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Forscher über Deutschland: "Armut frisst sich in Mitte der Gesellschaft"


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Experte: "Die Armut frisst sich in die Mitte der Gesellschaft"


Aktualisiert am 04.05.2021Lesedauer: 3 Min.
Eine alte Frau sammelt Pfandflaschen (Symbolbild): Für viele Senioren reicht die Rente nicht zum Leben – vielen in der heutigen Mittelschicht droht im Alter ein ähnliches SchicksalVergrößern des Bildes
Eine alte Frau sammelt Pfandflaschen (Symbolbild): Für viele Senioren reicht die Rente nicht zum Leben – vielen in der heutigen Mittelschicht droht im Alter ein ähnliches Schicksal (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)
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Regale einräumen, Flaschen sammeln, Essenausgabe bei der Tafel: Längst leiden viele Rentner unter Altersarmut. Immer häufiger droht auch der

Von einem entspannten Lebensabend können immer weniger Deutsche träumen. Längst ist bekannt: Altersarmut ist ein wachsendes Problem. Dennoch sparen viele Deutsche nicht genug, um im Alter nicht allein von der – bisweilen sehr niedrigen – staatlichen Rente abhängig zu sein.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Plattform Weltsparen zeigt: Mehr als die Hälfte der Deutschen sorgt aktuell überhaupt nicht privat fürs Alter vor – zu einer Zeit, in der die Zinsen für Vermögen auf dem Girokonto ohnehin nahe Null sind, immer mehr Banken sogar Strafgebühren einführen und Riester- und Lebensversicherungen deutlich weniger Sicherheiten bieten.

Der Grund: Viele können es sich schlicht nicht leisten. Ihr Verdienst reicht oft gerade einmal aus, um etwa die Miete und Lebensmittel zu bezahlen. So gab fast jeder zweite Befragte (47 Prozent) an, nicht die finanziellen Möglichkeiten zu haben, um Geld beiseitezulegen und für später zu sparen.

Ein großes Problem, wie auch der Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge sagt: "Die Mittelschicht bröckelt, und zwar hauptsächlich am unteren Rand." Laut dem Experten wird sich die ohnehin vorhandene Kluft zwischen Armen und Reichen in kommenden Jahren weiter verstärken.

Die Folge: Im Alter werden noch mehr Deutsche jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Gerade Geringverdiener stehen vor dem Dilemma: Sie können nicht mit einer üppigen staatlichen Rente rechnen und müssten die Lücke also mit einer privaten Vorsorge schließen – schaffen es aber nicht. Ein kleinerer Teil der Menschen in Deutschland hingegen wird den Ruhestand etwa mit Kreuzfahrten und Ressorturlauben genießen können.

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Geringverdiener verlieren

Laut der aktuellen YouGov-Umfrage sind Frauen stärker betroffen als Männer. Nur rund 40 Prozent der weiblichen Umfrageteilnehmer legen demnach Geld für später zur Seite. Unter den männlichen Befragten sind es immerhin 47 Prozent. "Frauen arbeiten häufiger im Niedriglohnsektor und kümmern sich öfter um die Pflege von Kindern oder Familienangehörigen", sagt Butterwegge. Deshalb hätten sie weniger Geld zur Verfügung.

Für viele schaffe dabei laut Butterwegge nicht einmal die jüngst eingeführte Grundrente Abhilfe: "Für die Grundrente müssen die Senioren 35 Jahre lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben. Das ist ein Privileg und für viele gar nicht erreichbar, zum Beispiel für alle, die länger arbeitslos waren, von denjenigen ganz zu schweigen, die sich eher mit einem Minijob über Wasser halten."

Die Gesellschaft klafft im Alter auseinander

Doch selbst eine langfristige, sozialversicherungspflichte Stelle nehme vielen Deutschen nicht die Sorge vor der Zukunft, so der Experte. "Angehörige der unteren Mittelschicht haben Angst vor dem sozialen Absturz", sagt Butterwegge. Und diese Furcht sei durchaus gerechtfertigt. "Die Armut frisst sich in die Mitte der Gesellschaft hinein", warnt er. "Wer keine Rücklagen hat, gehört zu den Abgehängten."

Schon jetzt wird die Kluft bei der Vorsorge deutlich. Während deutschlandweit viele keinen einzigen Cent zurücklegen können, investieren laut der YouGov-Umfrage 11 Prozent der Westdeutschen mehr als 500 Euro im Monat. In Ostdeutschland ist die Quote deutlich geringer. Hier können nur 3 Prozent so hohe Summen zurücklegen.

Für ärmere Menschen rückt der Ruhestand dadurch zum Teil in ungeahnte Ferne. Jeder zehnte Befragte will demnach in der Rente weiterarbeiten, weil das Geld ansonsten nicht reicht. Auch Butterwegge sagt: "Die Tendenz ist eindeutig und erinnert an das frühe Industriezeitalter: Immer mehr Menschen arbeiten im Alter bis zum Umfallen."

Butterwegge will Beamte und Aktionäre in die Pflicht nehmen

Er sieht daher den Staat in der Verpflichtung, das Rentensystem zu reformieren. Etwa mit einer "Erwerbstätigenversicherung", in die – anders als bei der aktuellen Rentenversicherung – auch Beamte, Selbstständige und Freiberufler einzahlen sollen.

Zudem sollte der Fiskus Kapitalerträge stärker besteuern, sodass Anleger an der Börse mehr als die aktuell geltenden 25 Prozent an den Staat abführen müssen. Mehr zur Kapitalertragssteuer auf Aktiengewinne lesen Sie hier.

Der Rentenexperte Alexander Kihm von der Plattform Weltsparen, die sich für eine stärkere Aktienkultur einsetzt, sieht das naturgemäß anders. Vielmehr sollte der Staat anerkennen, dass die Deutschen verstärkt auf Wertpapiere als Altersvorsorge setzen und dies fördern. "Die Bundesregierung sollte staatlich subventionierte Lösungen für eine attraktive private Altersvorsorge mit flexibler Kapitalmarktbeteiligung entwickeln", sagt Kihm.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge
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