Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Verletzungssorgen beim FC Bayern Das ist der nächste Riesenbock

Der FC Bayern musste diese Woche zwei langfristige Ausfälle vermelden. Die Verletzungen kommen zur Unzeit. Hätten die Münchner den Kader anders zusammenstellen müssen?
Vor der Bundesligapartie gegen den FC St. Pauli am Samstagnachmittag (ab 15.30 Uhr im t-online-Liveticker) plagen den deutschen Rekordmeister Verletzungssorgen. Sie betreffen primär die Abwehr. In dieser Woche musste der FC Bayern gleich zwei Ausfälle vermelden.
Leistungsträger Alphonso Davies zog sich bei seiner Länderspielreise mit Kanada einen Kreuzbandriss zu und fällt mehrere Monate aus. Auch Dayot Upamecano steht der Mannschaft vorerst nicht zur Verfügung. Der französische Innenverteidiger hat freie Gelenkkörper im Knie. Zudem fehlen Aleksandar Pavlović (Pfeiffersches Drüsenfieber) und Kapitän Manuel Neuer (Muskelfaserriss in der Wade).
Trainer Vincent Kompany präsentierte sich am Freitag dennoch entschlossen: "Wir mussten in dieser Saison schon andere Spieler ersetzen. Das haben wir bis jetzt immer gemacht. Hoffentlich bringt das die Truppe noch enger zusammen. Für mich gibt es grundsätzlich keine Ausreden." Für Davies könnten Hiroki Itō oder Raphaël Guerreiro kommen. Upamecano könnte durch Eric Dier ersetzt werden. Die Verletzungssorgen dürften auch Sportdirektor Christoph Freund und vor allem Sportvorstand Max Eberl beunruhigen. Das führt zu der Frage:
Hat Max Eberl einen Fehler bei der Kaderplanung in der Abwehr gemacht?

Ja, und er macht jetzt schon den nächsten Fehler
Klar, Max Eberl ist weder Dayot Upamecano noch Alphonso Davies aufs Knie gesprungen. Für den Knorpelschaden des einen und den Kreuzbandriss des anderen kann der Sportvorstand nichts.
Aber wie hieß doch gleich der Sportvorstand des FC Bayern, unter dessen Regie im Sommer 2024 Matthijs de Ligt nach Manchester abgegeben wurde, obwohl sein potenzieller Nachfolger Jonathan Tah noch nicht in München unterschrieben hatte? Und wer stand noch gleich in der Verantwortung, als Tah doch in Leverkusen blieb und der Markt an Klasse-Verteidigern – ups! – leergekauft war?
Das ist schlicht fahrlässig und bemerkenswert kurzsichtig für einen Funktionär, der seine Mannschaft ins Finale der Champions League führen will. Denn: Im Idealfall hat eine sportliche Leitung, die solch große Ziele verfolgt, nicht nur zwei oder drei Innenverteidiger von internationaler Klasse im Kader, sondern vier. Und mindestens zwei Außenverteidiger auf jeder Seite. Von diesem Topniveau ist Eberl Lichtjahre entfernt. Zumal auch Min-jae Kim die Achillessehne zwickt und zwackt.
Fällt auch er aus, heißen die gelernten Vertreter in der Vierkette Eric Dier, Josip Stanišić, Raphaël Guerreiro und Hiroki Itō. Bei allem Respekt: Mit diesem Personal können die Bayern vielleicht gesichtswahrend gegen St. Pauli und gegen Augsburg antreten. Aber in der Königsklasse gegen Inter Mailand, Barça oder Real Madrid? Auf keinen Fall. Mit diesem Personal ist Bayern da verloren.
Und was sagt Eberl? Anstatt sich für den Sommer zu rüsten und seinen Vorgesetzten in der Bayern-Chefetage klipp und klar zu erklären, dass der Verein in der Abwehr nicht konkurrenzfähig ist und investieren muss, redet er den Kader stärker als er ist. Man sei stark genug und müsse nur zusammenrücken, so pfeift der Sportvorstand im Wald aus Krücken und Gipsbeinen. Und nimmt das klare Qualitätsdefizit in der Mannschaft mit in die kommende Saison. Das ist Eberls nächster Riesenbock.

Nein, Eberl hat aber einen anderen großen Fehler gemacht
Vincent Kompany muss nach den Ausfällen in der Abwehr umstellen und hat jetzt zwei Verteidiger weniger dabei zur Verfügung – vielleicht seine beiden besten und formstärksten. Der sportlichen Führung deshalb Fehler in der Kaderplanung zu unterstellen, ist trotzdem unangebracht. Zwei solch schwere Verletzungen zur absoluten Unzeit kann kein Sportvorstand der Welt vorhersehen oder gar mit qualitativ exakt gleichwertigem Ersatz kompensieren.
Ja, Eberl und Co. entschieden sich im Sommer, Matthijs de Ligt zu verkaufen. Und ja, eigentlich wollten sie dafür Jonathan Tah von Bayer Leverkusen als Ersatz verpflichten. Ja, dieser Wechsel, den vor allem Eberl ursprünglich vorantrieb, ist letztlich nicht nur an den fünf Millionen Euro gescheitert, die Leverkusen zusätzlich gefordert hat. Sondern auch an dem öffentlichen Scharmützel, das sich Eberl mit Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro lieferte.
Dennoch bietet der aktuelle Bayern-Kader zumindest quantitativ weiterhin genügend Alternativen. Min-jae Kim und Eric Dier sind nun die ersten beiden Kandidaten für die Innenverteidigung. Hiroki Itō kann neben dem Zentrum auch auf der linken Davies-Seite verteidigen, wo auch Raphaël Guerreiro noch infrage kommt. Mit Josip Stanišić steht rechts ein ähnlich flexibel einsetzbarer Spieler zur Verfügung.
Und mit Leon Goretzka, der eigentlich im Mittelfeld spielt, hat Kompany eine weitere spielstarke Alternative für die Innenverteidigung in der Hinterhand. So bitter die beiden Verletzungen für Bayern sind: Für alle genannten Spieler sind sie gleichzeitig auch eine große Chance, ihre Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Für eine andere Position gibt es diese Alternativen nicht: Denn abgesehen von Harry Kane ist kein einziger weiterer Mittelstürmer im Kader zu finden. Kane ist für die Bayern im Moment tatsächlich unersetzbar. Wenn man Eberl also einen Planungsfehler vorhalten will, dann kann es eigentlich nur genau dieser sein. Mehr noch: Freiwillig auf einen weiteren Angreifer im Kader zu verzichten, ist fast schon fahrlässig.
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