t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeSportFußballWM

WM 2018 – Effenberg: Diese DFB-Spieler sollten über Rücktritt nachdenken


Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

WM-Debakel
Welche Spieler jetzt über ihren Rücktritt nachdenken sollten

MeinungDie Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 29.06.2018Lesedauer: 6 Min.
Thomas Müller geht nach der Ankunft der deutschen Nationalmannschaft auf dem Flughafen Frankfurt über das Rollfeld. Für Effenberg ist er einer der Kandidaten, die über ein Ende ihrer DFB-Karriere nachdenken sollten.Vergrößern des Bildes
Thomas Müller geht nach der Ankunft der deutschen Nationalmannschaft auf dem Flughafen Frankfurt über das Rollfeld. Für Effenberg ist er einer der Kandidaten, die über ein Ende ihrer DFB-Karriere nachdenken sollten. (Quelle: Ina Fassbender/dpa)

Nach dem WM-Aus der DFB-Elf wird vor allem über die Zukunft von Bundestrainer Löw diskutiert. t-online.de-Kolumnist Effenberg sieht allerdings noch ganz woanders Probleme: Im Trainerstab, bei den Spielern und beim DFB.

Das 0:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Südkorea war ein Sinnbild dessen, was seit Monaten nicht funktioniert hat. Es war eine Entwicklung, die sich in den Testspielen abgezeichnet hat. Ich habe schon vor dem Turnier gesagt, dass Joachim Löw und sein Trainerteam Entscheidungen getroffen haben, die ihnen um die Ohren fliegen können – und genauso ist es gekommen. Das betrifft insbesondere die Kaderzusammenstellung.

Löw stand offenbar unter falschem Einfluss

Doch auch beim Turnier haben Löw und sein Team viele Fehler gemacht. Ich habe die Aufstellung in weiten Teilen weder taktisch noch personell nachvollziehen können. Für mich war es vollkommen unverständlich, dass der Bundestrainer auf einen offensichtlich völlig verunsicherten Özil gesetzt hat – oder auch auf einen Khedira, der ebenso offenkundig weit von 100 Prozent entfernt ist.

Das Bitterste ist nach wie vor, dass die Nationalelf genau wusste, was auf sie zukommt – bei jedem Gegner. Trotzdem hat sie keine Lösungen gefunden. Die Schweden haben beim 3:0 gegen Mexiko in einer Hälfte mehr Chancen kreiert, als Deutschland im ganzen Turnier. Das Aus ist die knallharte Quittung dafür.

Löw sollte weitermachen – aber den Kader radikal verändern

Ich wünsche mir trotzdem, dass Joachim Löw weitermacht. Weil ich sage, dass es falsch wäre, alles auf seinen Schultern abzuladen. Er hat ein Team um sich herum, das ihm Ratschläge und Empfehlungen gibt – und die haben überhaupt nicht funktioniert. Es war wohl auch der falsche Einfluss. Löw sollte die Konsequenzen ziehen – nicht auf seine Person bezogen, sondern zum einen auf das Trainerteam und zum anderen auf den Kader, indem er beide radikal verändert.

Die Frage ist dann natürlich, ob die Spieler vielleicht so vernünftig sind, ihr Alter und ihre Leistungsstärke selbst richtig einzuschätzen und zu sagen: "Okay, ich wurde vor vier Jahren Weltmeister, jetzt haben wir eine katastrophale Leistung abgeliefert. Vielleicht ist es besser, wenn ich meine Karriere in der Nationalmannschaft beende." Oft ist es einfach auch vernünftig, wenn man lange Jahre auf hohem Niveau in der Champions League gespielt hat und dazu noch mit der Nationalmannschaft unterwegs war, sich auf den Verein zu konzentrieren.

Müller ist an einem Punkt, an dem er nachdenken muss

Das muss jeder für sich selbst rausfinden. Die Tendenz geht sicher dahin, dass diese Frage bei Khedira im Raum steht, bei Özil, bei Hummels und Boateng vielleicht auch. Im Sturm wirst du ohnehin Veränderungen vornehmen müssen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Gomez noch ein großes Turnier spielt.

Auch bei Müller ist das die große Frage. Klar ist für mich, dass ein Spieler nicht aus Sympathie, aufgrund seiner sportlichen Verdienste oder für die Vermarktung im Kader bleiben sollte. Thomas Müller spielt seit vielen Jahren auf allerhöchstem Niveau. Er ist jetzt in einem Alter, in dem man irgendwann der Belastung Tribut zollen muss – nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Ich glaube, dass er an einem Punkt ist, an dem er sich selbst hinterfragen muss, ob das noch das Perfekte für ihn ist. Vielleicht sollte er sagen: "Ich konzentriere mich jetzt auf den FC Bayern und will mit dem Verein noch mal die Champions League gewinnen. Dafür bündle ich all meine Kraft."

Für mich ist aber auch klar: Thomas Müller wird aus dem Loch wieder rauskommen – und ich hätte Verständnis, wenn er noch ein Turnier machen will oder sogar zwei.

Es muss nur in der sportlichen Leistung begründet sein, das ist wichtig. Zumal schon die Entscheidung gegen Sané für mich nicht auf rein sportlichen Gründen basierte. Der DFB kommt nur wieder hoch, wenn er den Kader aus rein sportlichen Gründen zusammenstellt. Dass man mit jemandem mal die WM gewonnen hat, ist kein Argument. Jetzt steht jeder auf dem Prüfstand – auch Thomas Müller.

Die Jungen müssen sich auf ihre Hausaufgaben konzentrieren

Wichtig ist dann natürlich auch, dass die Jungen ihre Lehren aus der Situation ziehen. Die wollen dann erst mal spektakuläre Dinge machen – sollten sich aber auf ihre Hausaufgaben konzentrieren und in die Zweikämpfe gehen. Ich fand das bei Kimmich gravierend. Oder Hector auf der anderen Seite – der unverständlicherweise extrem offensiv Rollen ausgefüllt hat, die ein Linksverteidiger normalerweise nicht ausfüllen sollte.

Da sind nach dem ersten Spiel gegen Mexiko offenbar jegliche Ansagen der Führungsspieler wie Hummels nicht angekommen. Und dann weißt du: Da liegt vieles im Argen bei der Nationalmannschaft. Das ist Fakt.

Es müssen viele Fragen an den DFB gestellt werden

Sie ist in das Turnier gegangen und die Verantwortlichen haben gesagt: "Der Kader ist besser als 2014." Dann liefern sie so ein Ergebnis ab. Das ist eine fatale Selbstüberschätzung.

Es müssen jetzt viele Fragen gestellt werden – gerade an den DFB. Warum sind die Stadien bei Länderspielen nicht mehr voll? Aufgrund ihres Ticketsystems – und weil sie sich abschotten. Das ist eine Entwicklung, die dazu beiträgt, dass man sich als Fan eher distanziert. Die Stimmung im eigenen Land war nicht so euphorisch wie bei Turnieren zuvor.

Was hat der Bürochef an der Seitenlinie zu suchen?

Der DFB ist der größte und einer der reichsten Sportfachverbände der Welt – aber es geht auch um ein Bild, das man in die Öffentlichkeit trägt. Das setzt sich aus vielen Kleinigkeiten zusammen und da hat der DFB einen deutlichen Imageschaden erlitten. Der Umgang mit den Spielern und der Öffentlichkeit nach den Fotos von Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Erdogan war komplett falsch, um nur ein Beispiel zu nennen.

Oder noch eines: Was bitteschön haben ein DFB-Bürochef Georg Behlau und Ulrich Voigt aus der Medienabteilung, die dann auf die Schweden losgegangen sind, in vorderster Linie bei der Nationalmannschaft zu suchen? Nichts. Das ist ein erbärmliches Bild, das auch die Funktionäre bei der WM abgegeben haben. Man kann mit den Spielern nicht zufrieden sein, aber man muss gerade auch die Funktionäre hinterfragen.

Der DFB muss seine Grundstruktur ändern

Die Leute, die da noch auf der Bank sitzen, die sind immer im Schatten. Die fühlen sich da auch wohl, weil sie die Kritik nicht abbekommen – aber die musst du jetzt da rausholen. Genau wie die Funktionäre. Nehmen wir Behlau und Voigt: Die hättest du nach dem Spiel sofort ins Auto setzen, zum Flughafen fahren und nach Hause schicken müssen.

Loading...
Loading...

Du musst einfach in der Grundstruktur des DFB einiges ändern, um wieder auf die Beine zu kommen. Das wollen die wahrscheinlich nicht hören, weil das meist Leute sind, die sich auf Teufel komm raus an ihrem Sessel festbeißen und versuchen, das nächste und das übernächste Turnier noch mitzunehmen.

Wie geht es nun spielerisch weiter?

Wir haben Typen auf dem Platz, aber ich erwarte von denen, dass sie die Ärmel hochkrempeln und auch mal nur über den Kampf ins Spiel kommen. Dass das aktuell nicht klappt, ist eine Entwicklung, die mir große Sorgen macht, weil es um die deutschen Grundtugenden geht: Einsatz, Leidenschaft und Kampf. Die Entwicklung begann Anfang der 2000er mit der Einführung der Nachwuchsleistungszentren, bei denen sie viel Wert gelegt haben auf schnelles Umschalten, Passspiel, Ballbesitz – aber offenbar die Zweikampfführung vergessen haben.

Ich lege mich fest: Kroatien kommt ins Finale

Da müssen wir wieder hinkommen. Die Spieler versuchen alles spielerisch zu lösen – aber das klappt nicht mehr. Spaniens Ramos, Brasiliens Casemiro oder die Kroaten: Du siehst es in den Augen der Spieler bei der Nationalhymne, dass sie bereit sind, über 90 oder 120 Minuten über ihre Grenzen hinauszugehen. Bei den Deutschen habe ich das nicht gesehen.

Ich lege mich deshalb auch fest und sage: Kroatien wird es ins Finale schaffen. Ich bin zumindest jetzt Kroatien-Fan. Die haben eine spielerisch, technisch und taktisch überragende Mannschaft, die aber auch kampfstark ist und einem richtig wehtun kann. Um Weltmeister zu werden, musst du das an den Tag legen. Die Kroaten haben jetzt die Tugenden, die eigentlich die deutsche Mannschaft ausgezeichnet hat.

Die deutschen Spieler haben jetzt zumindest genug Zeit, sich die Spiele anzuschauen und davon zu lernen.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website