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Angst vor der Drachme: So wollen Griechen ihr Geld retten


Euro-Krise
Angst vor der Drachme: Griechen heben ab

spiegel-online, Spiegel Online

16.06.2012Lesedauer: 4 Min.
Die Griechen ziehen derzeit täglich enorme Summen von den Banken abVergrößern des Bildes
Die Griechen ziehen derzeit täglich enorme Summen von den Banken ab (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Aus Angst vor dem Euro-Crash und dem Drachme-Comeback räumen immer mehr Griechen ihre Konten leer. Sie schaffen das Geld ins Schließfach oder gleich in die Schweiz. Viele bunkern die Euro-Scheine zu Hause - ein lohnendes Ziel für Einbrecher.

Griechen räumen ihre Konten

Joanna Stavropoulos ist nicht stolz auf das, was sie getan hat. "Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich mein Geld aus Griechenland abzog", erzählt die 43-Jährige. Natürlich wisse sie, was passiere, wenn es ihr alle gleichtäten: Dann droht Griechenlands Banken der Kollaps. Doch sie müsse nun auch an Josephina denken, ihre zwei Monate alte Tochter, die an Joannas Schulter schläft. In Notfällen gelte bekanntlich: "Frauen und Kinder zuerst."

Was Joanna Stavropoulos getan hat, tun immer mehr Griechen: Sie räumen ihre Konten leer. Aus Angst vor einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone und dem darauffolgenden "D-Day" - der Rückkehr zur Drachme. Für viele mag das bei aller Sorge noch ein schwer vorstellbares Szenario sein, aber nicht für Joanna Stavropoulos.

Angst vor Rückkehr der Drachme

Als Journalistin und Mitarbeiterin von Nichtregierungsorganisationen war sie in der ganzen Welt unterwegs, zuletzt in Haiti und im Irak. "Ich war in Ländern, wo Banken geschlossen haben", erzählt sie, etwa in Argentinien, als die Regierung dort den Staatsbankrott erklären musste. Und auch in Simbabwe hat sie gelebt, dessen zuletzt dreistellige Inflationsraten die eigene Währung zerstörten. Joanna ist sich sicher, dass Griechenland bei einer Rückkehr zur Drachme dasselbe droht. "Mit meinem Land geht es abwärts."

Von echter Panik ist in Griechenland bislang wenig zu spüren, ein Ansturm auf die Banken blieb aus. Dennoch heben die Bürger täglich dreistellige Millionenbeträge ab, allein im Mai waren es insgesamt fünf Milliarden Euro. Seit Beginn der Krise wurden laut offiziellen Angaben sogar rund 80 Milliarden Euro abgezogen.

Massive Kapitalflucht

Christiána kann die Kapitalflucht täglich mit eigenen Augen sehen. Die 46-Jährige arbeitet als Vermögensmanagerin bei einer großen griechischen Bank. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht veröffentlicht sehen. "Es ist nicht einfach eine Zunahme", sagt sie über die Abhebungen.

"Nicht nur unsere Großkunden tun es, sondern wirklich jeder, der in den vergangenen Monaten zur Tür hereingekommen ist, vom Kontobesitzer mit wenigen hundert Euro bis zu unseren wichtigsten Privatkunden. Die Wohlhabenden fragen natürlich besonders oft, was sie mit ihrem Geld machen sollen."

Freie Schließfächer sind Mangelware

Längst haben reiche Griechen Milliarden in Länder wie Italien oder die Schweiz verschoben oder damit in London Luxusimmobilien gekauft. Doch insgesamt ging laut Schätzungen der Nationalbank nur rund ein Fünftel der abgehobenen Summe ins Ausland. Viele Kunden ließen ihr Geld selbst jetzt noch auf der Bank, erzählt Christiána - jedoch nicht auf einem Konto, sondern in einem Schließfach. "In einer griechischen Bank ein freies Schließfach zu finden, ist derzeit unmöglich."

Die Schließfachbesitzer wollen offenbar nicht von einer Währungsreform überrascht werden. Für die gibt es seit langem Szenarien. Übers Wochenende könnten die Banken schließen, die Euro-Bestände auf ihren Konten erfassen und einen weiteren Abfluss auf ausländische Konten vermeiden. Euro, die schon im Umlauf sind, würden mit Stempeln markiert, die Ausfuhr unmarkierter Scheine durch Kontrollen an den Grenzen verhindert. Innerhalb kurzer Zeit könnte so die Drachme wieder eingeführt werden.

Wohlhabende Klientel schafft Vermögen ins Ausland

Falls es so weit kommt, wollen die Klienten von Marianna vorbereitet sein. Auch sie arbeitet als Vermögensberaterin bei einer griechischen Bank: Auch sie möchte ihren richtigen Namen nicht veröffentlicht sehen. Ihre Kunden sind Anwälte, Ärzte oder Top-Manager. "Im Schnitt haben sie 200.000 bis 300.000 Euro, die sie jederzeit abziehen können", sagt Marianna.

Seit drei Monaten spürt auch sie die zunehmende Kapitalflucht. Letztes Jahr hätten ihre Klienten das Geld noch vor allem nach London geschafft sowie nach Zypern, dem nun aber wegen seines aufgeblähten Bankensektors selbst der Kollaps droht. "Jetzt bevorzugen sie Deutschland und die Schweiz."

Immer mehr Griechen bunkern Bares daheim

Nicht wenige ihrer wohlhabenden Kunden erzählen Marianna auch, dass sie ihr Geld zu Hause aufbewahren - und damit sind sie offenbar nicht allein. Mittlerweile hätten die Griechen daheim rund 50 Milliarden Euro gebunkert, berichtet die Zeitung "Ta Nea" unter Berufung aufs Finanzministerium. Damit häufen sich die Einbrüche, auf Kreta nahmen sie binnen zwei Jahren um 700 Prozent zu. Im Haus eines alten Ehepaars in Athen erbeuteten Einbrecher kürzlich Bargeld im Wert von 50.000 Euro.

Wie schon oft in den vergangenen Jahren könnte die Krise jetzt die soziale Kluft in Griechenland vergrößern. Während die Oberschicht ihr Geld dank Beratern wie Christiána und Marianna längst in Sicherheit gebracht hat, würden eine mögliche Währungsreform und die darauffolgende Abwertung viele Geringverdiener wohl weitgehend unvorbereitet treffen.

Wohin mit den Ersparnissen?

Selbst eine weltläufige Frau wie Joanna Stavropoulos ist von der richtigen Strategie längst überfordert. Als sich 2010 die Anzeichen für Griechenlands Krise verdichteten, verschob sie ihr Erspartes zu einer spanischen Bank. Doch dann gerieten Spaniens Sparkassen in Schieflage und Stavropolous beförderte ihr Geld zurück nach Griechenland - bis von dort die nächsten Hiobsbotschaften kamen. Mehrfach sei das so hin und her gegangen, erzählt sie, mehr als hundert Euro an Gebühren habe es allein gekostet.

Weil die Geburt ihrer Tochter - wie in griechischen Privatkliniken nicht ungewöhnlich - 12.000 Euro kostete, hat Stavropoulous nun eh kaum noch Geld übrig. Ihre letzten Reserven hat sie mittlerweile in Fremdwährungen investiert, die auch nach einer Rückkehr zur Drachme ihren Wert behalten würden.

Neue Strategie: Kreditkarten belasten

Auch für die täglichen Ausgaben hätten sie und ihre Freunde eine neue Strategie, erzählt Stavropolous. "Wir belasten alle unsere Kreditkarten." Denn falls die Banken schließen sollten, könnten sie ja auch nicht die ausstehenden Kredite kassieren. "Wenn die mich verarschen wollen, verarsche ich sie auch."

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