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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der "Tatort" und sein Altersproblem Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache

Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer verlassen den "Tatort". Sie stehen stellvertretend für eine Umstrukturierung des Krimis: immer neuer, immer besser – immer jünger?
2024 waren es fünf Kommissare, 2025 bisher zwei, und 2026 sollen vier Ermittler die "Tatort"-Reihe verlassen. Insgesamt sind das elf Schauspieler, neun von ihnen sind über 50 Jahre alt. Hat Deutschlands beliebtester Krimi ein Problem mit dem Älterwerden?
Die Antwort ist: Jein. Denn tatsächlich ist der "Tatort" in den vergangenen Jahren immer älter geworden. Während die Kommissare 2004 im Schnitt noch 47 Jahre alt waren, sind sie zwei Jahrzehnte später, 2024, 52 Jahre alt. Ein Alter, das zwar immer noch nicht hoch ist, die Tendenz geht aber in eine Richtung, bei der man sich doch fragen muss, wie realitätsnah alternde Kommissare wirklich sind.
Ziel des "Tatorts" war und ist es noch heute, die Lebenssituationen so realitätsnah wie möglich in ganz Deutschland abzubilden. Auf die Frage von t-online, welches Ziel sich die ARD beim Zusammenstellen der einzelnen Teams gesetzt hat, lautete die Antwort: "Die 'Tatort'-Reihe war in Themen und Typen immer ein Spiegel der bundesrepublikanischen Gesellschaft und möchte dies natürlich auch in ihren unterschiedlichen Kommissarsfiguren abbilden, die ja in der Vergangenheit bis heute immer markant, oft stilprägend waren." In den jeweiligen Redaktionsteams werde bei der Besetzung auf "unterschiedlichste Kriterien geachtet, die unsere Gesellschaft kennzeichnen und unsere Lebenswirklichkeit einfangen".
Und was heißt das konkret? Harald Krassnitzer wird im Jahr seines "Tatort"-Aus 65 Jahre alt, Adele Neuhauser 67. Miroslav Nemec wird 2026 71, sein Münchner Kollege 67 Jahre alt. Die Realität innerhalb der deutschen Polizei ist aber eine andere. 2011 lag das Pensionsalter von Kommissaren noch bei 60 Jahren. Heute ist die Regelaltersgrenze laut Beamtenversorgungsgesetz 62 bis 65 Jahre, wobei es Sonderregelungen für den Polizeivollzugsdienst geben kann. Da hier besondere Belastungen durch Schichtdienst oder Einsatzrisiko hinzukommen, führt das oft zu einem noch früheren Ruhestand. Die vier Kommissare, die im kommenden Jahr aussteigen, passen also gewissermaßen nicht mehr in einen realitätsbezogenen "Tatort". Warum deswegen auch die Vermutung naheliegt, dass der Ausstieg der Wiener Kommissare nicht ganz freiwillig gewesen sein könnte, lesen Sie hier.
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Der "Tatort" hat so gesehen wohl ein Problem mit dem Älterwerden, arbeitet aber auch aktiv an Lösungen. Folglich werden ältere Schauspieler durch jüngere ersetzt. Auch wenn es laut ARD kein Maximalalter für Kommissare gibt. Vielmehr sei die zuständige Landesrundfunkanstalt eigenverantwortlich für die Besetzung. Eine übergeordnete Maxime, wie etwas das Alter, gibt es angeblich nicht. Stattdessen seien "unterschiedlichste Aspekte" für die Auswahl verantwortlich, wie ein Sprecher t-online doch recht geheimnisvoll sagte.
Die jungen Neuen
Die Zahlen sprechen allerdings eine ganz klare Sprache. Von vier neuen Kommissaren ist keiner über 50 Jahre alt. Vier von ihnen haben Migrationshintergrund, zwei von ihnen sind Frauen.
Das neue Münchner Team, das ab 2026 an den Start gehen wird, besteht aus dem 48-jährigen Carlo Ljubek und dem 31-jährigen Ferdinand Hofer. Letzterer ist schon seit 2014 zunächst als Kriminalassistent und mittlerweile als Oberkommissar Kalli Hammermann dabei.
Karoline Schuch ist 43 Jahre alt. Sie ersetzt Axel Milberg im Kieler "Tatort": An ihrer Seite steht die 34-jährige Almila Bagriacik, die auch schon zuvor mit Borowski arbeitete. Für den Herbst 2025 ist die erste Ausstrahlung mit dem 32-jährigen Edin Hasanović und der 49-jährigen Melika Foroutan in Frankfurt und Wiesbaden geplant.
Die Neuen sind schon auffallend jung. Gibt es mit Blick auf den Frauenanteil, die Altersstruktur und die Herkunft also doch eine Agenda? "Die Auswahlkriterien sind von Fall zu Fall verschieden. Es gibt keinen von der ARD vorformulierten übergeordneten Anforderungskatalog", wird uns versichert.
Zufall oder nicht, der "Tatort" wird tatsächlich immer jünger. Ohne die elf eingangs genannten Kommissare liegt der Altersdurchschnitt aktuell nur noch bei 50 Jahren, und das scheint nur wie ein Anfang. Wie es in Zukunft für langjährige "Tatort"-Lieblinge wie die 63-jährige Ulrike Folkerts, die 70-jährige Corinna Harfouch oder den 67-jährigen Ulrich Tukur weitergeht, bleibt abzuwarten. Ob junge Ermittler den "Tatort" auch besser machen, müssen die Zuschauer entscheiden.
- Eigene Beobachtungen
- Anfrage an die ARD
- bmj.de: Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG)