Champions-League-Drama um deutschen Torwart Karius: "Ich habe meine Mannschaft im Stich gelassen"
Das Drama um den deutschen Torwart Karius im Finale der Champions League: Oliver Kahn erklärt, wie der 24-Jährige sich in den nächsten Tagen fühlen wird. Wie geht es jetzt für Karius weiter?
Loris Karius wollte ganz schnell weg. Nichts mehr hören, nichts mehr sehen – der deutsche Keeper verschwand nach seinen zwei unfassbaren Blackouts beim 1:3 (0:0) im Champions-League-Finale gegen Titelverteidiger Real Madrid schnell im Bus des FC Liverpool.
Karius: "Ich fühle nichts"
"Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann würde ich es tun. Ich weiß, ich habe meine Mannschaft im Stich gelassen. Es ist sehr hart, aber so ist das Leben eines Torwarts", hatte Karius noch gesagt. Und beim britischen Radiosender "talkSport": "Es tut mir leid für jeden, im Team, im Klub, dass diese Fehler uns so teuer zu stehen kamen. Ich habe heute mein Spiel verloren, ich fühle nichts im Augenblick."
Liverpool-Teammanager Jürgen Klopp beim TV-Sender Sky: "Das wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht, das ist Wahnsinn, das ist ganz, ganz hart."
Welche Rolle spielte Sergio Ramos?
Was für ein Drama: Mit einem offenbar schlampigen Abwurf hatte Karius dem Franzosen Karim Benzema den Führungstreffer geradezu geschenkt. Beim dritten Treffer ließ der 24-Jährige einen 35-Meter-Schuss von Gareth Bale durch die Finger flutschen.
Das ZDF stieß später auf eine Szene, in der Real-Kapitän Sergio Ramos Karius mit dem Ellenbogen erwischte. Spielte das zwei Minuten später beim ersten Blackout eine Rolle? Verunsicherte ihn das so, dass es auch zum zweiten Patzer kommen konnte?
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Nach dem Spiel lag Karius minutenlang regungslos auf dem Platz. Das Schlimmste: Niemand kam, um ihn zu trösten – erst recht kein Mitspieler. War bei ihnen die Enttäuschung selbst zu groß? Waren sie womöglich selbst noch wütend auf ihren Torwart, der ihnen gerade die Chance ihres Lebens auf den Titel in der Champions League genommen hatte?
Nach einiger Zeit kamen zumindest Spieler von Real Madrid auf Karius zu, zunächst Gareth Bale, der ihm zwei Tore eingeschenkt hatte.
Dann weinte Karius bittere Tränen, als er den schweren Gang in die Liverpool-Kurve machte und sich entschuldigte. Es folgte eine quälend lange Medaillenzeremonie, ehe er kurz vor Mitternacht Ortszeit endlich diesen für ihn so düsteren Ort verlassen durfte.
Kahn: "So ein Abend kann eine Karriere zerstören"
Einer, der sich mit solchen Szenen aus eigener Erfahrung auskennt, ist der frühere Nationaltorhüter Oliver Kahn. Er hatte beispielsweise im Finale der WM 2002 gegen Brasilien mit einem Fehler die Niederlage eingeleitet. Gestern Abend war er als ZDF-Experte fassungslos: "Ich kann mich nicht dran erinnern, etwas Brutaleres für einen Torwart miterlebt zu haben, wie dieses Spiel für Karius. Es ist schwer zu beurteilen, ob er das wegstecken kann.“
Kahn weiter: "So ein Abend kann eine Karriere zerstören. Da kommt extrem viel Arbeit im mentalen Bereich auf ihn zu. Wie er sich heute fühlt, ist noch kein Vergleich dazu, wie es ihm morgen, übermorgen und in den nächsten Tagen gehen wird. Dieses Spiel wird ihn verfolgen. Auch wenn er überragend hält in der neuen Saison, wird es immer heißen: ‚Da hat er ganz gut gehalten, aber das ist doch der mit den Patzern im Champions-League-Finale.‘“
War es das letzte Spiel von Karius für Liverpool?
Wie geht es nun weiter? Weltenbummler und Kult-Torwart Lutz Pfannenstiel hatte vor kurzem eine Laudatio für Karius gehalten, als der zu einem "Botschafter des deutschen Fußballs" gekürt wurde. Nach dem Champions-League-Finale twitterte er: "Ich bin mir sicher, dass es das letzte Spiel von Karius für Liverpool war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fans ihm das verzeihen werden."
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Immerhin: Nach Spielschluss feierten ihn die Fans erstmal – trotz des geplatzten Titeltraums.
Pfannenstiel entdeckte wenig später auch, dass sich offenbar jemand zu einer widerlichen Aktion hinreißen hat lassen – und beim englischen Wikipedia-Eintrag zu Karius das Datum des gestrigen Finalspiels als Todesdatum eintrug. Mittlerweile ist der Eintrag wieder gelöscht.
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Karius hatte bereits den Spitznamen "Flutschfinger"
In Liverpool wird die Torwartdiskussionen trotzdem wieder neu entbrennen. Karius hatte bereits einen denkbar schlechten Start in Anfield. Für sechs Millionen Euro dank einer Ausstiegsklausel vom FSV Mainz verpflichtet, hatte Karius im Sommer 2016 in der Vorbereitung gleich einen Handbruch erlitten. Als er wieder fit war und ins Tor durfte, unterliefen ihm viele Fehler. Schnell hatte er den Spitznamen "Flutschfinger" weg. Klopp machte zwischenzeitlich Simon Mignolet zur Nummer eins, doch auch der Belgier war zu fehlerhaft.
Anfang des Jahres hatte Klopp seinen Landsmann wieder zur Nummer eins gemacht. In 32 Spielen stand dabei 16 Mal die Null. Doch das dürfte seit der traumatischen Nacht von Kiew nicht mehr zählen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und sid