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Zum journalistischen Leitbild von t-online.NBA-Star Maxi Kleber Black Lives Matter? "Vielen fehlt das Verständnis"
Der deutsche Spieler der Dallas Mavericks spricht über den Liga-Alltag in der Corona-Isolation
Sportlich läuft es ausgezeichnet für Maxi Kleber. Der Würzburger Basketball-Profi hat sich in seiner dritten Saison bei den Dallas Mavericks in der Stammformation festgespielt, steht immer länger und effizienter auf dem Parkett und hat mit dem ehemaligen Team von Dirk Nowitzki erstmals seit drei Jahren wieder die Playoffs der NBA erreicht.
Und die Playoffs werden – gezwungenermaßen – unter besonderen Voraussetzungen gespielt. Die NBA muss infolge der Corona-Pandemie den Rest der Saison abgeriegelt auf dem Gelände des "Disney World"-Freizeitparks in Orlando, Florida abhalten – in der "Bubble" (engl. "Blase"). Wenn die Mavericks und Kleber am Sonntagabend also zu Spiel vier der ersten Playoffs-Serie gegen die Los Angeles Clippers antreten, geschieht dies in einer zu einem Basketballcourt umgebauten Messehalle. Nach den ersten drei Partien liegt Dallas 1:2 zurück – aber alles scheint offen.
Im t-online.de-Interview spricht Kleber über den Alltag in der "Bubble", wie die ungewohnten Umstände den sportlichen Wettkampf verändern – und über die "Black Lives Matter"-Bewegung in den USA.
t-online.de: Herr Kleber, ist für die Dallas Mavericks nach drei Jahren Durststrecke die Playoff-Teilnahme bereits ein Erfolg?
Maxi Kleber (28): Wir haben eine lange Saison mit vielen Spielen, in denen viel zusammenpassen muss. Das Erreichen der Playoffs ist nie garantiert, sodass wir das auf jeden Fall als Erfolg verbuchen können. Wir sind eine junge, noch recht neu zusammengewürfelte Mannschaft, deshalb dürfen wir jetzt nicht einfach aufhören, hart an uns zu arbeiten. Wir wollen weiter für Überraschungen gut sein.
Die deutsche BBL war die erste Basketball-Liga, die sich in einer "Blase" isolierte, um die Saison zu Ende zu spielen. Wurde das in den USA registriert?
Ich kann mir gut vorstellen, dass die NBA-Verantwortlichen verfolgt haben, wie das Konzept der BBL verlaufen ist. Zumindest weiß ich, dass sich auch mit den Hygienekonzepten der europäischen Fußballligen beschäftigt wurde. Ich habe ja zwei Jahre bei Bayern München gespielt und mich bei dem ein oder anderen ehemaligen Teamkollegen nach seinen Eindrücken aus der Blase erkundigt, bevor es für uns in die Isolation nach Orlando ging.
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Wie ist Ihr Tagesablauf in der "Bubble"? Wurden die Achterbahnen in "Disney World" eigentlich für Sie Spieler geöffnet?
Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich weiß, dass davon die Rede war, aber ich habe nicht mehr nachgefragt, auch weil wir uns die Zeit gut mit anderen Dingen vertrieben haben. Wir waren viel golfen und viel angeln – das war es eigentlich auch schon (lacht).
Inwiefern beeinflussen die Umstände das Titelrennen?
Das letzte mögliche Spiel, Spiel sieben der Finals, ist für den 12. Oktober anberaumt. Das heißt, wir Spieler müssen uns im besten Fall auf noch gut zwei Monate in der "Bubble" einstellen. Das wird eine ganz schön große mentale Herausforderung. Hinzu kommt, dass alle Spiele ohne Zuschauer stattfinden. Zwar hat die NBA die Geräuschkulisse für uns Teams auf dem Parkett eingebaut, aber der echte Heimvorteil, den du besonders in den Playoffs spürst, fehlt da komplett.
Um das Spielfeld herum wurden großflächige Videowände aufgebaut, auf denen Fans live zugeschaltet werden. Inwiefern nehmen Sie das während eines Spiels wahr?
Das ist schon sehr witzig gemacht. Meine Familie hat sich auch schon das ein oder andere Mal dazugeschaltet. Da habe ich natürlich versucht, sie auf all den Bildschirmen ausfindig zu machen, Noch beeindruckender finde ich es jedoch während unserer Aufwärmphase: Du blickst in die Gesichter, die Geräuschkulisse deiner heimischen Arena wird eingespielt – und plötzlich fühlt es sich für einen Moment tatsächlich wie eine normale NBA-Partie an.
Wie stehen die Chancen der Mavs auf den Titel?
Schwer zu sagen. Wir müssen direkt in der ersten Runde gegen die Los Angeles Clippers spielen, die eindeutig einer der Titelfavoriten sind. Doch bei aller Klasse des Gegners gehen wir in jedes Spiel trotzdem mit dem Selbstvertrauen: Wir wollen sie besiegen.
Einer, der in der "Bubble" zuletzt überragte, war Damian Lillard von den Portland Trail Blazers mit starken Offensivleistungen. Für Sie auch ein Titelkandidat?
Als wir gegen Portland gespielt haben, hat Lillard 61 Punkte erzielt. Wenn er in der Playoff-Serie gegen die Los Angeles Lakers (aktueller Stand: 2:1 für die Lakers, Anm. d. Red.) ähnlich heiß laufen kann und es ihm gelingt, dann auch noch seine Teamkollegen zu Höchstleistungen zu pushen, ist eine Sensation sehr gut möglich.
Die Top-Stars LeBron James, James Harden und Giannis Antetokounmpo sind für die MVP-Auszeichnung zum besten Spieler der Saison nominiert. Wer hat bei Ihnen die Nase vorn?
Giannis. Einfach, weil er die Milwaukee Bucks zur besten Siegquote der regulären Saison geführt hat (56 Siege bei 17 Niederlagen, Anm. d. Red.). Er ist unverzichtbar für seine Mannschaft.
Abseits des Sports ist auch die "Black Lives Matter"-Bewegung ein großes Thema in der NBA. Wie gehen Sie mit der Thematik um? Haben Sie für sich direkt entschieden, sich den Protesten anzuschließen?
Rassismus ist leider immer noch ein Riesenproblem. Es ist extrem wichtig, dass wir miteinander reden, uns austauschen und informieren. Als das Thema nach dem Tod George Floyds wieder aufkam, hatten wir ein Team-Meeting, in dem meine Kollegen von ihren Erfahrungen mit Rassismus berichteten. Zu hören, dass es Menschen gibt, die Angst haben müssen, bei einer Polizeikontrolle das Auto zu verlassen – das ist schon heftig. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns alle dahingehend positionieren, dass wir in einer solchen Welt nicht weiter leben wollen. Wir müssen Lösungen finden, damit Rassismus endet.
Der deutsche Baseball-Profi Max Kepler ist mit dem Tragen eines Mundschutzes der rechten Gegenbewegung "Blue Lives Matter" ins Fettnäpfchen getreten. Haben Ihre US-Mitspieler Sie zuvor über mögliche Fehltritte aufgeklärt?
Mich musste niemand über die Thematik aufklären, weil ich von mir selbst aus begonnen habe, mich zu informieren. Deshalb stehe ich nun auch so resolut zu meiner Meinung. Vielen fehlt das Verständnis der aktuellen Situation. Sie glauben dann, mit einem schnellen Post in den sozialen Medien etwas Gutes zu tun. Dabei hat sie niemand aufgeklärt, ihnen im schlimmsten Fall Worte und Meinungen in den Mund gelegt, die sie nicht zu 100 Prozent nachvollziehen können.
Welche Rolle spielen die Dallas Mavericks bei Ihrem Engagement?
Wir haben das große Glück, dass wir mit Marc Cuban einen Teambesitzer haben, der von Beginn an gesagt hat: "Wir stehen hinter euch, wir unterstützen euch!" Aber nicht nur wir in Dallas, die gesamte NBA macht einen fantastischen Job dabei, die "Black Lives Matter"-Bewegung zu unterstützen. Zu sehen, dass wir als Liga geschlossen hinter dem Ziel stehen, Rassismus zu besiegen, macht mich unfassbar stolz.
Würden Sie sich als "böse" und "sehr dumm" beschreiben? Schließlich bezeichnet Präsident Trump NBA-Profis aufgrund der Proteste genau so.
Dass wir überhaupt so ausgiebig darüber sprechen, zeigt ja bereits, dass Rassismus als gesellschaftliches Problem besteht. Die Meinungsfreiheit gilt auch für uns Basketballspieler. Und von genau der machen wir Gebrauch, wenn wir das Problem ansprechen, Rassismus-Erfahrungen teilen und unsere Mitmenschen informieren.
Was würden Sie Trump entgegnen wollen?
Der Kampf gegen Rassismus ist keine politische Angelegenheit. Er ist ein Kampf für Gleichberechtigung. Nicht ohne Grund habe ich mich dazu entschieden, das deutsche Wort "Gleichberechtigung" hinten auf meinem Trikot zu tragen. Es ist eine Frage der Menschenwürde, dass wir für "Black Lives Matter" einstehen. Und deshalb werde ich das auch in Zukunft weiter tun.