Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.DFB in der Krise "Löw macht alles richtig – DFB-Bosse verstehen es nicht"
Vor dem WM-Finale legt sich Stefan Effenberg nicht nur auf den Gewinner fest: Er kritisiert Politiker, die sich zum DFB äußern – und erklärt, was Grindel und Bierhoff im Vergleich zu Löw falsch machen.
Der 24. August soll der Stichtag beim DFB sein. Bis dahin soll Bundestrainer Joachim Löw seine Analyse des WM-Debakels abgeschlossen haben. Jetzt können wir nur hoffen, dass es nicht so ist, wie oft in der Politik: Dass viel geredet wird, aber wenig passiert.
Löw macht derzeit alles richtig
Joachim Löws Entscheidung, als Bundestrainer weiterzumachen, war richtig – aber um ihn herum muss alles auf den Prüfstand – das habe ich bereits in meiner letzten Kolumne geschrieben. Und seitdem fühle ich mich darin bestätigt.
Denn auf der einen Seite macht es Löw genau richtig. Er zieht sich zurück, gibt keine Statements ab und arbeitet ganz akribisch daran, die Fehler zu erkennen. Er hat angekündigt, dass es gravierende Änderungen geben wird – und überlegt sich jetzt ganz genau, wie die aussehen werden.
Bierhoff und Grindel lenken ab
Auf der anderen Seite sind da DFB-Präsident Reinhard Grindel und Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff, die sich alles andere als vorbildlich verhalten. Sie versuchen weiter, Mesut Özil in die Schusslinie zu drängen und vorzuschieben, indem sie ihn beispielsweise zu einem Statement auffordern. Ich interpretiere das so, dass sie von den Problemen innerhalb des DFB ablenken wollen. Es sieht aus, als würden sie vor allem versuchen, ihre eigene Haut zu retten.
Ich hoffe, dass die Leute smart genug sind, das zu erkennen. Grindel und Bierhoff haben es offensichtlich nicht verstanden, wo es im deutschen Fußball wirklich hakt. Die Fotos von Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Erdogan waren sicherlich eine Last bei der WM – aber sie waren doch nur ein Bruchteil des Problems. Sie dürfen jetzt nach dem Turnier keine große Rolle mehr spielen – denn jetzt muss es um sportliche Dinge gehen.
Embed
Welche Berechtigung haben Politiker, sich zum Fußball zu äußern?
Dass es ein ganz schlechtes Krisenmanagement des DFB war, steht außer Frage. Dass nun aber auch diverse Politiker um die Ecke kommen und neue Leute an der DFB-Spitze fordern, halte ich für wenig hilfreich. Wenn sich Sportler politisch äußern, sollte man das nicht zwangsläufig zu ernst nehmen – und andersherum ist das genauso. Ich wüsste auch nicht, welche Berechtigung Politiker haben, sich dazu zu äußern.
Sie sollten sich vielleicht erstmal an die eigene Nase fassen. Die eiern selbst genug rum und sollten sich lieber darum kümmern, Probleme zu lösen. Es gibt genug, die schleunigst bewältigt werden müssten. Gerade in letzter Zeit war die Politik kein großes Vorbild, was gute Lösungen und schnelle Entscheidungen angeht. Es hat jetzt den Anschein, dass es beim DFB gerade abläuft wie in der Politik. Trotzdem sollte man das strikt trennen. Dass die eine Seite sich bei der anderen einmischt – davon bin ich überhaupt kein Freund.
Du musst beim deutschen Fußball an der Wurzel ansetzen
Zurück zum Fußball: Die Engländer und auch die Franzosen haben Jahre oder sogar Jahrzehnte gebraucht, um wieder dahin zu kommen, wo sie heute sind. Und diese Zeit muss sich der DFB auch nehmen. Du musst nicht bei null anfangen, weil du eine hohe Qualität hast. Trotzdem musst du an der Wurzel ansetzen. Und das ist für mich die Ausbildung der Fußballlehrer, die ich selbst durchlaufen habe. Da muss man ab sofort drastische Änderungen vornehmen.
Die Deutschen haben gezeigt: Wir wollen keine Zweikämpfe
Es kann nicht sein, dass du nach zehn Monaten intensiver Ausbildung zu Hause vor deinem Schrank mit den ganzen Ordnern stehst und feststellst: So oft standest du gar nicht auf dem Platz. 20 Prozent waren Praxis und 80 Prozent Theorie. Ganz klar: Du darfst die Theorie nicht vergessen. Aber sie darf nicht alles überlagern. Das ist die Wurzel des Übels.
Auch die weiterbildenden Lehrgänge, die man anschließend besucht, haben mit Trainingsinhalten und Neuerungen für die alltägliche Arbeit auf dem Platz nicht viel zu tun. Stattdessen geht es wieder viel um Theorie – zum Beispiel darum, wie Vereine strukturiert sind. Weniger thematisiert wird der Kern der Arbeit, also das Training auf dem Platz.
Wenn du nur noch versuchst, Spieler mit Videoanalysen und Gesprächen zu trainieren, dann läuft etwas schief. Im Fußball sind Zweikämpfe entscheidend und diese werden aktuell gar nicht mehr trainiert. Wie furchtbar war es, sich die Spanier bei der WM anzuschauen? Es heißt immer, dass die technisch so wahnsinnig stark sind, aber die kamen gar nicht zum Abschluss. Die deutsche und auch die argentinische Mannschaft hatten das gleiche Problem. Nur mit Kombinationen und Ballbesitz funktioniert es nicht. Da lachen sich mittlerweile Nationen kaputt, die auf Platz 50 der Weltrangliste stehen. Die Deutschen haben gezeigt: Wir wollen keine Zweikämpfe führen – aber genau das ist Fußball-ABC. Man muss die Art und Weise ändern, wie man Fußball spielt.
Ich lege mich fest, wer Weltmeister wird
Ich habe mich nach der Vorrunde festgelegt, dass Kroatien ins Finale kommt. Sie beherrschen diese Grundtugenden. Die wollen jeden Zweikampf führen und darüber hinaus auch gewinnen, die sind giftig und bereit, sich aufzuopfern. Die Deutschen versuchen, einen Zweikampf zu stellen – gehen aber nicht wirklich aktiv rein. Die Kroaten zeigen auch eine Mega-Moral, selbst in der dritten Verlängerung des Turniers gegen England. Das ist für mich Fußball. Sie stehen deshalb absolut verdient im Finale. Und ich lege mich auch jetzt fest und sage: Kroatien wird Weltmeister.
Sie haben natürlich kleine Nachteile. Sie mussten eben dreimal in die Verlängerung. Die Franzosen nicht. Die haben auch noch 24 Stunden mehr Ruhezeit gehabt, weil sie schon am Dienstag gespielt haben. Und sie sind vielleicht auch ein bisschen filigraner. Das alles sind aber keine psychologischen Vorteile. Diese sehe ich auf der Seite der Kroaten. Die können etwas Unfassbares schaffen. Die werden sich sicher nicht damit zufrieden geben, als Zweitplatzierte mit der Medaille um den Hals, aber ohne den Pokal nach Hause zu kommen und sich dafür feiern zu lassen. Wenn man die Spielertypen sieht, wie sie ihre Hymne singen, wie sie im Tunnel sind und sich fokussieren – dann ist das die absolute Überzeugung und perfekte Körpersprache, um auch das Finale zu gewinnen.
Mandžukić ist für mich ein Weltfußballer-Kandidat
Selbst wenn man als Zuschauer in der 70. Minute denkt, dass sie erschöpft sind, legen sie noch mal eine Schippe drauf. Eine unfassbare Kampfkraft. aber die spielen einen anderen Fußball. Kroatien ist dazu noch klar strukturiert: Einfache Bälle, eine überragende Schaltzentrale mit Modrić und Rakitić. Ich drücke ihnen die Daumen.
Die Spieler an sich sind einfach auch klasse. Wenn man so einen Rebić sieht: Der wird mit Sicherheit bei einem absoluten Topklub landen. Den würde ich als großer Verein sofort haben wollen. Oder Mandžukić: Ich habe nie verstanden, warum Bayern ihn abgegeben hat. Mandžukić gehört für mich zu den drei besten Stürmern der Welt. Er ruht sich vorne nicht aus wie ein klassischer Stürmer. Er arbeitet für die Mannschaft und macht auch noch das goldene Tor gegen England. Wenn er nicht so alt wäre, müsste er einen Marktwert von 200 Millionen Euro haben. Den würde ich zehn Mal lieber nehmen als einen Neymar. Wenn Mandžukić gegen Frankreich so spielt wie gegen England, dann ist er für mich auch ein Kandidat als Weltfußballer.
Sowieso: Für mich ist klar, dass entweder ein Kroate oder ein Franzose Weltfußballer werden sollte. Bei Kroatien vielleicht ein Modrić oder Mandžukić. Bei Frankreich vielleicht ein Mbappé. Der ist 19 Jahre alt, aber er spielt eine sensationelle WM.
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“