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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prognose für 2022 Was ein Omikron-Lockdown für Deutschlands Wirtschaft hieße
Noch ist wenig bekannt über die neue Corona-Mutante. Klar ist jedoch: Ein neuerlicher Lockdown könnte schwere Folgen für die Wirtschaft haben – und damit auch für Anleger.
Der Kampf gegen die neue Omikron-Variante des Coronavirus könnte zur Gefahr für die deutsche Wirtschaft werden. Eine aktuelle Prognose der Dekabank zeigt: Kommt es wegen der neu entdeckten Mutante abermals zu einem längeren Lockdown, dürfte die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr nicht wie derzeit noch erwartet zulegen, sondern schrumpfen – um mehr als 1 Prozent.
"Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es sich um ein absolutes Worst-Case-Szenario handelt", sagte Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater am Dienstag bei der Präsentation des Konjunktur- und Kapitalmarktausblicks für 2022.
Für Anleger würde das heißen: Die jüngst zu beobachtenden Rücksetzer an den Aktienmärkten dürften dann noch einmal stärker ausfallen. Gleichzeitig würde die Inflation wohl sinken, da durch ein wirtschaftliches Herunterfahren auch die Nachfrage nach Rohstoffen wie Öl fiele – und damit auch der Preis.
Deutsche Bank gibt sich optimistisch
"Ob es dazu wirklich kommt, wissen wir natürlich nicht", so Kater. "Es hängt entscheidend davon ab, wie gefährlich die Variante wirklich ist und wie die Politik auf ihre mögliche Ausbreitung reagiert."
Lasse sich ein lang anhaltender Lockdown abwenden, blieben Beschränkungen für die Wirtschaft aus, gebe es für das kommende Jahr nur wenige Gründe zur Sorge. "In diesem Fall, unserem Hauptszenario, geht die wirtschaftliche Erholung weiter", sagte Kater. Dann seien 2022 rund 3,7 Prozent Wachstum für die deutsche Wirtschaft drin.
Noch optimistischer zeigten sich am Dienstag die Volkswirte der Deutschen Bank, die ebenfalls ihren Ausblick für das kommende Jahr präsentierten. "Wir gehen derzeit von einem zweiten Aufholjahr aus", sagte Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Stefan Schneider. Seinen Prognosen zufolge dürfte das Wachstum in Deutschland 2022 bei knapp 4,5 Prozent liegen. Welche Auswirkungen all das hat, beantwortet t-online im Folgenden.
Wie geht es mit der Inflation weiter?
Derzeit ziehen die Preise enorm schnell an. Das liegt einerseits an den deutlich gestiegenen Energiepreisen, andererseits aber auch an der Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr, die die Preise im zweiten Halbjahr 2020 purzeln ließ. Da sich die Inflationsrate stets aus dem Vergleich der aktuellen Verbraucherpreise mit jenen aus dem Vorjahresmonat ergibt, spielt also auch ein statistischer Effekt eine Rolle für die aktuellen Höchststände bei der Teuerung.
Da dieser Effekt ab Januar keine Rolle mehr spielt, rechnen sowohl die Ökonomen bei der Dekabank als auch jene bei der Deutschen Bank damit, dass es mit den aktuellen Teuerungshöchstständen von mehr als 5 Prozent schon bald wieder vorbei sein wird. Bei der Dekabank geht man für das laufende Jahr 2021 von einer durchschnittlichen Inflationsrate in Höhe von 3,2 Prozent aus, 2022 rechnen die Experten damit, dass die Preise im Schnitt um 3,5 Prozent steigen. Die Deutsche Bank rechnet für 2021 mit einem Wert von 3,1 Prozent und für 2022 mit nur noch 2,6 Prozent.
Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater: "Entscheidend ist jetzt, wie die Europäische Zentralbank reagiert, ob und wie schnell sie von der ultralockeren Geldpolitik abrückt." Gemeint ist damit vor allem ein kontrolliertes Herunterfahren der Anleihenkäufe, die in der Corona-Krise deutlich ausgeweitet wurden.
Doch auch eine Anhebung der Zinsen könnte die Inflation eindämmen. Allzu bald dürfte dabei jedoch noch keine Bewegung zu erwarten sein, wie die Deutsche Bank prognostiziert: Frühestens im Dezember, so ihre Erwartung, dürfte die EZB den aktuell negativen Einlagezins anheben.
Was heißt das für Sparer?
Eine vergleichsweise hohe Inflation bei gleichzeitigen Mini-Zinsen bedeutet für Sparer nichts Gutes. Auf dem Sparkonto wird das Geld immer weniger wert. Die sogenannte Kaufkraft sinkt durch die steigenden Preise – und der Zinssatz unterhalb der Inflationsrate gleicht das nicht aus.
"Die 2020er-Jahre werden das zweite Jahrzehnt negativer Realzinsen", sagt Deka-Volkswirt Ulrich Kater. Umso mehr müssten dann Sachwerte in den Fokus von Anlegern und Sparern rücken, also etwa Immobilien, aber auch Aktien, also Anteile an Unternehmen, die in einer Phase leichter Inflation höhere Preise weitergeben und so entsprechend höhere Gewinne erwirtschaften können.
Wie werden sich die Aktienmärkte 2022 entwickeln?
Vorausgesetzt, dass die Virusvariante Omikron die Wirtschaft nicht aus der Bahn wirft, wahrscheinlich ziemlich gut. Hier sind sich die Anlagestrategen von Deutscher Bank und Deka einig. Aktien stellen aus Sicht beider Geldhäuser weiter eine der besten Anlagemöglichkeiten dar, an den Finanzmärkten dürfte es ob der weiter lockeren Geldpolitik und dem wirtschaftlichen Aufschwung weiter aufwärts gehen.
"Wir gehen davon aus, dass die Gewinne der Unternehmen die Erwartungen der Analysten auch im nächsten Jahr deutlich outperformen werden", sagte Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Dekabank. "Nach einer kurzen Schreck-Korrektur werden die Kurse wieder sehr schnell an ihre Aufwärtsbewegung anknüpfen."
- Aktueller Kurs: Wo steht der Dax gerade?
Auch Ulrich Stephan, Chefanlagestratege von der Deutschen Bank, geht von steigenden Kursen und Gewinnen aus, schränkt aber ein: "Aktien sind im historischen Vergleich nicht preiswert." Er gehe davon aus, dass sich die Aktienkurse nicht noch weiter von den erwirtschafteten Gewinnen der Unternehmen nach oben ablösen könnten als bisher. "Die Rendite des Jahres 2022 wird in etwa dem erwarteten Gewinnwachstum von acht bis neun Prozent entsprechen", so Stephan. Lesen Sie hier, was es mit Kurs-Gewinn-Verhältnis auf sich hat.
Für den Dax heiße das: Zum Jahresende 2022 könnte der deutsche Leitindex durchaus bei 17.000 Punkten stehen. Der marktbreite amerikanische Index S&P 500 dürfte um rund acht Prozent zulegen und in einem Jahr bei etwa 5.000 Punkten landen.
Noch besser dürfte es für die Schwellenländer laufen. "Wir sind relativ optimistisch für den chinesischen Markt", sagt Stephan – trotz des Risikos, das gerade vom dortigen Immobiliensektor und dem taumelnden Wohnungskonzern Evergrande ausgeht. Für Anleger heißt das: Ein Investment in einen breit gestreuten ETF, etwa den MSCI Emerging Markets, könnte sich lohnen.
- Pressekonferenz Dekabank
- Pressekonferenz Deutsche Bank