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Effenberg: Nagelsmann muss aus dem Bayern-Aus jetzt seine Lehren ziehen


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Nagelsmann beim DFB
Darüber kann man nur den Kopf schütteln

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

22.09.2023Lesedauer: 5 Min.
DFB-Präsident Neuendorf, Neu-Bundestrainer Nagelsmann, Direktor Völler (v. li.): Die Verbandsspitze gab zuletzt nicht immer den besten Eindruck ab.Vergrößern des Bildes
DFB-Präsident Neuendorf, Neu-Bundestrainer Nagelsmann, Direktor Völler (v. li.): Die Verbandsspitze gab zuletzt nicht immer den besten Eindruck ab. (Quelle: Michael Probst/ap)

Julian Nagelsmann ergreift als neuer Bundestrainer eine große Chance. Das birgt auch Risiken. Über den DFB kann man trotzdem nur den Kopf schütteln.

Der DFB hat mit Julian Nagelsmann nun eine Antwort auf die Bundestrainerfrage gefunden. Endlich. Eine zeitnahe Entscheidung zu treffen, war wichtig, damit die Nationalspieler wissen, woran sie sind. Und auch, damit kein weiterer Unmut bei den Fans aufkommt. Der Bundestrainerposten ist das höchste Amt, das du im deutschen Profifußball ausüben kannst. Wenn du diese Möglichkeit bekommst und dann zögerst, kommt das nicht gut an und stößt auf Unverständnis.

Wir sollten uns jetzt alle zurücknehmen und ihn einfach mal in Ruhe arbeiten lassen. Diese Chance hat er verdient. Wie ihm das gelingt, werden wir alle mit großem Interesse beobachten. Und zwar schon bei den nächsten beiden Länderspielen in den USA. Denn der Kader, den er dafür nominieren wird, wird mit Blick auf die Heim-EM in neun Monaten schon mitentscheidend sein. Dafür musst du dein Team jetzt nämlich eigentlich schon zusammenhaben.

Nagelsmann hat grundsätzlich sehr wohl die nötige Qualität und Qualifikation für die Aufgabe. Er hat schon jahrelang in der Bundesliga gearbeitet, mit vielen Nationalspielern in Hoffenheim, Leipzig und München. Hoffenheim hat er damals im Abstiegskampf übernommen und stabilisiert, Leipzig danach eindrucksvoll bis ins Halbfinale der Champions League geführt. Bei Bayern München lief es nicht so, wie sich das alle gewünscht hätten.

Daraus muss Nagelsmann seine Lehren ziehen

Beim Rekordmeister ist er im März ausgeschieden und hat sich in den vergangenen sechs Monaten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dabei hat er alles genau reflektiert, auch die Gründe für sein Aus bei Bayern. Daraus muss er jetzt seine Lehren ziehen. Wenn er das schafft, wird er jetzt beim nächsten Schritt mit der Nationalelf auch erfolgreich sein.

Dass man sich zunächst auf eine nur bis zur EM befristete Zusammenarbeit verständigt hat, ist das, was beide Seiten wollten. Nagelsmanns Planung danach ist eine andere und geht wohl eher wieder in Richtung Vereinstrainer. Es ist eine große Ehre für ihn, jetzt diese Chance zu bekommen. Sie ist aber auch mit Risiken für ihn verbunden.

Bei seiner Vorstellung hat Nagelsmann einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Du spürst die Freude und das Feuer bei ihm. Es ist schließlich eine riesengroße Möglichkeit, die Nationalelf an der Spitze als Bundestrainer zur EM im eigenen Land zu führen. Diese Chance, in so jungen Jahren, mit 36, zu bekommen, ist außergewöhnlich.

Nagelsmann vermittelt Euphorie

Nagelsmann vermittelt genau die Euphorie, die du jetzt entfachen musst, damit endlich Begeisterung für die Heim-EM entsteht und alle im Sommer die Fernseher dafür einschalten. Entscheidend ist aber, was Nagelsmann mit der Nationalelf dort abliefert. Jetzt sind auch die Nationalspieler gefragt.

Die nötige positive Grund- und Anfangsstimmung ist jetzt vorhanden. Ich hoffe, dass das jetzt auch endlich auf den Weg zur EM gebracht wird. Es wird sehr spannend und mega interessant, wie das jetzt mit Nagelsmann funktioniert. Ich wünsche ihm das Beste und vor allem, dass er mit der Nationalelf erfolgreich ist.

Der DFB kommt nicht zur Ruhe

Die Bundestrainerfrage ist also geklärt. Der DFB kommt aber trotzdem einfach nicht zur Ruhe. Denn nach der Verpflichtung von Andreas Rettig als neuem Geschäftsführer Sport sind Oliver Mintzlaff und Karl-Heinz Rummenigge aus der DFB-Taskforce zurückgetreten. Das kann ich total nachvollziehen.

Jeder weiß, dass Rettig derjenige ist, der die kleinen Klubs unterstützt und es ungerecht und unfair findet, was die Großen machen. Und wenn Leute wie Rummenigge und Mintzlaff bei solchen Entscheidungen nicht miteinbezogen werden, sondern davon aus den Medien erfahren, dann wundert es mich nicht, dass sie diese Konsequenzen daraus gezogen haben. Wenn du solche Leute im Team hast, musst du ihnen auch vertrauen. Mehr Fachkompetenz als Rummenigge geht ja gar nicht. Aber mit ihm, Mintzlaff und zuvor bereits Oliver Kahn sind jetzt bereits drei Mitglieder nicht mehr dabei.

Man kann über den DFB nur den Kopf schütteln

Es ist das nächste Kapitel beim DFB, worüber man nur den Kopf schütteln kann und fragen muss, wie die Verantwortlichen dort überhaupt arbeiten. Du kannst das dann auch öffentlich nicht so abtun, als wäre das eine Nullachtfünfzehn-Entscheidung. Da hat das Präsidium um Bernd Neuendorf und Hans-Joachim Watzke keine gute Figur abgegeben.

Der DFB gibt insgesamt ein absolut unglückliches Bild ab – wieder einmal. Sie lernen einfach nicht dazu. Die Verantwortlichen sollten nicht vergessen, dass so etwas sehr wohl auch bei den Fans ganz genau registriert wird. Das unterschätzt der DFB.

Durch die Rücktritte sieht man, wie schwierig die Gesamtsituation ist. Es ist wichtig, dass Rettig jetzt dafür sorgt, dass man wieder aufeinander zugeht. Er ist eine kontroverse Figur, sieht gewisse Dinge anders. Man darf aber auch nicht vergessen, wo er herkommt. Er war unter anderem schon bei Bayer Leverkusen tätig, einem Konzernklub. Dann ist es schon schwierig, genau in diese Richtung mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Er muss es jetzt schaffen, die Türen wieder zu öffnen und entsprechende Gespräche zu führen. Wenn das nicht gelingt, wird es in Zukunft problematisch. Wenn die Nationalelf jetzt alles gewinnt, ihre Gegner an die Wand spielt, Euphorie entfacht und ein super Turnier spielt, ist alles gut. Genau das brauchen die Verantwortlichen jetzt aber auch. Wenn nicht, dann müssen nämlich diejenigen hinterfragt werden, die akuell diese Entscheidungen getroffen haben.

Diese Probleme muss Bayern jetzt lösen

Fußball wurde in dieser Woche auch gespielt. Der FC Bayern hat am ersten Champions-League-Spieltag mit 4:3 gegen Manchester United gewonnen. Das Ergebnis täuscht etwas, denn der Sieg war hochverdient. Sie müssen jetzt aber wieder mehr Kontrolle in ihr Spiel bekommen. Wenn ich mit 2:0 führe, dann muss ich eben nicht weiter das Spektakel suchen, sondern es seriös runterspielen. Ich weiß nicht, ob die Mannschaft dafür gemacht ist, weil sie in Offensive nun mal extrem hohe Qualität hat. Wenn sie in diesem Wettbewerb weit kommen wollen, dürfen sie nicht so viele Gegentore bekommen.

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Ich bin aber kein Freund davon, immer nur mit dem Finger auf die Abwehr zu zeigen. Da müssen alle zusammen verteidigen. Thomas Tuchel stellt mit Min-jae Kim und Dayot Upamecano in der Innenverteidigung momentan richtig auf. Matthijs de Ligt ist derzeit zu Recht außen vor, weil er nun mal Defizite in Sachen Tempo und Spielaufbau hat. Als Innenverteidiger musst du das Spiel auch mal schnell machen und nicht nur quer spielen. Da sehe ich deutliche Vorteile bei den anderen beiden.

Mathys Tel ist die Zukunft des FC Bayern

Dass in Mathys Tel unglaubliches Potenzial schlummert, hat spätestens jetzt jeder erkannt. Er macht es bislang hervorragend. Er performt und entscheidet die Spiele momentan als Joker. Da er verschiedene Positionen in der Offensive spielen kann, bin ich mir sicher, dass er jetzt immer mehr Spielzeit bekommen wird. Irgendwann wird er den Anspruch haben, von Anfang an zu spielen. Dass er Eric Maxim Choupo-Moting bereits den Rang abgelaufen hat, ist offensichtlich. Bayern München kann froh sein, ihn zu haben. Er ist im Sturm die Zukunft des FC Bayern und wird seinen Weg weiter gehen – und zwar in München. Beim ihm darf es nicht so enden wie bei Ryan Gravenberch, der nach Liverpool verkauft wurde.

Das Thema Kaderplanung birgt weiter Konfliktpotenzial zwischen Tuchel und der Klubführung. Das ging hin und her. Erst hat er sich geäußert. Dann kam natürlich eine Antwort.

In der Länderspielpause wurde Tuchel dem Vernehmen nach da nun ein wenig eingenordet. Tuchel muss jetzt liefern. Mit diesem Kader, der nach wie vor knapp eine Milliarde Euro wert ist, muss er etwas erreichen. Auch im Mittelfeld hat er genügend Optionen und Spieler mit hoher Spielintelligenz.

Jetzt ist aber erst mal wichtig, dass Ruhe reingekommen ist. Dass du die vor allem im "inner circle" hast, ist das A und O, damit du beim FC Bayern Erfolg haben kannst. Und an dem wird Tuchel jetzt gemessen.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: "Ich repräsentiere den FC Bayern insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander – auch und insbesondere mit dem FC Bayern."
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