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Fußball | FC Bayern: Das Dilemma zwischen Thomas Tuchel und den Bossen


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Unruhe in München
Dieser Konflikt steckt hinter Bayerns Verletzungsdilemma


Aktualisiert am 28.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Thomas Tuchel: Der Trainer des FC Bayern muss Serge Gnabry ersetzen.Vergrößern des Bildes
Thomas Tuchel: Der Trainer des FC Bayern muss Serge Gnabry ersetzen. (Quelle: IMAGO)
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Die Verletzungsmisere führt den Bossen des FC Bayern genau die Lücken im Kader vor Augen, vor denen Tuchel mehrfach gewarnt hat. Das könnte Folgen haben.

Vom FC Bayern berichtet Julian Buhl

Mit der Man-of-the-Match-Trophäe in der Hand stand Leon Goretzka in den Katakomben des Preußenstadions. Geduldig erklärte der soeben zum Spieler des Spiels Gekürte dort das Zustandekommen dieser Auszeichnung nach dem 4:0-Erfolgs des FC Bayern in der ersten Runde des DFB-Pokals in Münster.

Die stand in engem Zusammenhang mit der Verletzungsmisere, die den Rekordmeister schon vor der Partie ereilt hatte und dabei auch irgendwie symbolisch für das Dilemma, in dem die Bayern momentan stecken. Weil in Matthijs de Ligt (Knieprobleme), Min-jae Kim (Schlag auf Oberschenkel) sowie Dayot Upamecano (Adduktorenprobleme) gleich alle drei etatmäßigen Innenverteidiger ausfielen, war Trainer Thomas Tuchel bei der Besetzung seiner Abwehr nämlich gezwungen, zu improvisieren.

Tuchel entschied sich dazu, Leon Goretzka aus dem Mittelfeld in die Abwehrmitte zurückzuziehen. An seine Seite beorderte er den eigentlichen Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui.

Tuchel: "Hoffe nicht, dass wir es noch einmal probieren müssen"

Goretzka brauchte ein paar Minuten, um sich als Notlösung auf der ungewohnten Position in der Innenverteidigung zurechtzufinden. Zu Beginn leistete er sich direkt ein kleines Missverständnis mit Daniel Peretz, der sein Debüt für Bayern im Tor feierte. Der DFB-Star steigerte sich aber schnell. Mit seinen zahlreichen Vorstößen sorgte er immer wieder für Gefahr. Nachdem er selbst fast per Kopf getroffen hätte (39.), bereitete er Konrad Laimers Kopfball-Lupfertor zum 2:0 mit einem perfekt getimten langen Ball vor.

"Es war tatsächlich für einige von uns eine neue Position, aber dafür haben wir es super gelöst", sagte Goretzka hinterher. Auch Tuchel war mit der Notbesetzung seiner Abwehr zufrieden. "Ich hoffe nicht, dass wir es noch einmal probieren müssen. Das würde bedeuten, dass wir wieder Personalnot haben", sagte der Chefcoach trotzdem. "Hoffentlich können wir darauf verzichten, aber sie (Goretzka und Mazraoui; d. Red.) haben es gut angenommen."

Bayern ist momentan nur bedingt abwehrbereit

Im schon am Samstag anstehenden Topspiel bei RB Leipzig will Tuchel möglichst auf weitere Experimente verzichten. Allerdings ist seine Defensive dabei – Stand jetzt – weiter nur bedingt abwehrbereit.

"Ich hoffe sowohl bei Thomas Müller als auch bei Min-jae Kim und bei Dayot Upamecano, dass es reicht bis Samstag", sagte Tuchel. Auch auf Vizekapitän Müller (Adduktorenzerrung) hatte er in Münster kurzfristig verzichten müssen. "Aber es wird ein knappes Rennen, das wir da zu absolvieren haben, dass wir sie fit bekommen. Aber es ist realistisch, es ist machbar."

Für de Ligt kommt ein Einsatz am Wochenende dagegen definitiv noch zu früh. Der Niederländer werde frühestens in der kommenden Woche wieder zur Verfügung stehen, sagte Tuchel. Definitiv länger ausfallen wird Serge Gnabry. Der deutsche Nationalspieler zog sich zu allem Überfluss in Münster eine Fraktur der Elle im linken Unterarm zu und fehlt damit nun mehrere Wochen.

Der im Sommer runderneuerte Kader des FC Bayern stößt also bereits nach dem ersten Pokalspiel an seine Grenzen. Gnabrys Ausfall ist für die Bayern noch am ehesten zu verschmerzen. Denn die Offensivabteilung der Münchner bietet noch derart viele hochkarätige Alternativen, dass der Nationalspieler zuletzt ohnehin eigentlich nur Ersatz war. Mathys Tel konnte sich bei seiner Startelfchance im Pokal mit seinem insgesamt fünften Treffer sowie seiner zweiten Vorlage zum Beispiel erneut für höhere Aufgaben empfehlen.

Bayerns heikle Kaderfrage

"Vorne sind wir auf jeder Position doppelt besetzt, haben dort sehr hohes Niveau", sagte Tuchel erst vergangene Woche dem Schweizer Pay-TV-Sender Blue+, als ihm im Rahmen des Champions-League-Spiels gegen Manchester United (4:3) mal wieder die heikle Frage zur Bewertung der Kaderplanung des FC Bayern gestellt wurde. "Auf der Sechs und in der Abwehr wird es ein bisschen dünner. Und wir müssen schauen, dass wir die Spieler wie ein rohes Ei behandeln, damit sie ohne Verletzung durchkommen."

Nicht mal eine Woche später trat das, was Tuchel befürchtete, nun mit dem Totalausfall seiner gesamten Abwehr ein. Zur Erinnerung: Der Trainer hatte in den vergangenen Wochen bereits mehrfach beklagt, dass ihm sein Kader an gewissen Stellen zu dünn sei.

Nicht ohne Grund hatte er in der Transferperiode noch auf die Verpflichtung eines flexibel einsetzbaren Rechtsverteidigers sowie eines Sechsers gedrängt. Beide Wünsche konnten oder wollten ihm die Bayern-Bosse am Ende aber nicht mehr erfüllen. Der angepeilte Last-Minute-Transfer des Portugiesen João Palhinha platzte im letzten Moment am Veto seines Klubs FC Fulham.

Gleichzeitig wurden im Sommer aber mit Benjamin Pavard (für 30 Millionen Euro zu Inter Mailand), Josip Stanišić (Leihe zu Leverkusen) und Lucas Hernández (für 45 Millionen zu Paris Saint-Germain) gleich drei Abwehrspieler abgegeben.

Dieser Konflikt schwelt beim FC Bayern

Seitdem schwelt bei Bayern ein Konflikt, denn die Klubbosse und Tuchel waren sich uneinig bei der Frage, ob der Kader tatsächlich überhaupt noch weitere Verstärkungen benötigt.

"Mit dem Kader, den wir haben, kann man erwarten, dass man so einen Fußball zelebriert", frohlockte Uli Hoeneß so am Sonntag beim Klub-Besuch des Oktoberfests nach der 7:0-Gala gegen den VfL Bochum freilich auch nicht ganz ohne Hintergedanken. "Denn das war gestern Fußball von allerhöchster Qualität." Seine gar nicht mal so versteckte Botschaft an Tuchel lautete: Schau her, es geht doch auch so – und zwar ohne zusätzliche neue Spieler.

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"Das Thema Kaderplanung birgt weiter Konfliktpotenzial zwischen Tuchel und der Klubführung", schrieb Stefan Effenberg zuletzt in seiner Kolumne für t-online. "Das ging hin und her. Erst hat er sich geäußert. Dann kam natürlich eine Antwort."

Effenberg: "Tuchel wurde eingenordet"

Bis der Coach vor knapp zwei Wochen zu einem Gespräch mit den Verantwortlichen gebeten wurde. Dabei teilten die ihm mit, dass ihnen seine wiederholt negativen Äußerungen zum Kader sowie seine bisweilen ratlos wirkenden Auftritte nach schwächeren Spielen seiner Mannschaft missfallen. Der Tenor: Tuchel soll sich da zukünftig etwas zurückhalten und in der Öffentlichkeit positiver auftreten.

"In der Länderspielpause wurde Tuchel dem Vernehmen nach da nun ein wenig eingenordet", schreibt Effenberg und kommt zu dem Schluss: "Tuchel muss jetzt liefern. Mit diesem Kader, der nach wie vor knapp eine Milliarde Euro wert ist, muss er etwas erreichen." Auch im Mittelfeld habe er "genügend Optionen und Spieler mit hoher Spielintelligenz".

Die Verletzungsmisere der Bayern gibt Tuchel im Zwist mit den Bossen nun allerdings schneller recht, als ihm das wohl lieb gewesen wäre und führt seinen Vorgesetzten die Problematik deutlich vor Augen.

Es ist jetzt nämlich genau der Worst Case eingetreten, vor dem Tuchel bereits mehrfach gewarnt hatte. "Es geht es gar nicht darum, ob ich mich jetzt bestätigt fühle oder irgendjemand recht hat oder nicht", sagte er beim Pokalspiel darauf angesprochen äußerst diplomatisch dem ZDF. "Es geht immer nur darum, das Beste für den Verein zu finden."

"Eine Challenge": Freund kündigt Wintertransfers an

Nach dem Spiel suchte Hoeneß, der nach Münster mitgereist war, die Bayern-Kabine in den Katakomben des Stadions auf. "Er ist sehr, sehr happy, wie die Mannschaft gerade auftritt. Es macht Spaß, zuzuschauen", sagte Sportdirektor Christoph Freund über die Stimmungslage des Ehrenpräsidenten.

Der lief dann an Goretzka vorbei zu Tuchel und die beiden unterhielten sich lange. Man kann davon ausgehen, dass es dabei auch darum ging, wie sehr die aktuelle Verletzungsmisere dem Kader des FC Bayern zugesetzt hat.

"Wir diskutieren, wo wir uns im Winter verbessern können und Handlungsbedarf haben", verriet Freund bereits. Einfach werde die Suche nach Verstärkungen aber nicht. "Es muss zur Mannschaft passen. Wir werden schon die richtigen Lösungen finden. Es ist sicherlich eine Challenge."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherche
  • Interview von Christoph Freund im ZDF am 26. September
  • Interview von Thomas Tuchel im ZDF am 26. September
  • Interview von Thomas Tuchel bei Blue+ am 20. September
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