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IW-Chef Hüther über Corona-Hilfen: "Es ist viel Vertrauen verspielt worden"


Corona-Krise
So bewerten Ökonomen den heftigen Wirtschaftseinbruch

Von t-online, fls, mak

Aktualisiert am 14.01.2021Lesedauer: 3 Min.
Michael Hüther: Der IW-Chef fordert, dass die Überbrückungshilfen schnell und unbürokratisch fließen müssen.Vergrößern des Bildes
Michael Hüther: Der IW-Chef fordert, dass die Überbrückungshilfen schnell und unbürokratisch fließen müssen. (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Angesichts des heftigen BIP-Einbruchs warnt IW-Chef Hüther vor einer "Spaltung" der deutschen Wirtschaft. Andere Ökonomen sind optimistischer.

Mit Blick auf die jüngst veröffentlichte BIP-Statistik für 2020 drängt der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, darauf, dass die Grenzen trotz hoher Corona-Fallzahlen für den Warenverkehr geöffnet bleiben. "Die Industrie bildet mit den verbundenen Dienstleistungen den Motor der deutschen Wirtschaft", sagte er t-online. Jedoch sei die voranschreitende "Spaltung" der Volkswirtschaft "besorgniserregend".

"Wir beobachten einen K-förmigen Verlauf: Während Unternehmen aus dem privaten Dienstleistungsbereich und dem Handel spürbar unter dem Lockdown leiden, zeigt sich die Industrie vergleichsweise robust", so Hüther weiter. "Damit die Konjunktur den Einschränkungen weiterhin standhalten kann, ist es unerlässlich, dass die Grenzen offen bleiben und die Industrie ihre derzeitige Rolle als Motor der Gesellschaft weiterhin ausfüllen kann."

Das sieht auch Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Für das laufende erste Quartal 2021 ist nun mit einem gewissen Minus beim Bruttoinlandsprodukt zu rechnen, aber nicht mit einem neuen massiven Einbruch – solange die Lieferketten in der Industrie nicht erneut unterbrochen werden."

Wirtschaftsleistung sinkt um 5,0 Prozent

Nach offiziellen Angaben des Statistischen Bundesamts vom Donnerstag ist die Wirtschaftsleistung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP), im Jahr 2020 um 5,0 Prozent eingebrochen. Das ist der stärkste Rückgang binnen eines Jahres seit dem Zweiten Weltkrieg. Lediglich 2009 war das Minus im Zuge der Weltfinanzkrise mit einem Rückgang von 5,7 Prozent größer.

"Nach der Finanzkrise stellt der Corona-Einbruch das zweite Jahrhundertereignis für die deutsche Konjunktur dar", sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt bei der Dekabank. "Der Rückgang des BIP ist fast ausschließlich auf die erste Corona-Welle im Frühjahr zurückzuführen."

Im Herbst vergangenen Jahres habe die deutsche Wirtschaft den Einbruch in weiten Teilen fast vollständig wieder aufgeholt. "Das gute dritte Quartal hatte jedoch vielfach zu einer naiven Sorglosigkeit im Umgang mit Corona geführt."

Kater geht aber davon aus, dass in der jetzigen zweiten Corona-Welle die Folgen für die Gesamtwirtschaft wesentlich geringer als in der ersten seien, "insbesondere weil Menschen und Wirtschaft sich an die Lage gewöhnt haben". Ökonom Dullien sieht das ähnlich: "Die Wirtschaft insgesamt hat offenbar gelernt, mit den Kontaktbeschränkungen besser umzugehen."

"Existenzbedrohend für viele Unternehmer"

Für Ökonom Hüther steht derweil fest: Die Leidtragenden in der aktuellen Corona-Krise seien aus wirtschaftlicher Perspektive die Unternehmen. "Die Arbeitgeber tragen derzeit eine größere Last als die Arbeitnehmer", sagte Hüther. "Während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um fast 23 Prozent gesunken sind, sind die Arbeitnehmerentgelte nur um rund drei Prozent gesunken."

Umso wichtiger sei es nun, dass die finanziellen Hilfen des Staates für die corona-gebeutelten Firmen schneller fließen. "Den Unternehmen wurden wieder und wieder unbürokratische Hilfen versprochen, doch sie kommen nicht an", sagte Hüther mit Blick auf Probleme bei der Auszahlung der Gelder.

Eines der größten Probleme für die Firmen sei die knappe Liquidität und das schrumpfende Eigenkapital – "beides ist existenzbedrohend für viele Unternehmer", so der Ökonom. "Die Hilfen müssen endlich umfangreich fließen, sofort, und ohne Abschläge. Es ist schon viel Vertrauen verspielt worden."

Aufgrund der finanziellen Unsicherheit würden viele Firmen derzeit keine neuen Mitarbeiter anheuern. "In den vergangenen Monaten hat sich die Konjunktur zwar leicht erholt, massive Arbeitslosigkeit ist nicht eingetreten", sagte Hüther. "Doch viele Unternehmen vermeiden Neueinstellungen, entsprechend ist die Anzahl der Erwerbstätigen erstmals seit längerem wieder gesunken."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit IW-Direktor Michael Hüther
  • Statement von Ulrich Kater
  • Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters
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