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Corona-Finanzkrise: "Scholz' Reichensteuer würde die Falschen treffen"


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Staatsfinanzen nach Corona
Scholz' Reichensteuer würde die Falschen treffen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 12.05.2020Lesedauer: 4 Min.
Finanzminister Olaf Scholz: Um die Kosten der Corona-Krise zu refinanzieren, plädiert er für eine höhere Belastung der Reichen.Vergrößern des Bildes
Finanzminister Olaf Scholz: Um die Kosten der Corona-Krise zu refinanzieren, plädiert er für eine höhere Belastung der Reichen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Der Finanzminister will mit einer Reichensteuer in den Wahlkampf ziehen – und trifft damit vor allem gutverdienende Angestellte und Beamte. Eine Vermögensabgabe ist deshalb der falsche Weg.

Es ist so verführerisch, dass nicht einmal Finanzminister Olaf Scholz (SPD) daran vorbei kann: Eine Reichensteuer, das wäre es doch! Wenn es vom kommenden Jahr an darum geht, wer die Milliardenschulden bezahlen soll, die jetzt im Minutentakt angehäuft werden, liegt es nahe, die Vermögenden, Unternehmer und Villenbesitzer zu belasten.

Es gibt nur ein kleines Problem: Selbst ein wohlhabendes Land wie Deutschland hat nicht genug Millionäre, um die Corona-Schulden zügig abzulösen. Deshalb werden sich am Ende bei einer solchen Steuerstrategie viele bei den Reichen wiederfinden, die heute den SPD-Ideen noch begeisterten Beifall klatschen.

An diesem Donnerstag werden die Steuerschätzer das erste Mal seit Jahren richtig schlechte Nachrichten für den Bundesfinanzminister, seine Länderkollegen, und die Kämmerer in den Städten und Gemeinden haben: Das Steueraufkommen wird in diesem und wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren drastisch einbrechen. Es ist also kein Wunder, dass sich die Finanzexperten den Kopf darüber zerbrechen, wie man die Staatseinnahmen trotz Rezession wieder nach oben bewegen kann.

Steuererhöhungen sind aktuell der falsche Weg

Der Reichensteuer-Vorstoß des Finanzministers ist zwar eine Liebesgabe an seine Partei, die sich nach einer neuen Gerechtigkeitsdebatte sehnt. Vernünftig ist er dennoch nicht: Steuererhöhungen auf Einkommen und Vermögen sind in der jetzigen Situation die falsche Medizin.

Der Spitzensteuersatz beginnt bei etwas über 57.000 Euro Jahreseinkommen. Über 4,2 Millionen Steuerzahler haben ihn zuletzt entrichtet. Dazu gehören Oberstudienräte in Nordrhein-Westfalen genauso wie Maschinenbauingenieure in Bayern, Handwerker in Sachsen und altgediente Polizeibeamte im höheren Dienst in Baden-Württemberg.

Denn das kleine Geheimnis des Einkommensteuer-Spitzensteuersatzes heißt: Er trifft die Reichen gar nicht. Er beginnt zwar bei denen, die gerade einmal ein Drittel mehr verdienen als der Durchschnitt. Doch dann hört er auch ganz schnell wieder auf. Je höher der Einkommensanteil aus Vermögen, Dividenden und Zinsen ist, desto niedriger die steuerliche Gesamtbelastung.

Spitzensteuersatz belastet schon jetzt die Mittelschicht

Für Kapitalerträge wird nämlich nur die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent fällig. Während die wirklich Reichen Strategien finden, ihren persönlichen Steuersatz zu drücken, werden die abhängig beschäftigten Angestellten und Beamten belastet.

Das wird sich kaum ändern, wenn die SPD mit dem Vorschlag einer Extra-Steuer zum Ausgleich der Corona-Lasten in den Wahlkampf ziehen will. Um nämlich so etwas wie eine kritische Masse zum Schuldenabbau zusammenzubekommen, könnte sie den progressiven Steuertarif kaum entschärfen.

Sie kann es sich nicht leisten, diejenigen zu schonen, die zwar gut, aber nicht sehr gut verdienen. Politisch ist das fatal. Denn mit der Reichensteuer würden dann auch Personen belastet, die in Großstädten heute nicht einmal eine Eigentumswohnung in guter Wohnlage kaufen können. Reich sein fühlt sich anders an.

Wer "reich" ist, fühlt sich oft nicht so

Auch wenn in Umfragen regelmäßig eine Mehrheit der Deutschen einer Reichensteuer zustimmt, ist das keine Garantie für Begeisterung, wenn aus den Plänen Wirklichkeit werden sollte. Denn die meisten Bürger halten sich selbst nicht für reich. Sie vergleichen ihren Lebensstandard mit ihren Freunden und Nachbarn und kommen normalerweise zu dem Schluss, dass die anderen mehr haben.

Das ganze Spektrum der Einkommens- und Vermögensverteilung blenden sie dabei aus. Nur deshalb konnte sich beispielsweise selbst Friedrich Merz, Finanzpolitiker, Einkommensmillionär und Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, zur "gehobenen Mittelschicht" zählen.

Eine Reichensteuer, die ihren Namen verdient, hätte zwangsläufig den Umbau der Progressionszone in der Einkommensteuer zur Folge. Das aber ist so kompliziert und birgt so viele Risiken für das Steueraufkommen, dass sich bisher noch jede Bundesregierung am Ende vor echten Veränderungen gedrückt hat.

Die wirklich Reichen würden aus Deutschland fliehen

Selbst eine echte Reichensteuer, also ein weiterer Aufschlag auf den Einkommensteuerhöchstsatz für das oberste eine Prozent der Steuerzahler, würde nicht so viel bringen wie erhofft. Denn diese Steuerzahler sind leider auch die mobilsten. Nicht nur Russland, auch Großbritannien, die Schweiz und Irland machen gute Angebote.

Das musste zuletzt der damalige französische Präsident Francois Hollande erfahren, der 2012 eine Reichensteuer für Jahreseinkommen von über einer Million Euro durchpaukte. Schon drei Jahre später wurde die Extra-Steuer wieder gestrichen. Sie hatte kaum etwas eingebracht – zu viele Einkommensmillionäre hatten das Land zwischenzeitlich verlassen.

Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer oder eine Vermögensabgabe, wie sie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken gern einführen würde, ist noch weniger erfolgversprechend. Denn sie würde vor allem die Familienunternehmen treffen, deren Betriebe zum Vermögen der Eigentümer gezählt werden. Viele dieser Firmen machen in der Rezession keine oder kaum Gewinne. Ihnen eine Substanzsteuer zuzumuten, wäre Unsinn.

Der Wert von Vermögen lässt sich oft nur schwer schätzen

Außerdem wäre die Erhebung so kompliziert, dass sie einen großen Teil des Steueraufkommens verbrauchen würde. Schließlich würden nicht nur Unternehmen, Wertpapier- und Aktiendepots jährlich neu bewertet und veranlagt. Auch der Wert von Bildern, Teppichen, Alpen-Chalets, Weinkellern und Oldtimern müsste immer wieder festgestellt werden.

Nur in Einem haben die SPD-Steuer-Träumer Recht. Wenn das Wirtschaftswachstum der kommenden Jahre nicht ausreicht, um aus der Staatsverschuldung herauszuwachsen, wird es Steuererhöhungen geben müssen. Die materiell Leistungsfähigen werden das überproportional spüren. Das ist absolut richtig. Doch bis es so weit ist, sind Diskussionen über Steuererhöhungen falsch. Richtig wären welche über vernünftige Wachstumspolitik.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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