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Rente vor Reform: FDP-Politikerin Anja Schulz warnt vor Fehlern


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FDP-Politikerin Schulz zur Rente
"Wir werden uns das genau anschauen"


28.02.2024Lesedauer: 7 Min.
Anja Schulz: Die FDP-Politiker ist Rentenexpertin und sitzt im Finanzausschuss.Vergrößern des Bildes
Anja Schulz in der t-online-Redaktion: Die FDP-Politikerin hat einen klaren Standpunkt zur Rentenpolitik. (Quelle: t-online)

Das Rentenpaket II lässt weiter auf sich warten. Dabei seien Reformen dringend nötig, sagt die FDP-Abgeordnete Anja Schulz – nicht nur in der gesetzlichen Rente.

Immer mehr Rentner, immer weniger Beitragszahler – dass die Rechnung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr aufgeht, ist seit Jahren absehbar. Und auch bei der privaten Altersvorsorge knirscht es gewaltig. Die Bundesregierung will deshalb Reformen auf den Weg bringen. Doch erneut droht eine selbst gesetzte Frist dafür zu verstreichen.

t-online hat mit der FDP-Bundestagsabgeordneten Anja Schulz über das geplante Generationenkapital gesprochen sowie darüber, welche Rolle Aktien künftig auch in der privaten Altersvorsorge spielen könnten und welche Sorgen sich insbesondere junge Menschen mit Blick auf die Rente machen.

t-online: Frau Schulz, die gesetzliche Rente muss reformiert werden. In drei Sätzen: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Reformschritte?

Anja Schulz: Einer der wichtigsten Schritte ist, dass wir uns unabhängiger von der Demografie machen. Wir haben jetzt ein umlagefinanziertes System, und wir wollen das um eine Kapitaldeckung ergänzen. Wir müssen Flexibilität bieten und wir müssen den Menschen bei der gesetzlichen Rente Sicherheit bieten, also mehr Vertrauen in die Altersvorsorge.

Sie haben gerade die Kapitaldeckung angesprochen, früher mal "Aktienrente" genannt. Sie wäre Teil des Rentenpakets II. Auf den Gesetzentwurf warten wir allerdings seit geraumer Zeit. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat nun versprochen, der Entwurf liege Ende des Monats vor, also bis morgen. Klappt das noch?

Ich hoffe es – weil es ein sehr wichtiges Thema und eine Reform längst überfällig ist. Wir als FDP sagen weiterhin, dass es individuelle Beitragskonten geben sollte, denn das ist die Idee der Aktienrente: Jeder Bürger bekommt seinen Teil des Aktienvermögens durch individuelle Beiträge zugeschrieben. So weit wird der Gesetzentwurf wohl nicht gehen. Dennoch: Das jetzt diskutierte Generationenkapital ist ein wichtiger Paradigmenwechsel innerhalb der gesetzlichen Rente. Wir sehen, dass das in anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird. Es ist gut, sich daran ein Beispiel zu nehmen.

Ursprünglich wollte die FDP mehr Geld in die Aktienrente stecken, indem jeder Versicherte zwei Prozent seines Bruttoeinkommens einzahlt. Nun ist geplant, 12 Milliarden Euro als Schulden aufzunehmen und anzulegen. Reicht das denn?

Die 12 Milliarden Euro sollen im ersten Jahr fließen. Es geht darum, dass jährlich Geld fließt und sich diese Summe auch prozentual erhöht. So sollten Mitte der 2030er-Jahre knapp 200 Milliarden in diesen Fonds geflossen sein.

Bevor die Aktienrente das System entlastet, vergehen locker zehn Jahre. Der Bundeszuschuss für die gesetzliche Rentenversicherung wurde gerade gestrichen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund schlägt Alarm und rechnet schon vor 2025 mit einem Anstieg des Beitragssatzes. Wie viel Beitrag zahlen wir im Jahr 2030?

Zunächst einmal: Die Einnahmesituation der gesetzlichen Rentenversicherung sieht aktuell gut aus – deshalb wurde der zusätzliche Bundeszuschuss zur Abgeltung sogenannter nicht beitragsgedeckter Leistungen gekürzt. Die Nachhaltigkeitsrücklage ist gegeben. Und die Prognosen der Rentenversicherung sind eher konservativ. Wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, wird das Generationenkapital den Anstieg der Beitragssätze abschwächen.

Die Haltelinie für den Beitragssatz soll aber nach 2025 fallen, oder?

Es geht um eine doppelte Haltelinie, einmal des Rentenbeitrags und einmal des Rentenniveaus. Der Beitragssatz soll laut Koalitionsvertrag bis 2025 nicht über 20 Prozent steigen. Was am Ende im Gesetzentwurf von Hubertus Heil steht, weiß ich noch nicht. Klar ist aber, wir als FDP werden uns das genau anschauen. Die Generationengerechtigkeit muss gewahrt werden. Nicht nur die jetzige Rentnergeneration muss eine Sicherheit haben, sondern auch nachfolgende Generationen.

Eine weitere Hilfe für die Einnahmenseite wäre es, wenn auch Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen würden. Wie realistisch ist das?

Geplant ist, dass Selbstständige künftig verpflichtet werden, in irgendeiner Form vorzusorgen. Das muss nicht zwingend die gesetzliche Rente sein. Denn hier wird es die Möglichkeit des Opt-out geben …

… Selbstständige können also von der Verpflichtung, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, zurücktreten, diese aktiv abwählen, sofern sie privat vorsorgen?

Genau, denn klar ist, dass etwas passieren muss. Menschen, die selbstständig waren, haben eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, im Rentenalter Grundsicherung zu beziehen, als diejenigen, die angestellt beschäftigt waren. Da braucht es mehr Eigenverantwortung. Das wird für ein weiteres Rentenpaket erwartet.

Noch einmal zu den steigenden Beiträgen: Spüren Sie auch den Frust der jungen Gutverdiener-Generation, die schon jetzt Höchstbeiträge in die Rentenkasse einzahlt?

Junge Menschen machen sich Sorgen um die gesetzliche Rente, die sie zu erwarten haben. Wer nach fünf Beitragsjahren, vielleicht mit Ende 20, zum ersten Mal die jährliche Renteninformation bekommt, stellt fest, dass der Betrag nicht mit dem Nettoeinkommen übereinstimmt. Diese jungen Menschen machen sich dann Gedanken, wie sie privat vorsorgen können und wie sie sich unabhängiger machen können von der gesetzlichen Rente. Hier müssen wir Politiker aufpassen: Das Vertrauen in die gesetzliche Rente darf nicht verloren gehen.

Fürchten Sie, dass sich junge Gutverdiener aus dem System der gesetzlichen Rente zurückziehen könnten, etwa die abhängige Beschäftigung reduzieren und in die Selbstständigkeit wechseln, wie es Ökonomen bereits beobachten?

Die Idee, dass sich junge Menschen ganz aus dem gesetzlichen System zurückziehen, halte ich für eher gewagt. Die Entscheidung, in die Selbstständigkeit zu gehen, hängt von vielerlei Faktoren ab und ist mit Chancen und Risiken verbunden. Wir sehen allerdings, dass diese jungen Gutverdiener einen klaren Fokus auf die Eigenvorsorge legen. Denn nur dadurch haben sie die Möglichkeit, im Rentenalter ihren gewohnten Lebensstandard zu halten.

Sie haben das Stichwort gegeben: Ohne private Vorsorge wird es nicht gehen. Vergangenen Juli hat die Fokusgruppe Altersvorsorge einen Maßnahmenkatalog für eine Reform der privaten Vorsorge vorgelegt. Warum brauchen wir diese Reform?

Wir müssen die private Altersvorsorge reformieren, weil die gesetzliche Rente nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Wir haben schon geförderte private Vorsorge, etwa die Riester-Rente. Aber sie wird nicht mehr genutzt. Das hat mehrere Gründe, zum Beispiel die 100-prozentige Bruttobeitragsgarantie. Die Beitragsgarantie besagt, dass Versicherer mindestens die eingezahlten Beiträge plus staatliche Zulagen als spätere Rente zurückzahlen müssen. Wegen dieser Vorschrift sind die Anbieter aktuell gezwungen, sehr konservativ anzulegen, was die Renditechancen einschränkt. Dazu kommt: Es haben sich viele Anbieter vom Markt verabschiedet. Wer heute anfangen will, gefördert vorzusorgen, hat kaum mehr eine Auswahl. Deswegen müssen wir dieses System einfacher und flexibler, offener machen: Die Politik darf sich nicht an zu starren Vorgaben festhalten.

Wo sehen Sie einen besonders großen Hebel?

Besonders gut gefällt mir die Idee des Altersvorsorgedepots. Damit haben sich junge Menschen in den letzten Jahren viel beschäftigt. Sie haben beispielsweise über Neobroker in Fonds angelegt, sie haben ETF-Sparpläne begonnen. So ein Vorsorgedepot kann für junge Leute sehr attraktiv sein, wenn wir uns die Renditechancen ansehen.

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Das ist der Vorschlag, den auch der Fondsverband BVI gemacht hat. Ursprünglich hatte man einmal überlegt, den Sparern, die langfristig in Aktien investieren, sukzessive höhere Steuerfreibeträge zu gewähren. Diesen Vorschlag haben wir im Abschlussbericht nicht wiedergefunden. Was ist daraus geworden?

Auch die Freien Demokraten haben einen solchen Vorschlag auf ihrem letzten Bundesparteitag in die Programmatik aufgenommen. Als FDP halten wir es für sinnvoll, dass man sowohl aus dem Brutto als auch aus dem Netto ins Depot einzahlt, um auch Selbstständige mit auffangen zu können, die künftig verpflichtet werden sollen, in irgendeiner Form zu sparen. Allerdings müssen wir die Einfachheit im Blick behalten. Wir dürfen es nicht noch mal so kompliziert machen wie bei Riester, etwa mit der "mittelbaren" und "unmittelbaren" Berechtigung für Zulagen. Wir müssen es für alle einheitlich vereinfachen. Die Idee eines veränderbaren Steuerfreibetrags ist zwar gut, aber ein wenig zu kompliziert. In einem ersten Schritt sollten wir lieber Kapitaleinkünfte innerhalb des neuen Altersvorsorgedepots, zum Beispiel Veräußerungsgewinne oder Dividenden, steuerfrei stellen.

Stichwort Langlebigkeitsrisiko: Statt einer lebenslangen Rente soll es die Möglichkeit geben, sich das Kapital im Alter flexibel auszahlen zu lassen. Die Rentenversicherung kritisiert, dass manch einer mit null Euro im Alter dastehen könnte. Sehen Sie dieses Risiko auch?

Nein. Es gibt weiterhin die gesetzliche und auch die betriebliche Vorsorge, die die Langlebigkeit abdecken. Bei der privaten Vorsorge aber müssen wir Anreize schaffen. Wenn ich einem jungen Menschen sage: "Spar heute 50 Euro, später bekommst Du das ein Leben lang verrentet", höre ich oft: "Wer weiß, ob ich überhaupt so alt werde?" Die Statistik sagt zwar, dass dieser Mensch mindestens 85 Jahre alt oder älter wird. Vom Gefühl her ist das aber natürlich noch nicht greifbar. Deswegen sollten wir die Option bieten, keine Verpflichtung zur lebenslangen Rente festzuschreiben.

Bei der aktuellen Riester-Rente sind die Kosten hoch. Wie stellt man sicher, dass Anbieter die Kosten senken?

Das kann die Politik regulieren, indem bestimmte Deckel eingeführt werden. Etwa auch beim Wechsel von Produkten. Kosten sind allerdings nur ein Faktor. Denn neben den Kosten spielt die Rendite eine entscheidende Rolle. Ein Altersvorsorgedepot bietet deutlich höhere Renditechancen als Riester-Renten. Bei Riester etwa können Beiträge derzeit nur defensiv angelegt werden, um zum Rentenbeginn 100 Prozent der eingezahlten Beiträge zu erreichen. Das müssen wir flexibilisieren.

Die Vorschläge der Fokusgruppe werden sicher nicht eins zu eins in den Gesetzentwurf übernommen. Was kommt Ihrer Meinung nach durch?

Ich bin mir sicher, dass es ein Altersvorsorgedepot geben wird. Dass es eine Flexibilisierung der Garantien bei Riester gibt und auch für bestehende Verträge die Option, ins neue System zu wechseln. Bei der lebenslangen Rente kann ich mir vorstellen, dass man über einen bestimmten Zeithorizont – 15, vielleicht 20 Jahre – eine monatliche, garantierte Auszahlung festschreibt, danach die Rente aber flexibel gestaltet.

Und wann kommt der Gesetzentwurf?

Ich würde mich freuen, wenn er zeitnah kommt. Das Finanzministerium sprach bisher davon, im Sommer etwas vorlegen zu wollen.

Zum Schluss: Was würden Sie einem 40-Jährigen heute für die Altersvorsorge raten?

Das ist individuell und hängt etwa vom Einkommen ab und davon, was an Vermögen schon vorhanden ist. Auch vom Willen und den Möglichkeiten zu sparen. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich – egal in welchem Alter – mit dem Thema beschäftigt, sich informiert, entweder individuell durch Eigenrecherche oder sich professionelle Beratung zur Seite holt. Wichtig ist, etwas zu machen. Und sich nicht darauf zu verlassen, dass die gesetzliche Rente reichen wird.

Verwendete Quellen
  • Anja Schulz im Interview mit t-online
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