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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Im Freitagabendspiel Mit diesen taktischen Kniffen will er die Bayern überrumpeln
Bayer 04 Leverkusen reist als Tabellenführer zum Topspiel nach München, ist aber gegen den FC Bayern wie gewohnt Außenseiter. Sehr wahrscheinlich muss Bayer-Trainer Xabi Alonso im Duell mit seinem Ex-Verein von seiner taktischen Herangehensweise abweichen.
Das Freitagabendspiel der Bundesliga hält viele Storys parat: Xabi Alonso trifft ein weiteres Mal auf jenen Klub, bei dem er seine Karriere einst recht erfolgreich ausklingen ließ. In der Vorsaison konnte der Baske gegen den FC Bayern gewinnen. Zugleich ist Leverkusen die Mannschaft der Stunde, denn Bayer hat zum Bundesliga-Start drei Siege eingefahren und ist dank eines leicht besseren Torverhältnisses aktuell vor den Münchnern.
Natürlich sind solche Bestandsaufnahmen ein paar Wochen nach Saisonbeginn wenig aussagekräftig. Was aber für Aufsehen sorgte, war die Art und Weise, wie Leverkusen Borussia Mönchengladbach und Darmstadt 98 dominierte und deutlich mit 3:0 beziehungsweise 5:1 schlug.
11. Spieltag
Diese beiden Partien unterschieden sich deutlich vom 3:2-Sieg über RB Leipzig zu Beginn der Bundesliga-Spielzeit. Gegen Gladbach und Darmstadt hatte Leverkusen enorm viel Ballbesitz, ließ die Kugel sehr ruhig durch die eigenen Reihen laufen und das häufig tief in der gegnerischen Hälfte. Die Gegner wurden dadurch entnervt und müde – und Leverkusen hatte zugleich die eigene Defensive gestärkt, denn 70 oder 80 Meter vorm eigenen Tor ist die Gefahr, dass ein Konterangriff des Gegners zum Erfolg kommt, eher gering.
Wichtige Umschaltangriffe
Konter könnten jedoch am Freitag eine Rolle spielen, oder besser gesagt: Umschaltangriffe. Gegen Leipzig am 1. Spieltag hatte Leverkusen deutlich weniger Ballbesitz und folglich nicht jene erdrückende Spielkontrolle wie zeitweilig auswärts in Mönchengladbach. Stattdessen setzte Xabi Alonso verstärkter auf das eigene Pressingspiel.
Zu Beginn der Partie konnte sich Leipzig des öfteren aus der eigenen Hälfte gegen den Druck mehrere Leverkusener – beispielsweise am Flügel – heraus kombinieren. Mit zunehmender Spielzeit wurde Bayer besser darin, die Passwege von Leipzig zu lesen und Zuspiele abzufangen. Allein Exequiel Palacios, der Arbeiter im zentralen Mittelfeld, hatte in den ersten 45 Minuten drei gegnerischen Pässe eingesammelt.
Der wichtige Führungstreffer durch Jeremie Frimpong wurde ebenfalls durch eine Balleroberung in Leipzigs Spielhälfte eingeleitet, als Odilon Kossounou im Rücken von Timo Werner lauerte und sofort den Ball in die entgegensetzte Richtung spielte, nachdem Werner eine Ballannahme misslungen war.
Diese Ausführungen sollen unterstreichen, dass sich Trainer Alonso für die Saison den Plan zurechtgelegt hat, gegen unterlegene oder passive Gegner vor allem kontrollierenden Ballbesitzfußball spielen zu lassen, sein Team aber auch selbst in die reaktivere Rolle schlüpfen kann. Nun ist Bayern per se im Spielaufbau ein Stück weit resistenter gegen Pressing, aber bei Weitem nicht unverwundbar. Gerade deshalb gab es im Sommer und nach der Pleite im Supercup gegen Leipzig größere Diskussionen ums Mittelfeld und die Spielgestaltung insgesamt.
Nicht bekannt für vertikales Passspiel
Zuletzt ist es Bayern wieder besser gelungen, aus dem Spielaufbau konstant Raumgewinne zu erzielen und den Ball nur selten in der eigenen Hälfte zu verlieren: viermal gegen Augsburg und siebenmal jeweils gegen Bremen und Gladbach. Das Team spielt allerdings immer noch recht häufig in die Breite und macht sich damit anfällig für Pressingattacken.
Wie die Spielgestaltung der Bayern von hinten aussehen könnte, sollte Joshua Kimmich ausfallen und das Duo Konrad Laimer und Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld auflaufen, lässt sich nicht genau vorhersagen. Für ihr vertikales Passspiel sind beide nicht bekannt.
Xhaka und der Umschaltimpuls
Lässt also Leverkusen die Bayern ein bisschen kommen und bietet gewissermaßen die Außenbahn für Pässe an, könnte Alonsos Team danach blitzartig den Flügel zustellen. Jeremie Frimpong, Jonas Hofmann, Alejandro Grimaldo und Florian Wirtz bringen alle das Tempo und die Aggressivität dafür mit.
Für den Umschaltimpuls ist wiederum Granit Xhaka sehr gut geeignet, wie er bereits unter Beweis stellen durfte. Für Chipbälle hinter die gegnerische Abwehrlinie oder auch Flanken von außen ist Stürmerneuzugang Victor Boniface der perfekte Abnehmer – auch das war in der Anfangsphase dieser Saison sichtbar.
Was die Leverkusener jedoch vermeiden müssen: Sie dürfen nicht zu tief zurückfallen und nur in der eigenen Spielfeldhälfte verteidigen. Dann sind die angesprochenen Pressingattacken nicht mehr möglich und der Weg nach vorn ist viel zu weit. Wenn Bayern insbesondere in der Allianz Arena große Dominanz ausstrahlt, ziehen sich viele Gästemannschaften irgendwann in die eigene Hälfte oder den eigenen Strafraum zurück und versuchen alles dichtzuhalten. Das ist jedoch keineswegs das Spiel von Bayer Leverkusen, das vornehmlich über "vorwärtsverteidigende" Spieler verfügt.
Xabi Alonso hat in seiner Rolle als Cheftrainer schon einiges in Leverkusen bewirken können. Ein nächster großer Härtetest wartet an diesem Freitag auf ihn.
- Eigene Beobachtung