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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Einkommensteuer Steuergewerkschaft kritisiert längere Abgabefrist für Steuererklärung

In der Corona-Pandemie hat der Staat die Abgabefrist für die Steuererklärung 2020 verlängert. Die Steuergewerkschaft sieht das allerdings kritisch. Sie fürchtet eine "Bugwelle" an Altbestand.
Wer zur Steuererklärung verpflichtet ist, muss diese normalerweise bis Ende Juli beim Finanzamt einreichen. Doch weil die Bürger wegen der Corona-Pandemie stärker belastet waren, gewährt der Staat Pflichtveranlagten in diesem Jahr drei Monate mehr Zeit – und die wird auch genutzt.
Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online zeigt, geben rund 30 Prozent der Steuererklärungspflichtigen an, ihre Einkommensteuererklärung 2020 bis zur neuen Frist am 31. Oktober einreichen zu wollen.
Weitere 5 Prozent haben die Fristverlängerung ebenfalls genutzt, indem sie ihre Erklärung nach Ablauf der normalen Frist am 31. Juli abgegeben haben. Für rund 40 Prozent war die verlängerte Frist unnötig: Sie haben ihre Steuererklärung wie üblich bis Ende Juli beim Finanzamt eingereicht.
Steuergewerkschaft kritisiert verlängerte Frist
Die Deutsche Steuergewerkschaft sieht den verlängerten Veranlagungszeitraum kritisch. "Was früher grundsätzlich im Juni vorzuliegen hatte, liegt jetzt Anfang November im Finanzamt auf Halde. Das dürfte eine deutliche Bugwelle aufbauen", sagte der Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler t-online. Zumal zusätzlich auch die Frist für von Steuerberatern erstellte Erklärungen für das Steuerjahr 2019 bis 31. August 2021 verlängert wurde.
Diesen "Altbestand" abzuarbeiten, dauere erfahrungsgemäß ein bis zwei Jahre. "Es gibt ja nicht mehr Personal. Und wir haben bundesweit 6.000 nicht besetzte Stellen in den Finanzämtern. Die Bearbeiter sind extrem belastet", so Eigenthaler weiter. Es sei nicht wegzudiskutieren, dass die Finanzämter länger brauchen werden, um Steuererklärungen zu bearbeiten.
Noch längere Frist dank Steuerberater
Manch einer wartet mit seiner Erklärung sogar noch länger als bis Ende Oktober. In der Civey-Umfrage für t-online gab jeder Zehnte an, seine Steuern nach Ablauf der verlängerten Frist zu erklären.
Das ist ohne Säumniszuschlag oder Geldbuße möglich, wenn sie sich Unterstützung von einem Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein holen. Dann verlängert sich die Abgabefrist automatisch um sieben Monate – für das Ausnahme-Steuerjahr 2020 also bis 31. Mai 2022.
So verlängern Sie die Frist auf den letzten Drücker
Die gute Nachricht für alle, die spät dran sind: Sie können sich die Hilfe auch spontan holen. "Wenn Sie erst am Ende der Frist merken, dass Sie es nicht mehr rechtzeitig alleine schaffen, können Sie auch noch ein paar Tage später zum Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein gehen", sagte Daniel Schollenberger, Steuerexperte bei Wolters Kluwer, Anbieter der Software "SteuerSparErklärung". "Die schreiben dann das Finanzamt an und Ihre Frist verschiebt sich nach hinten."
Übrigens: Selbst wenn Sie Ihre Steuererklärung definitiv selbst machen wollen, haben Sie dafür in der Praxis etwas mehr Zeit als bis zum 31. Oktober. Denn das Datum fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag, wodurch sich die Frist auf den 1. November verschiebt. Der 1. November wiederum ist in einigen Bundesländern ein Feiertag. Dort können sich Pflichtveranlagte also sogar bis zum 2. November Zeit lassen.
Automatischer Verspätungszuschlag nach 14 Monaten
Wer die Frist verpasst und sich auch keine Verlängerung per Steuerberater sichert, dem drohen mindestens 25 Euro Verspätungszuschlag pro angefangenem Monat, den die Erklärung später eingeht. "Bei bis zu drei Monaten Verspätung sind die Finanzämter oft noch großzügig", sagt Steuerexperte Schollenberger, "aber sobald Sie 14 Monate zu spät dran sind, greift der automatische Verspätungszuschlag. Das kann sehr teuer werden."
Zur Steuererklärung verpflichtet sind vor allem Selbstständige und alle, die höhere Einkünfte etwa durch Vermietung oder Kapitalerträge haben. Die meisten anderen Bürger können freiwillig eine Steuererklärung abgeben – und das lohnt sich in der Regel.
Nach den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts erhielten 88 Prozent der freiwilligen Einreicher zuletzt eine Rückerstattung, im Schnitt gab es 1.051 Euro. Trotzdem reichten fast zwölf Millionen Steuerpflichtige keine freiwillige Erklärung ein.
- Eigene Recherche
- Exklusive Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey
- Gespräch mit Thomas Eigenthaler
- Gespräch mit Daniel Schollenberger
- Destatis