2008/2009.

Die wichtigsten Zahlen zur deutschen Wirtschaft 2020 im Überblick:

  • Die Wirtschaft schrumpft um 5 Prozent im Vergleich zu 2019
  • Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt erstmals seit 14 Jahren und liegt 1,1 Prozent unter dem Niveau aus dem Jahr 2019.
  • Der Finanzierungssaldo Deutschlands liegt bei minus 4,8 Prozent des BIP und ist damit schlechter als bei der Finanzkrise. Die Ausgaben des Staates waren 2020 also deutlich höher als seine Einnahmen.
  • Die Staatseinnahmen gingen um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Unter anderem wurden weniger Steuern gezahlt: insgesamt 8 Prozent gals im Vorjahr.
  • Die privaten Konsumausgaben sanken preisbereinigt um 6 Prozent.

Warum war der Einbruch so stark?

Die Corona-Krise und die dadurch notwendigen Lockdowns lassen auch das Wirtschaftsgeschehen in Deutschland nicht kalt. Von April bis Juni 2020 ist die Wirtschaftsleistung aufgrund des ersten Lockdowns um 9,8 rapide eingestürzt. Die ebenfalls rasante Erholung in den Sommermonaten wurde durch den erneuten Lockdown zum Jahresende wieder gebremst.

Im Vergleich zu anderen Ländern in der EU ist Deutschland aufs gesamte Jahr gesehen noch vergleichsweise glimpflich davon gekommen. In Spanien wird sogar ein Rückgang des BIPs von 12,4 Prozent erwartet, auch Frankreich hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stärker unter der Krise gelitten.

Auch in Deutschland hatten die Prognosen zuerst ein deutlich düsteres Bild gezeichnet. So hielten die Analysten vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) im September noch einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 6,7 Prozent für wahrscheinlich, die Bundesregierung erwartete im November ein Minus von 5,6 Prozent.

Doch auch der Einbruch von 5 Prozent der Wirtschaftsleistung ist ein gravierender Einschnitt. Die deutsche Wirtschaft ist damit in der Corona-Krise fast so hart getroffen, wie in der Finanzkrise 2009 – damals ging das BIP um 5,7 Prozent zurück.

Die Corona-Krise hätte Deutschland aber auch deutlich härter treffen können. "Lediglich die staatlichen Konsumausgaben und die Bauindustrie haben verhindert, dass das BIP noch tiefer einbrach", sagte Albert Braakmann vom Statistischen Bundesamt.

Wer leidet besonders unter der Corona-Wirtschaftskrise?

Während die Bauinvestitionen sogar anstiegen, litten andere Wirtschaftszweige 2020 so stark wie noch nie. Dazu gehören etwa der Handel und das Gastgewerbe. Sie verzeichneten Einbuße von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Allerdings müsse hier zwischen dem stationären Handel und dem Online-Handel unterschieden werden, betont Statistiker Braakmann. Denn gerade Online- und Paketdienste haben von der Krise sogar profitiert, während der stationäre Handel teilweise in der Existenz bedroht ist.

Am härtesten traf die Corona-Krise im vergangenen Jahr die sonstigen Dienstleister mit einem Minus von 11,3 Prozent. Gemeint sind damit etwa Kinos, aber auch die Kreativwirtschaft, die im vergangenen Jahr ist in der fast vollständig zum Erliegen gekommen ist.

Das hat auch Einfluss auf die Arbeitslosigkeit: 477.000 Deutsche verloren 2020 ihren Arbeitsplatz, besonders häufig waren geringfügig Beschäftigte und Selbstständige betroffen.

Gehen jetzt alle Firmen pleite?

Nein, sicherlich nicht alle. Allerdings warnen Fachleute bereits vor einer Insolvenzwelle – besonders in der Gastro-, Hotel- oder Kulturbranche, also jenen vom Lockdown direkt betroffenen Firmen.

Fakt ist: Dadurch, dass der Bund die Pflicht zur Beantragung einer Insolvenz wegen der Corona-Krise stark gelockert hat, gab es im laufenden Jahr deutlich weniger Unternehmenspleiten als sonst. Im Dezember beobachteten Ökonomen erstmals einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen.

Aufgrund der Corona-Pandemie und der zunächst kaum abschätzbaren negativen Folgen für die Wirtschaft hatte die Bundesregierung im Frühjahr 2020 die strengen Meldepflichten für Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit außer Kraft gesetzt. Für Zahlungsunfähigkeit gilt die Antragspflicht seit Oktober wieder, für Überschuldung gibt es bis Ende Januar noch Ausnahmen.

Ob diese Regelungen verlängert werden, darüber streitet sich zurzeit die Große Koalition: Die SPD will eine zeitnahe Verlängerung, die CDU lehnt dies ab. Davon hängt also ab, ob es bereits ab Februar oder erst in den Frühjahr hinein eine Pleitewelle geben wird.

Wann wird sich die deutsche Wirtschaft erholen?

Das hängt stark davon ab, wie lange die Corona-Pandemie Deutschland und die Welt noch beschäftigt – und wie stark das Leben wegen des Virus eingeschränkt wird. Die Bundesregierung rechnet im laufenden Jahr trotz des aktuellen Lockdowns weiterhin mit einem Wirtschaftsaufschwung. Er sei insgesamt überzeugt, dass das "Wachstum deutlich und spürbar sein wird", sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag.

Eine genaue Prognose gab er allerdings nicht ab. Im Herbst hatte Altmaier für 2021 noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland von 4,4 Prozent gerechnet. Das dürfte angesichts des neuerlichen harten Lockdowns aber passé sein – zumindest etwas.

Allerdings sind sich Ökonomen sicher: Der neue harte Lockdown trifft die deutsche Wirtschaft nicht so schwer wie der erste im Frühjahr. Besonders die Industrie gilt als Konjunkturstütze. "Die Industrie bildet mit den verbundenen Dienstleistungen den Motor der deutschen Wirtschaft", sagte etwa Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), t-online.

Ähnlich sieht es auch Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Die Wirtschaft insgesamt hat offenbar gelernt, mit den Kontaktbeschränkungen besser umzugehen", sagte er. "Für das laufende erste Quartal 2021 ist nun mit einem gewissen Minus beim Bruttoinlandsprodukt zu rechnen, aber nicht mit einem neuen massiven Einbruch – solange die Lieferketten in der Industrie nicht erneut unterbrochen werden."

Wie lange kann sich Deutschland die Corona-Hilfen noch leisten?

Noch ziemlich lange – obwohl die Staatseinnahmen in der Corona-Krise deutlich gesunken und die Staatsschulden durch die umfassenden Corona-Hilfen für Unternehmen drastisch gestiegen sind.

Viele Ökonomen verweisen darauf, dass die Staatsschulden allein nicht aussagekräftig seien. Wichtig sei die Höhe der Zinsen, die Deutschland für neue Schulden zahlen muss – und die sind zurzeit sehr niedrig. Wenn dazu das BIP über die Jahre steigt, könnte Deutschland auf lange Sicht aus seinen Schulden "herauswachsen".

Dieses oft bemühte Bild ist unter Ökonomen allerdings umstritten. Die Frage ist nun, ob die Steuern angesichts der hohen Staatsverschuldung erhöht werden müssen. Aus linken Politikkreisen kommen derweil solche Forderungen, um die Kosten der Pandemie zu bezahlen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Statistisches Bundesamt
  • Tagesschau: Konjunkturprognosen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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