Politiker gehen auf DFB-Spitze los Wie lange halten Grindel und Bierhoff dem Druck Stand?
Die Debatte um den Umgang des DFB mit dem Fall Mesut Özil wird immer heftiger. Längst hat sie die Politik erreicht. Es gibt neue, scharfe Kritik an Bierhoff und Grindel.
"Verbandsinterne Feigheit" und "Rot für Nachtreten": Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit Präsident Reinhard Grindel und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff an der Spitze gerät in der Causa Mesut Özil immer stärker in die Kritik. Wie lange halten die Bosse dem Druck noch Stand?
Özdemir: "Grindel und Bierhoff hauen weiter in die Kerbe"
Grünen-Politiker Cem Özdemir warf dem DFB "verbandsinterne Feigheit" vor, Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm stellte sich an die Seite seines ehemaligen Mitspielers, und Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), forderte Grindel sowie Bierhoff zum Rücktritt auf.
"Statt sich jetzt entschlossen gegen die leider auch eindeutig rassistisch grundierte Kritik zu stemmen, hauen die Protagonisten Grindel und Bierhoff noch tiefer in die Kerbe der Özil-Kritik", schrieb Özdemir in einem Beitrag für die Wochenzeitung Die Zeit.
"Wir brauchen einen Neustart beim DFB"
Özils Foto mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sei ein "schwerwiegender Missgriff" gewesen, ergänzte er. Doch dieses "unmögliche Agieren" entschuldige in keiner Weise das Verhalten des DFB. Seit Wochen werde Özil zum Sündenbock gemacht, jeder einzelne DFB-Funktionär kämpfe dabei "ums eigene Überleben".
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Dabei laufe der Verband Gefahr, "die Philosophie der Nationalmannschaft (...) zu verspielen". Özdemir forderte: "Wir brauchen dringend einen sportpolitischen Neustart beim DFB, gerne mit neuen Gesichtern, aber hoffentlich mit Mesut Özil."
Auch Lahm kritisiert den DFB
Wie das aussehen könnte, führte ZMD-Chef Mazyek beim amerikanischen Sender ESPN aus. "Nachtreten wird im Sport mit einer Roten Karte bestraft", sagte er: "Bierhoff und Grindel müssen zurücktreten, wenn sie in ihrer langen Karriere nichts anderes gelernt haben als 'Man verliert als Özil' statt 'Man verliert als Mannschaft'."
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wundert sich im Interview der "Zeit" über die Kommunikation: "Irgendjemand beim DFB, in dem lauter kluge und hochbezahlte Leute sind, hätte dafür sorgen müssen, dass das nicht so eskaliert."
Auch Lahm, immerhin DFB-Botschafter für die EM 2024, mahnte Konsequenzen an: "Die Frage ist: Hat man allen Spielern immer genau aufgezeigt, wofür man steht? In Zukunft muss das jedenfalls so sein, finde ich." Die Vermittlung der Werte des DFB "hätte man sicher besser machen können".
Mertesacker bietet Özil Hilfe an
Lahm ließ in der Zeit durchblicken, dass ihm Bierhoffs viel kritisierte Äußerungen zu Özil missfielen. "Jetzt ist die Zeit zu analysieren: die Leistungen auf dem Platz, den Umgang mit dieser Affäre. Und danach muss man mit seiner Haltung an die Öffentlichkeit gehen. Das wäre die richtige Aufarbeitung", sagte er und nahm Özil in Schutz. Dieser habe sich "innerhalb der Mannschaft immer tadellos verhalten".
In Per Mertesacker bot Özil ein weiterer Rio-Held Hilfe an. "Er weiß, dass er mich jederzeit anrufen und auf mich zählen kann", sagte er bei NDR2. Alles an Özil festzumachen, sei "falsch", betonte Mertesacker.
Matthäus und Hitzfeld: DFB hat Schuld
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sieht ebenfalls Versäumnisse beim Verband. Dieser hätte Özil "schon vor der WM auffordern müssen, sich zu äußern", sagte er dem SID: "So war es ein Thema während der ganzen WM, Schuld daran ist der DFB."
Trainerlegende Ottmar Hitzfeld sagte dem Sportbuzzer, der DFB hätte Özil und auch Ilkay Gündogan schützen müssen, indem er bei der WM in Russland auf sie verzichtet hätte. Das Duo habe beim Turnier "unter gewaltigem Druck" gestanden: "Das war sicher nicht förderlich."
- Nachrichtenagenturen dpa, sid
- Hitzfeld-Interview beim "Sportbuzzer"
- Özdemir-Gastbeitrag in der "Zeit"
- Eigene Recherche