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Ski-Expertin Grassl glaubt nicht an Rieschs Titelverteidigung


Ski Alpin
Gerg: "Mit der Verletzung wird Maria auf Dauer zu kämpfen haben"

Von t-online
Aktualisiert am 06.01.2012Lesedauer: 5 Min.
Ski-Expertin Hilde Grassl, geborene Gerg, (li.) mit Maria Höfl-Riesch in St. Leonhard.Vergrößern des Bildes
Ski-Expertin Hilde Grassl, geborene Gerg, (li.) mit Maria Höfl-Riesch in St. Leonhard. (Quelle: imago-images-bilder)

Das Interview führte Nils Tittizer

Die alpinen Skirennläufer sind gerade aus Übersee zurück und bereisen nun Europa. Während die deutschen Ski-Asse Maria Höfl-Riesch, Viktoria Rebensburg und Felix Neureuther Podestplätze jagen, schaut Hilde Grassl ganz genau hin. Die Slalom-Olympiasiegerin von Nagano 1998, besser bekannt unter ihrem Mädchennamen Hilde Gerg, ist als Co-Kommentatorin und Expertin ganz nah an den Athleten dran.

Im Interview mit t-online.de erklärt Grassl, warum Maria Höfl-Riesch in dieser Saison keine tragende Rolle mehr im Gesamtweltcup spielen wird, wer für den Ski-Star in die Bresche springen kann und wem sie am ehesten den Durchbruch im deutschen Team zutraut.

t-online.de: Frau Grassl, Felix Neureuther kommt nach seinen Knieproblemen immer besser in Fahrt. Beim Slalom in Alta Badia glänzt er mit einem dritten Platz. Was ist für ihn diese Saison drin?
Hilde Grassl: Es ist schön zu hören, dass er wieder fit ist, sein Knie hält und Felix sogar aufs Treppchen fahren kann. Zudem kommt er mit seinem neuen Material sehr gut zurecht. Wenn er seine Leistung konservieren kann bis zu dem Slalommonat der Herren im Januar, dann sind einige Podestplätze drin. Und wenn alles passt, durchaus auch ein bis zwei Siege.

Der Aufschwung im deutschen Männerteam, das jahrelang nur hinterhergefahren war, setzte sich auch in Südtirol fort. Fritz Dopfer konnte in dieser Saison schon beim Riesentorlauf auf einen dritten Rang fahren. Was trauen Sie ihm zu?
Das ist natürlich sensationell, was der Fritz in Amerika abgeliefert hat. Diese Leistung hat er mit nach Europa gebracht und weitere Top-Ergebnisse eingefahren. Die Zielsetzung wird sein, sich im Riesenslalom unter den Top 15 zu etablieren.

Einige Nachwuchsfahrer stehen zudem in den Startlöchern: Wer schafft hier den nächsten Schritt?
Das ist schwierig zu sagen, es ist einfach pistenabhängig. Bei den Speed-Fahrern war zu sehen, dass Tobias Stechert im Abschlusstraining in Gröden bereits auf den dritten Rang gefahren ist. Leider wurde das Rennen aufgrund des starken Windes abgebrochen. Auch ihm traue ich zu, sich unter den Top 15 festzufahren. Bei den Technik-Fahrern ist Stefan Luitz nur hauchdünn an seinem ersten Finale der besten 30 vorbeigeschrammt. Im Großen und Ganzen wird richtig gut gearbeitet. Da wächst eine Mannschaft heran. Das ist sehr schön zu sehen.

Maria Höfl-Riesch schied in Courchevelle im zweiten Lauf aus - auf dem zweiten Rang liegend, gehemmt durch eine Knieverletzung. Haben Sie nach dem Rennen mit ihr gesprochen?
Nein. Die Maria hat nach dem Rennen mit fast niemandem mehr gesprochen. Sie ist unter Tränen vom Hang abgereist und wollte ihr Knie untersuchen lassen.

Mittlerweile ist die Diagnose bekannt: Knorpel- und Knochenprellung.
Ja, richtig. Das hatte sie bereits zwischen den Läufen vermutet. Das ist sehr ärgerlich. Damit wird sie auf Dauer zu kämpfen haben.

Trauen Sie ihr trotz alledem eine Wiederholung des Gesamtweltcupsieg zu?
In dieser Saison wird es unheimlich schwer, Lindsey Vonn zu schlagen. Nur wer topfit und in Höchstform ist, kann sie schlagen. Das Thema Gesamtweltcup ist für Maria schon fast durch.

Wen zählen Sie in dieser Saison zu den heißesten Anwärterinnen auf den Gesamt-Weltcup?
Die Österreicherin Anna Fenninger ist sehr gut in den Speed-Disziplinen unterwegs. Da bin ich gespannt, wie sich das über die gesamte Saison hinweg entwickeln wird. Elisabeth Görgl ist auch sehr konstant. Und Viktoria Rebensburg würde ich auch zum Favoritenkreis zählen. Aber die Topfavoritin ist und bleibt Lindsey Vonn. Der Sieg führt nur über sie.

Höfl-Riesch wünscht sich mehr Rennen auf den Herren-Pisten - wie zuletzt auf der „Raubvogel“-Piste in Beaver Creek. Unter anderem träumt sie von einem Start auf der Streif in Kitzbühel. Was halten Sie davon?
Die Streif ist für die Damen nicht fahrbar. Auch nicht für die besten. Da fehlt einfach die Kraft - auch wenn es jede Rennfahrerin reizen würde. Nur bei einer normalen Präparierung, d.h. wenn die Piste nicht so vereist ist wie bei den Herren, und wenn die Veranstalter den Start unter die Mausefalle legen würde, wäre sie für die Damen auch fahrbar.

Lindsey Vonn fährt angeblich mit den ausrangierten Ski von Bode Miller. Machen die Herren-Ski den Unterschied?
Die Lindsey fährt ja schon seit geraumer Zeit mit Herren-Material. Wer wie sie die Abstimmung und die Kraft hat, ist mit Sicherheit im Vorteil.

Zurück zu Höfl-Riesch: Martina Ertl kritisierte jüngst die „offensive Vermarktung“ der bekanntesten deutschen Skifahrerin: „Ich weiß nicht, wie sie mit dem Druck umgehen wird, wenn es mal nicht so läuft“. Teilen Sie die Kritik?

Ich glaube, dass es keine wirkliche Kritik von Martina war. Sie meinte wohl eher, dass sie selbst nicht mit dem Druck hätte umgehen können. Die Entscheidung muss jede Läuferin für sich selbst treffen. Maria bewegt sich sehr gut in diesem Metier. Sie war schon immer ein Typ, der großem Druck Stand halten konnte. Dabei hat sie in den letzten drei Jahren immer wieder Höchstleistungen abgerufen und sich nach zwei schweren Verletzungen wieder zurückgekämpft. Und wenn es in dieser Saison mal nicht so gut läuft, muss man das nicht auf die Vermarktungsstrategie zurückführen. Im Rennsport kann es nicht immer nur bergauf gehen.

Dem deutschen Team gelang in der letzten Saison mit neun Weltcup-Siegen und 27 Podiumsplätzen die erfolgreichste Saison seit 13 Jahren. Wird dieser Erfolg zur Bürde?
Das kann sein. Es kommt immer darauf an, ob man sich daran misst. Man darf nicht immer die Vorsaison mit der aktuellen vergleichen. Lieber sollte man sich von Rennen zu Rennen konzentrieren. Und den Druck nicht von außen an sich ranlassen. Vor 13 Jahren war ich ja selbst noch aktiv. Damals hat Katja Seizinger einen Großteil der Siege eingefahren. Als sie verletzt ausfiel, wurde von Martina Ertl und mir erwartet, sie zu ersetzen. Das war allerdings nicht möglich. Der Sportler ist schließlich keine Maschine.

In der letzten Saison waren die Zugpferde vor allem Riesch und Viktoria Rebensburg. Der Kader der Damen hat viele Fahrerinnen, die letzte Saison in den Weltcup-Punkten landeten - wem trauen Sie diese Saison den Durchbruch zu?
Da gibt es einige von den renommierten Fahrerinnen, die den Durchbruch jetzt schaffen müssten. Gerade eine Fanny Chmelar, eine Katharina Dürr, oder Christina Geiger, die immer knapp an die Top 15 ranfahren. Aber da fehlt noch die Konstanz. Gerade in der Abfahrtsmannschaft schmerzt der verletzungsbedingte Ausfall von Gina Stechert sehr. Sie war auf dem besten Weg in die Top 15. Im Slalom und Riesenslalom schaut es bei Lena Dürr sehr gut aus. Sie wird sich vorne bestimmt festbeißen.

Trauen Sie ihr einen Podestplatz zu?
Ja, durchaus. Wenn die Startnummer stimmt und die Bedingungen, ist ein Podestplatz fällig!

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