Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gott, Geld und Gewissen Wie christlich darf Ihre Geldanlage sein?

Kohle machen und trotzdem an die Nächstenliebe denken – geht das? Wer nach christlichen Werten investieren möchte, hat viele Möglichkeiten, sollte aber genau hinsehen.
"Das Geld muss dienen und nicht regieren" – mit diesen Worten brachte Papst Franziskus einen ethischen Imperativ auf den Punkt, der gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten und wachsender sozialer Ungleichheit aktueller ist denn je. Geld soll nicht als Selbstzweck, sondern als Werkzeug verstanden werden: ein Mittel, das dazu beitragen kann, Gerechtigkeit zu fördern, die Schöpfung zu bewahren und das Gemeinwohl zu stärken.
Doch wie lässt sich dieser Anspruch mit der Realität an den Finanzmärkten vereinbaren? Ist es überhaupt möglich, ethisch zu investieren – und das nach den klaren Maßstäben der katholischen Kirche? Dieser Ratgeber zeigt, welche Formen ethisch-katholischer Geldanlagen es gibt, worauf Anleger achten sollten und wo die Grenzen zwischen Gewissen und Rendite verlaufen.
Geldanlage nach katholischen Prinzipien
Geld anlegen und dabei den christlichen Glauben leben – das klingt für viele Anlegerinnen und Anleger wie ein Widerspruch. Doch in Wahrheit schließen sich Rendite und Religion nicht aus. Immer mehr Fonds versprechen eine ethisch-katholische Geldanlage, die nicht nur finanzielle Erträge, sondern auch ein reines Gewissen liefern soll.
Doch was bedeutet ethisch-katholisch investieren? Solche Geldanlagen folgen nicht nur ökonomischen Zielen. Sie orientieren sich an christlichen Werten: dem Schutz des Lebens, der Menschenwürde, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung. Grundlage vieler Fonds ist die Orientierungshilfe "Ethisch-nachhaltig investieren" der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
Der Anspruch: Mit dem Geld soll Gutes bewirkt werden – und nicht nur Profit für Einzelne entstehen. Das bedeutet auch, bestimmte Branchen und Unternehmen auszuschließen.
Welche Kriterien gelten?
Ethisch-katholische Geldanlagen orientieren sich an zwei Grundprinzipien: dem Ausschluss problematischer Branchen und der gezielten Auswahl positiver Investments. Diese Prinzipien sollen sicherstellen, dass das angelegte Geld nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch vertretbar eingesetzt wird.
Ausschlusskriterien: Die katholische Kirche empfiehlt, bestimmte Branchen kategorisch zu meiden. Dazu zählen:
- Unternehmen, die Abtreibung oder Verhütung unterstützen
- Anbieter von Dienstleistungen im Bereich der embryonalen Stammzellenforschung
- Beteiligung an gentechnischen Eingriffen am Menschen
- Hersteller von Waffen oder Rüstungsgütern
- Firmen aus der Tabak-, Alkohol- oder Glücksspielbranche
- Unternehmen mit dokumentierten Menschenrechtsverletzungen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit
Positivauswahl: Gleichzeitig legen viele katholisch ausgerichtete Fonds Wert auf gezielte Investitionen in Unternehmen, die positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkung erzielen. Dazu gehören unter anderem:
- Bildungsanbieter und Gesundheitseinrichtungen
- Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien oder Ressourcenschonung
- Firmen, die faire Arbeitsbedingungen fördern und soziale Verantwortung übernehmen
Ziel ist es, nicht nur Schaden zu vermeiden, sondern aktiv Gutes zu bewirken. Diese zweifache Ausrichtung ist das Fundament glaubensbasierter Geldanlagen.
Rendite oder Moral – ein Widerspruch?
Wer auf diese Weise investieren will, steht unweigerlich vor einer Gewissensfrage: Darf man mit Geld, das nach kirchlichen Maßstäben angelegt wird, überhaupt Gewinn erzielen? Und ab wann wird aus einem vertretbaren Ertrag die sprichwörtliche Gier?
Die katholische Kirche selbst gibt darauf eine klare Antwort. In ihrer Orientierungshilfe betont sie, dass Geld dem Menschen dienen soll – nicht umgekehrt. Finanzielle Mittel sollen so eingesetzt werden, dass sie kirchliche Aufgaben unterstützen, soziale Strukturen stärken und die Schöpfung bewahren. Eine Rendite ist dabei nicht verwerflich, solange sie nicht zum Selbstzweck wird.
Das zentrale Element in Franziskus’ Botschaft in Bezug auf die Notwendigkeit, die wirtschaftliche Macht des Geldes zu kontrollieren, bedeutet: Eine ethisch-katholische Anlage darf und soll wirtschaftlich sinnvoll sein. Aber sie muss auch der Frage standhalten, ob der Gewinn auf Kosten anderer oder der Umwelt geht.
Die Grenze verläuft dort, wo Rendite wichtiger wird als das, was mit dem Geld bewirkt wird. Wenn Fonds mit fragwürdigen Unternehmen gefüllt sind, nur weil sie hohe Gewinne versprechen, ist der ethische Anspruch untergraben. Umgekehrt darf aber auch kein schlechtes Gewissen entstehen, wenn eine solide Geldanlage langfristig einen Ertrag bringt – sofern sie den eigenen Werten entspricht.
Ethisch investieren bedeutet also nicht, auf Erfolg zu verzichten. Es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen: für das eigene Geld und seine Wirkung auf die Welt.
Welche Anlageprodukte gibt es?
Inzwischen finden sich mehrere Fonds und ETFs (Exchange Traded Funds), die sich an katholischen Kriterien orientieren. Einige Beispiele:
- MSCI World Catholic Principles ETF: Dieser ETF bildet den MSCI World Catholic Principles Index ab und wird von mehreren Fondsgesellschaften wie Franklin Templeton, Amundi und Lyxor angeboten. Er kombiniert klassische ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) mit den ethischen Leitlinien der katholischen Kirche. Ausgeschlossen werden unter anderem Unternehmen, die in Abtreibung, Embryonenforschung, Waffenproduktion oder Pornografie involviert sind. Der Fonds investiert global, enthält jedoch deutlich weniger Unternehmen als ein herkömmlicher MSCI World ETF. Bekannte Technologiekonzerne wie Apple oder Microsoft fehlen teilweise aufgrund ihrer Haltung zu gesellschaftspolitischen Themen.
- Invesco MSCI Europe ESG Leaders Catholic Principles ETF: Dieser ETF investiert in europäische Unternehmen mit hohen ESG-Ratings und katholischen Ausschlusskriterien. Dazu gehören etwa Unternehmen, die mit Abtreibung oder Pornografie in Verbindung stehen.
- terrAssisi Aktienfonds: Dieser Fonds wurde vom Franziskanerorden mitentwickelt. Die Fonds achten auf Arbeitsrechte, lehnen Massentierhaltung ab und investieren sozial und ökologisch verantwortlich. Verhütung oder Abtreibung stehen hier jedoch nicht auf der schwarzen Liste.
- Liga Pax Cattolico Union: Von der Pax-Bank und Union Investment herausgegeben, verspricht der Fonds unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien christlich-ethisches Investieren in internationale Unternehmensaktien, steht aber wegen Beteiligungen an Firmen wie Amazon oder Coca-Cola in der Kritik.
Auch christliche Banken wie die Steyler Bank oder die Bank für Kirche und Caritas bieten eigene Fonds an, die sich an ähnlichen Kriterien orientieren. Lesen Sie hier mehr darüber, wie viel Rendite ETFs abwerfen und wie viel von der Rendite nach Abzug von Gebühren und Steuern übrigbleibt.
Chancen und Risiken für Anleger
Ethisch-katholische Fonds bieten Ihnen die Chance, Ihr Geld im Einklang mit Ihren Werten anzulegen. Doch wie bei jeder Geldanlage gibt es auch hier Licht und Schatten. Wer die Chancen nutzen will, sollte die Risiken kennen und verstehen.
Chancen:
- Moralisch stimmige Anlage: Sie investieren in Unternehmen, deren Produkte und Geschäftspraktiken Ihren ethischen Vorstellungen entsprechen. Damit unterstützen Sie soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und die Bewahrung menschlicher Würde.
- Positive gesellschaftliche Wirkung: Ihre Geldanlage kann dazu beitragen, Projekte und Firmen zu stärken, die einen echten gesellschaftlichen Mehrwert bieten.
- Vergleichbare Renditen: Studien zeigen, dass ethisch ausgerichtete Fonds in vielen Fällen eine ähnliche oder sogar bessere Wertentwicklung erzielen können als konventionelle Fonds – auch wenn dies stark vom Produkt und Marktumfeld abhängt.
Risiken:
- Geringere Streuung (Diversifikation): Da ethisch-katholische Fonds viele Branchen ausschließen, bleiben weniger Aktien zur Auswahl als beispielsweise bei einem ETF auf den MSCI World Index. Das kann die Risikostreuung verschlechtern. Kursschwankungen einzelner Unternehmen wirken sich dadurch stärker auf den Fonds aus.
- Kostenfalle: Spezialisierte Fonds sind oft teurer. Gerade aktiv gemanagte Produkte verlangen häufig Ausgabeaufschläge von mehreren Prozent und jährliche Verwaltungsgebühren von 1 Prozent oder mehr. Auch ETFs mit katholischem Fokus sind mit 0,4 bis 0,6 Prozent teurer als klassische Indexfonds.
- Subjektivität bei der Auswahl: Was ethisch korrekt ist, bewerten Fondsanbieter unterschiedlich. Manche legen die Kriterien streng aus, andere sind nachsichtiger. Deshalb sollten Sie sich nicht allein auf das Etikett verlassen, sondern genau prüfen, was wirklich im Fonds steckt.
- Wertschwankungen: Auch ethisch ausgerichtete Fonds unterliegen Marktrisiken. Politische Ereignisse, wirtschaftliche Entwicklungen oder Skandale bei einzelnen Unternehmen können die Wertentwicklung beeinflussen.
Worauf Sie achten sollten
Wenn Sie ethisch-katholisch investieren möchten, sollten Sie sich gut vorbereiten. Hier sind die wichtigsten Punkte, auf die Sie achten sollten:
- Prüfen Sie die Ausschlusskriterien genau: Nicht jeder Fonds, der sich "ethisch" oder "katholisch" nennt, hält sich an strenge Kriterien. Sehen Sie sich das Factsheet genau an: Welche Branchen werden ausgeschlossen? Werden sensible Bereiche wie Abtreibung, Waffenproduktion oder Gentechnik ausgespart?
- Achten Sie auf die Positivkriterien: Gute Fonds zeichnen sich nicht nur dadurch aus, was sie ausschließen, sondern auch dadurch, was sie gezielt fördern. Gibt es klare Investitionen in Bildung, Gesundheit, erneuerbare Energien oder soziale Unternehmen?
- Vergleichen Sie die Fondskosten: Aktive Fonds verlangen oft hohe Gebühren. Ein Ausgabeaufschlag von 4 bis 5 Prozent und laufende Kosten von über 1 Prozent sind keine Seltenheit. ETFs sind oft günstiger, bieten aber mitunter eine weniger strenge ethische Auswahl. Überlegen Sie, wie viel Sie bereit sind, für ethische Klarheit zu zahlen.
- Seien Sie kritisch bei großen Namen: Auch Fonds, die von Kirchenbanken oder bekannten Anbietern kommen, enthalten nicht immer nur "saubere" Unternehmen. Werfen Sie einen Blick auf die größten Positionen im Fonds. Stecken Firmen wie Amazon oder McDonald's dahinter? Dann lohnt ein zweiter Blick.
- Nutzen Sie seriöse Beratung: Wenn Sie sich unsicher sind, helfen kirchliche Banken oder unabhängige Finanzberater mit Spezialisierung auf ethisch-nachhaltige Geldanlagen weiter. Achten Sie darauf, dass die Beratung nicht provisionsgetrieben ist.
- Bleiben Sie wachsam: Ethisches Investieren ist kein einmaliger Akt, sondern ein fortlaufender Prozess. Fonds passen ihre Strategien an, Unternehmen ändern ihr Verhalten. Kontrollieren Sie regelmäßig, ob Ihr Fonds noch zu Ihren Überzeugungen passt.
Fazit: Geld und Gewissen vereint
Glaubensbasierte Geldanlagen bieten die Möglichkeit, Geld und Gewissen in Einklang zu bringen. Und sie gehen über ESG-Investments hinaus, die sich an Nachhaltigkeitsfaktoren aus den Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) orientieren.
Neben dem Ausschluss von Unternehmen, die beispielsweise Menschenrechte verletzen, Umweltzerstörung betreiben oder in Korruptionsskandale verwickelt sind, lehnen ethisch-katholische Anlagen Investitionen in Unternehmen ab, die etwa Abtreibung ermöglichen, Verhütungsmittel herstellen oder in der Stammzellenforschung tätig sind.
Kurz gesagt: ESG ist Nachhaltigkeit im weltlichen Sinne. Katholisches Investieren verbindet diesen Anspruch mit einer religiösen Ethik. Doch auch hier gilt wie bei jeder Geldanlage: Nicht jedes Produkt hält, was es verspricht. Wer auf katholische Werte achten möchte, sollte sich gut informieren, kritisch hinterfragen und die Fondswahl mit Bedacht treffen. Denn der Grundsatz bleibt: Das Geld soll dem Menschen dienen – und nicht umgekehrt.
- union-investment.de: "Katholische Werte-Fonds"
- dbk.de: "Deutsche Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken stellen Orientierungshilfe für Finanzverantwortliche katholischer Einrichtungen vor"
- domradio.de: "Wie investiert die Kirche?"
- dasinvestment.com: "Rendite mit gutem Gewissen: Wie du dein Geld nach religiösen Prinzipien anlegst" (Deutsch)
- capital.de: "Päpstlich anlegen: So funktionieren ETFs, die katholisch investieren"
- finanzfluss.de: "Himmlische Investments"