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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erster Auftritt nach WM-Debakel So könnte Löw die Nationalelf ab heute umbauen
Zum ersten Mal wird sich Jogi Löw zum Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der WM äußern – und seine Pläne für die Zukunft erklären. Was bisher bekannt und zu erwarten ist.
Das Schweigen hat ein Ende: An diesem Mittwoch ab 12 Uhr wird Bundestrainer Jogi Löw in der Münchner Allianz-Arena seine Analyse der katastrophalen WM präsentieren. Es ist ein richtungsweisender Auftritt. Löw muss nicht nur gute Argumente liefern, er muss eine ganze Nation wieder von ihren besten Fußballern überzeugen.
Klar ist: Es wird um Tugenden wie Kampf und Leidenschaft gehen, die sein Team in Zukunft wieder auszeichnen sollen. Doch was ist sonst noch zu erwarten, vor allem personell? Denn Löw wird bei dieser Gelegenheit auch gleich seinen Kader für die anstehenden Spiele gegen Frankreich (6. September, Nations League) sowie Peru (9. September, Freundschaftsspiel) benennen. Spieler wie Kapitän Manuel Neuer, Real-Star Toni Kroos oder Leipzig-Stürmer Timo Werner sind weiterhin gesetzt, um sie herum wird sich die Mannschaft aber verändern.
Neue Taktik
Löw wird sich noch nicht festlegen wollen, doch sein relativ starres 4-2-3-1-System der vergangenen Jahre dürfte in Zukunft deutlich häufiger gegen andere Formationen ausgetauscht werden. Das Ziel: Die Nationalelf muss die Gegner wieder überraschen. In den internationalen Top-Ligen und auch bei der WM sind viele Teams längst auf eine flexible Abwehrkette mit drei Spielern im eigenen Ballbesitz und fünf Spielern bei gegnerischem Ballbesitz umgestiegen. Löw ließ dass auch im DFB-Team testen, besonders erfolgreich beim Confed Cup 2017. Bei der WM entschied er sich dann aber für Altbewährtes – und scheiterte.
Abwehr
Personell könnten in der Innenverteidigung Mats Hummels (wie aktuell beim FC Bayern) oder Jerome Boateng ihren Stammplatz verlieren. Niklas Süle (FC Bayern) und Jonathan Tah (Leverkusen) stehen als hoch talentierter Ersatz bereit, langfristig auch der zu Paris gewechselte Thilo Kehrer.
Die beiden Stammkräfte auf den Außenverteidiger-Positionen, Jonas Hector (Köln) und Joshua Kimmich (FC Bayern), stehen bei Löw aber weiter hoch im Kurs, hier geht es vor allem darum, Alternativen zu testen. Als Linksverteidiger könnte Philipp Max eine Chance bekommen, den Augsburger beobachtete Löw am vergangenen Samstag beim Duell mit Fortuna Düsseldorf. Auf dieser Seite könnte auch Hoffenheims Nico Schulz eine Option werden, rechts bietet sich derzeit vor allem Leipzigs Lukas Klostermann an.
Zentrales Mittelfeld
Das prominenteste Opfer des Umbaus könnte Sami Khedira werden. Er zeigte bei Juventus Turin zwar zum Saisonstart starke Leistungen, enttäuschte bei der WM aber komplett. Zuletzt rechnete er selbst mit einer Nicht-Nominierung und sagte: "Wenn es aktuell Bessere gibt, dann werde ich das akzeptieren, dafür habe ich Verständnis." Trotzdem rechnet er sich noch Chancen auf eine spätere Rückkehr im Hinblick auf die EM 2020 aus.
Dafür könnte Ilkay Gündogan (Manchester City) künftig zur Stammkraft werden, auch Sebastian Rudy (Schalke), Leon Goretzka (FC Bayern) und Emre Can (Juventus) winken mehr Einsatzzeiten. Ebenfalls im Fokus von Löw und seinem Trainerteam ist der erst 19 Jahre alte Leverkusener Kai Havertz.
Angriff
Nach dem Rücktritt von Mesut Özil wird es keinen klassischen Spielmacher mehr geben, ein anderer Spieler mit ähnlichen Fähigkeiten als Tor-Vorbereiter ist derzeit nicht in Sicht. Kommt Mario Götze beim BVB wieder in Form, könnte er die Lücke als zusätzlicher Mittelfeldspieler am ehesten füllen. Zuletzt schmorte er aber 90 Minuten auf der Bank und sucht weiter nach einer konstant guten Form.
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Bereits nach außen gedrungen ist ansonsten, dass Löw sich an Weltmeister Frankreich orientieren und mehr schnelle und dribbelstarke Spieler in der Offensive fördern will. Davon könnten Leroy Sané (Manchester City) und Julian Brandt (Leverkusen) profitieren, der bei der WM Pluspunkte als Joker sammeln konnte. Auch Marco Reus (BVB) dürfte in dieser Strategie eine wichtige Rolle spielen. Inwieweit Thomas Müller (FC Bayern) im neuen System noch einen Platz finden wird, ist offen. Für das Mannschaftsgefüge ist er aber wohl zu wichtig, als dass der Bundestrainer auf ihn verzichten könnte.
Ob es nach den Rücktritten von Mario Gomez (Stuttgart) und Sandro Wagner (FC Bayern) überhaupt noch einen klassischen Mittelstürmer geben wird, ist ebenso fraglich. Internationales Top-Niveau hat keiner der Kandidaten, Freiburgs Nils Petersen und Schalkes Mark Uth haben die größten Chancen.
- eigene Recherchen