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Belgrad-Kapitän Marko Marin: Darum erinnern wir uns gerne an den FC Bayern


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Ex-Nationalspieler
Belgrad-Kapitän Marin spricht über eine Bundesliga-Rückkehr

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 17.09.2019Lesedauer: 8 Min.
Führungsspieler: Marko Marin ist Mannschaftskapitän von Roter Stern Belgrad.Vergrößern des Bildes
Führungsspieler: Marko Marin ist Mannschaftskapitän von Roter Stern Belgrad. (Quelle: imago-images-bilder)

Der frühere Bundesligaspieler und DFB-Star über die Chancen von Roter Stern in München, besondere Erinnerungen an den FC Bayern, seine bewegte Karriere – und eine Bundesliga-Rückkehr.

Wenn der FC Bayern München am Mittwoch (ab 21 Uhr im Live-Ticker bei t-online.de) gegen Roter Stern Belgrad in die Gruppenphase der Champions League startet, wird beim Gegner ein bekanntes Gesicht auf dem Platz stehen: Ex-Nationalspieler Marko Marin ist Dreh- und Angelpunkt in der Offensive – und Mannschaftskapitän des serbischen Rekordmeisters.

Der Mittelfeldspieler hat bewegte Jahre hinter sich: Bundesliga-Debüt bei Borussia Mönchengladbach 2007 mit 18 Jahren, insgesamt 124 Bundesligaspiele, zwölf Tore und 44 Vorlagen für die Fohlen und später für Werder Bremen. Marin galt als Top-Talent, wurde Nationalspieler (16 Einsätze, ein Tor), absolvierte bei der WM 2010 in Südafrika zwei Gruppenspiele für das DFB-Team.

2012 wechselte Marin für acht Millionen Euro zum FC Chelsea – es begann eine Odyssee durch Europa. Denn die "Blues" liehen den "German Messi" immer wieder aus: FC Sevilla (2013/14), AC Florenz und RSC Anderlecht (2014/15), Trabzonspor (2015/16). 2016 schlug Olympiakos Piräus für drei Millionen Euro zu. Dort hielt es Marin zwei Jahre lang, im letzten Sommer wechselte er für 700.000 Euro nach Belgrad. Titel sammelte er überall: Zweimaliger Europa-League-Sieger (2013, 2014), griechischer Meister (2017), serbischer Meister (2019).


Im Interview mit t-online.de spricht Marin über die Chancen des Außenseiters gegen die Münchner, verrät, warum man sich in Serbien gerne an die Bayern erinnert – und erklärt, welcher Bundesliga-Klub ihn noch reizen würde.

t-online.de: Herr Marin, Ihr erstes Spiel gegen die Bayern war am 5. Mai 2007 – vor zwölf Jahren…

Marko Marin (30): Natürlich erinnere ich mich noch. Ein Heimspiel mit Gladbach, ich wurde zur Halbzeit eingewechselt. Vor allem erinnere ich mich aber an eins…

Ja?

Mehmet Scholl hat damals noch gespielt. Ich habe mir nämlich nach der Partie gleich sein Trikot gesichert (lacht). Er war immer einer meiner Lieblingsspieler.

Was würde denn der Marko Marin von 2019 dem Marko Marin von damals bei der Einwechslung mit auf den Weg geben?

Puh. Ich glaube, ich würde einfach sagen: Spiel genau so, wie Du es vorhast. Ich glaube nämlich, dass es kein so schlechtes Spiel von mir war in meinem zweiten Bundesligaspiel damals. Für einen jungen Spieler war es natürlich eine Riesensache, gegen Bayern eingewechselt zu werden, auch wenn wir damals schon abgestiegen waren. Das war trotzdem großartig, dass Trainer Jos Luhukay mir zum Ende der Saison noch ein paar Einsatzmöglichkeiten gegeben hat. Dafür bin ich heute noch dankbar.

Am Mittwoch geht es nun wieder gegen die Bayern. Wie stehen die Chancen von Roter Stern?

Wir müssen natürlich realistisch bleiben. Wir haben uns gerade erst das zweite Jahr in Folge für die Champions League qualifiziert, schon das ist für den Verein und für ganz Serbien eine Riesensache. Die Bayern haben dagegen das Ziel, die Champions League zu gewinnen. Daran sieht man ja schon, wer der Favorit ist (lacht). Aber wir haben auf jeden Fall aus der letzten Saison dazugelernt.

Damals hatten Sie gleich drei Hochkaräter in der Gruppe…

Genau. Den FC Liverpool, der dann später ja die Champions League gewonnen hat, Paris St. German und den SSC Neapel. Natürlich haben wir da auswärts noch viel Lehrgeld bezahlt (1:6 in Paris, 0:4 in Liverpool, Anm. d. Red.), für die meisten von uns war das alles ja komplett neu. Ich hoffe, dass wir uns da dieses Jahr besser präsentieren können. Zuhause aber ist das eine ganz andere Sache (lacht)…

Sie sprechen vom Hexenkessel im "Marakana" von Belgrad…

Das ist einfach unglaublich und schwer zu erklären.

Versuchen Sie es doch bitte.

Ich erinnere mich an die letzte Saison, als mich englische Journalisten vor unserem Heimspiel gegen Liverpool gefragt haben, was die Mannschaft bei uns erwartet. Die hatten zuhause ja 4:0 gegen uns gewonnen und dachten dann, sie kommen hierher und schießen uns nochmal ab.

Und was haben Sie geantwortet?

"Warten Sie nur ab!" (lacht) Denn die Atmosphäre im Stadion ist etwas ganz anderes. Die Stimmung, das Gefühl für die Spieler, durch diesen langen Tunnel auf das Spielfeld zu laufen…

… eine Eigenheit des Stadions…

Genau. Von der Kabine braucht man gefühlt zehn Minuten bis auf den Rasen (lacht). Der Tunnel wird immer länger und länger, und draußen hörst du die Fans schon schreien. Und die Liverpooler kamen hierher im Gedanken "Wir kommen ja von der Anfield Road, was soll uns schon beeindrucken?" – als sie aber durch den Tunnel liefen, da merkte man schon, wie beeindruckt sie waren. Als wir dann auch noch in Führung gingen und später auf 2:0 erhöhten, gab es endgültig kein Halten mehr. Das gibt es meiner Meinung nach in Europa kein zweites Mal.



Wie erlebt Ihre Mannschaft das selbst?

Die meisten unserer Spieler stammen aus der eigenen Jugend, für die gibt es nichts Größeres. Ich sage auch: Was unsere Generation gerade erlebt, gab es schon lange nicht mehr: Champions League, Spiele gegen große Gegner, vor ausverkauftem Haus. Wir haben ja auch schon acht Spiele absolviert in der Qualifikation, und das gegen einige namhafte Gegner.

Beispielsweise gegen den FC Kopenhagen oder Young Boys Bern…

Genau. Dass wir da die Qualifikation geschafft haben, ist für uns so viel wert wie ein Champions-League-Sieg für die Bayern.

Bei all der Fußballbegeisterung im Land: Welchen Stellenwert hat die Bundesliga? Sind es die Bayern, die den Fans dort in den Sinn kommen?

Ganz ehrlich? Über die Bayern wird bei uns sehr gerne gesprochen.

Das müssen Sie erklären!

Roter Stern hat 1991 die Champions League (damals noch Europapokal der Landesmeister, Anm. d. Red.) gewonnen – aber über das Halbfinale gegen die Bayern wird heute noch mehr gesprochen als über das Finale (lacht). Das 2:1 in München mit einem überragenden Dejan Savicevic, im Rückspiel dann führt man, dann drehen die Bayern das Spiel, haben noch einen Pfostentreffer, und in der Nachspielzeit trifft Klaus Augenthaler per Eigentor zum 2:2. Das Finale hat man dann auch noch irgendwie gewonnen im Elfmeterschießen (lacht), aber eigentlich spricht man hier nur über das Halbfinale gegen die Bayern. Aber auch die Bundesliga generell ist ein Thema, die wird hier viel geschaut, Spiele werden übertragen.

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José Holebas vom Premier-League-Klub FC Watford, wie Sie ein früherer Bundesligaspieler, hat kürzlich gesagt, "keiner will mehr nach Deutschland"…

Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Ich habe ja schon in vielen Ländern gespielt, und überall genießt die Bundesliga einen sehr hohen Stellenwert. Vielleicht sagen das ja auch nur Spieler, die selbst keine Chance haben, in der Bundesliga zu spielen (lacht). Man muss sich ja nur mal anschauen, wer dort alles spielt. Ein Coutinho ist ja nicht nur wegen des FC Bayern in die Bundesliga gewechselt. Solche Stars, die ihre Vereine im Grunde frei wählen können, entscheiden sich immer auch mit für die Liga.

Sie haben gerade schon Ihre eigene Karriere angesprochen. In jungen Jahren galten Sie als eines der größten deutschen Talente. Wie sind Sie damals damit umgegangen?

Gute Frage. Ich würde sagen: Ganz normal. Bei dem Spielrhythmus realisiert man ja auch nicht immer so, was um einen herum los ist. Ich habe mich immer eher darauf konzentriert, meine Leistung zu bringen. Aber natürlich ist es von außen betrachtet schon unglaublich, wie Spieler heute manchmal gehyped werden. Das kann ja auch negative Auswirkungen haben, und ich kann nachvollziehen, dass sich junge Spieler davon beeindrucken lassen.

Sie selbst wirken immer sehr bodenständig, hat Ihnen das geholfen?

Ja – aber auch das Umfeld ist sehr wichtig. Wenn dich die Menschen um dich herum immer nur loben, dann kann das gefährlich werden. Oder das Geld: Wenn ein Junge mit 18, 19 auf einmal so viel verdient – was will ein junger Mensch in dem Alter denn gerne machen? Die wollen dann natürlich auch mal feiern gehen – ich spreche hier von der Zeit nach einem Spiel. Davor ist das tabu, da muss man Profi sein. Aber heute fällt das alles dank Twitter oder Instagram sofort auf dich zurück, und am nächsten Tag steht es groß in der Zeitung. Das ist mir oft zuviel, was daraus gemacht wird.

Sie sind schon früh ins Ausland gewechselt und haben für einige Vereine mit großen Namen gespielt – beispielsweise für den FC Sevilla, für Olympiakos Piräus oder für Trabzonspor. Was haben Sie aus diesen Stationen mitgenommen?

Vieles – aber nicht nur Positives.

Was meinen Sie genau?

Ich bin beispielsweise nicht glücklich mit dem Jahr, als ich erst an den AC Florenz, dann an den RSC Anderlecht ausgeliehen wurde (2014/15, Marin war noch bei Chelsea unter Vertrag, Anm. d. Red.). Besonders Anderlecht: Ich komme dort hin, zu so einem traditionsreichen Klub, und dann spiele ich (…) ein paar Spiele, verletze mich, komme nicht mehr zum Einsatz.

Sie sprechen von der Meisterrunde in Belgien, in der Sie mit einem Muskelfaserriss ausfielen…

Genau. Ich fühle mich, als hätte ich dem Verein nichts gegeben. Man wollte um die Meisterschaft mitspielen, und ich wollte helfen. Das sind keine schönen Erinnerungen. Ich hätte den Fans dort gerne gezeigt, was ich kann.

Das haben Sie ja aber auf anderen Stationen.

Und das sind dann natürlich die positiven Erfahrungen, die man sich wünscht. Trabzon ist das beste Beispiel. Egal, wo ich hinreise – gefühlt bin ich schon an jedem Flughafen von irgendeinem Trabzonspor-Fan angesprochen worden (lacht). Beim türkischen Fußball denkt man ja zuerst an Galatasaray, Beşiktaş oder Fenerbahçe. Aber in Trabzon sind die Menschen mindestens genauso fußballverrückt, diese Leidenschaft ist ansteckend.

Und Sie konnten sich dort wieder auszeichnen.

Heute bin ich überzeugt: Der Wechsel nach Trabzon hat mich wieder zurück in die Spur gebracht. Ich war verletzungsfrei, konnte viel spielen (29 Spiele, zwei Tore, fünf Vorlagen, Anm. d. Red.). Davor ging es für mich bergab, das war aber mein Wendejahr. Der Verein und das Umfeld waren ein echter Glücksfall.

Noch mal ein Blick auf heute: In den acht Quali-Spielen zur Champions League haben Sie als Mannschaftskapitän mit einem Tor und zwei Vorlagen eine maßgebliche Rolle gespielt…

Ich würde sagen: Ich war noch nie zuvor für eine Mannschaft so wichtig wie heute. Gerade auch als Führungsspieler auf dem Platz und für unsere jungen Talente. Ich bin auch nicht mehr der Spielertyp wie früher, der nur auf Außen gewartet und dann das Dribbling gesucht hat (lacht), sondern mehr Spielgestalter. Aktuell könnte ich nicht zufriedener sein.

Bei allem Glück in Belgrad: Ist eine Bundesliga-Rückkehr doch noch mal ein Ziel?

Ein richtiges "Ziel" auf keinen Fall. Ich sage es ganz offen: Im Moment wäre ich nirgendwo lieber als hier. Ich will aber nach meiner Karriere nach Deutschland zurück und wieder in Frankfurt leben (Marin ist in Frankfurt aufgewachsen, Anm. d. Red.) – aber ich habe auch immer gesagt, dass ich als Kind zwei Traumvereine hatte: Roter Stern Belgrad – und Eintracht Frankfurt. Wenn es also zu einer Rückkehr in die Bundesliga kommen sollte, dann am liebsten zur Eintracht.

Damit würde sich der Kreis für Sie schließen...

Vielleicht wird es mir ja aber auch leicht gemacht, wenn wir mit Roter Stern als Gruppendritter in die Europa League kommen – und dort dann gegen Frankfurt spielen. Dann wäre mein Traum auch irgendwie erfüllt (lacht).

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