Bremer Episode "Die Wiederkehr" Familiendrama im "Tatort" ging an die Nieren
Ein Kind verschwindet. Der Vater gerät unter Mordverdacht, weist alle Schuld von sich und bringt sich dann um. Zurück bleibt eine traumatisierte, zersplitterte Familie, die zehn lange Jahren versucht, die Fassade zu wahren. Dann kehrt das Kind zurück. Der Bremer "Tatort" wollte vieles, doch ihm gelang nur wenig. Dank eines talentierten Regisseurs, starken Hauptdarstellerinnen und einem überraschenden, erschütternden Finale kriegte er aber dennoch gerade so die Kurve. Nordisch verzögert eben.
Die Episode mit dem Titel "Die Wiederkehr" war an Themenüberfrachtung kaum zu schlagen. Die Drehbuchautoren Matthias Tuchmann und Stefanie Veith wollten jedes mögliche Verbrechen in ihrer Story unterbringen: So war die Bremer Polizei konfrontiert mit Kindesentführung, Selbstmord, Essstörungen, Adoption, Psychosen, schwerem Missbrauch, Betrug, Erpressung und Familientragödien. Und wie so oft bei allem, was über die Maßen im Angebot ist: es ist schwer verdaulich.
Worum ging es?
Die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) werden von ihrer Ermittler-Vergangenheit eingeholt: Vor zehn Jahren ist die siebenjährige Fiona Althoff verschwunden. Lürsen verhaftete den volltrunkenen Vater wegen Mordverdachts, der jedoch bestritt seine Schuld vehement. Im Keller des Präsidium wurde er später erhängt aufgefunden. Seine Frau Silke, zuhause mit den beiden übrigen Kindern, machte Inga schwere Vorwürfe und gab ihr die Schuld am Tod ihres Mannes. Fiona blieb verschwunden.
Zehn Jahre später klingelt eine Punkerin mit pinken Haaren und Nietenhalsband an der Tür der Althoffs und behauptet, die verlorene Tochter zu sein. Von Geschwistern und Mutter mit offenen Armen wieder aufgenommen, behauptet sie, von zwei Hippies in einem Camper gefangen gehalten und auf Campingplätzen bei Orgien und Gruppensexpartys jahrelang missbraucht worden zu sein. Ihre ältere Schwester Kathrin bleibt misstrauisch. Dennoch scheint auch der DNA-Test zu bestätigen: Die Fremde ist Fiona. Der Vater war unschuldig.
Polizei in der Mangel
Die Polizei muss sich erneut dem Zorn der Mutter stellen und auch die Medien und der Polizeipräsident haben einige Fragen: Haben die Kommissare damals beharrlich genug nach dem Mädchen gesucht? Vor allem Kommissarin Lürsen gehen die Anfeindungen sichtbar an die Nieren.
Ihre verstörende Auflösung erhält die Geschichte kurz vor Schluss und zeigt damit nicht nur, dass Lürsens Misstrauen begründet war, sondern vor allem, welche Tragödien sich in scheinbar ganz normalen Familien abspielen können. Die überraschende Wende rettet die Geschichte ein wenig.
Schwaches Buch
Zwar stellte Regisseur Florian Baxmeyer – der mit "Die Wiederkehr" schon seinen achten Bremer "Tatort" inszenierte – ein stimmiges Team zusammen und es gelang ihm auch, psychologisch dicht zu gestalten, dennoch blieben die Schwächen des Drehbuchs bestehen. Die Schummelei der Mutter bei der Bereitstellung der DNA-Proben war wenig realistisch, das Hinzufügen der Randfigur Klaas blieb rätselhaft.
Weil man auf wilde Verfolgungsjagden und blutrünstige Mordszenen verzichtete, musste die Geschichte ihre Stärke aus den emotionalen Verwicklungen der Protagonisten ziehen.
Episode der starken Frauen
Eine Herausforderung, die hier aber hingehauen hat: Diese Episode war eine der starken Frauen. Zentrale Gestalt war die mater familias Silke Althoff, gespielt von der starken Gabriela Maria Schmeide. Flankiert wurde sie von ihren Töchtern Fiona und Kathrin (Gro Swantje Kohlhof und Amelie Kiefer). Bei ihrer Inszenierung ging Baxmeyer ganz nah an die Figuren heran und rückte ihre Gefühle in den Vordergrund.
Schmeide bestach im finalen, langen Dialog mit Sabine Postel mit schauspielerischem Know-how und gab die verzweifelte Mutter mit ungeheurer Verletzlichkeit und Glaubwürdigkeit. Ihr gegenüber waren Fiona mit ihrer berechnenden Arglosigkeit und Kathrin mit ihrer misstrauischen Kühle ideal positioniert. Mit diesem Trio stand der "Tatort". Die Beamten blieben Beiwerk, und das war gut so.
Zu viel gewollt - zu wenig gekonnt
Fazit: Ein bisschen weniger Kokolores mit noch bis in die dritte Schleife weiter gedachten Psychogeschichten und Gaunereien hätte dem Krimi gut getan. Die vielen Verwicklungen amüsierten eher, als dass sie – wie wohl gewünscht – erschütterten. Zu viel gewollt, zu wenig gekonnt. Beim nächsten Mal besser.