Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Shitstorm nach Nagellack-Video SPD-Chef rassistisch beleidigt – Mann entschuldigt sich
Erst postet er auf Instagram eine Parodie auf einen AfD-Politiker. Dann bekommt der Nürnberger SPD-Chef unzählige Hass-Kommentare. Doch in einem Fall gibt es jetzt gute Nachrichten.
"Echte Männer haben keine Angst vor Nagellack": Das hat Nürnbergs SPD-Chef Nasser Ahmed im vergangenen Sommer in einem Video auf Instagram gesagt. Dabei hielt er stolz seine lackierten Nägel in die Kamera. Bei dem Video handelte es sich um eine Anspielung auf ein TikTok-Video des ehemaligen Europawahl-Spitzenkandidaten der AfD, Maximilian Krah. Tenor darin: "Echte Männer sind rechts".
Ahmeds-Parodie ging in dem sozialen Netzwerk durch die Decke. Mehr als 800.000 Menschen haben den Clip bislang gesehen. Doch der Erfolg hatte Schattenseiten: Ahmed mutmaßt, dass sein Clip gezielt unter Rechten verbreitet werde, den SPD-Chef erreichten unzählige rassistische Beleidigungen. Beleidigungen und Drohungen wie "wer viel Scheiße erzählt, wird schwarz" oder "der ist auch einer der Ersten im Flieger" werden ihm seitdem an den Kopf geworfen. In 40 Fällen hat er einen Strafantrag gestellt – doch einer der Fälle ist für ihn jetzt erledigt.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Treffen in der Straße der Menschenrechte
Ein Mann, den Ahmed angezeigt hatte, meldete sich nämlich per Brief bei dem SPD-Chef. In dem handschriftlichen Schreiben entschuldigte er sich und drückte sein Bedauern über sein Verhalten aus. Was genau der Mann ursprünglich geschrieben hatte, will Ahmed nicht verraten. Er sagt nur so viel: "Das N-Wort war nicht dabei, aber es war auf alle Fälle eine rassistische Beleidigung."
Zur Person
Nasser Ahmed wurde 1983 als Kind eritreischer Einwanderer in Nürnberg geboren. Seit 2014 sitzt der promovierte Politikwissenschaftler für die SPD im Stadtrat seiner Heimatstadt, seit 2021 ist er auch Vorsitzender der Nürnberger Sozialdemokraten. Hauptberuflich arbeitet Ahmed als Referent für ein Unternehmen in der Energiewende. Vor wenigen Wochen kündigte er an, dass er für die SPD 2026 als Oberbürgermeisterkandidat antreten wolle.
Am vergangenen Samstag haben sich beide zur Aussprache in der Straße der Menschenrechte getroffen. "Ich wollte hören, ob er verstanden hat, welchen Schaden, welchen Schmerz er den Menschen zufügt, die er mit seinen Kommentaren beleidigt. Ich wollte wissen, ob er versteht, dass Diskriminierung und Rassismus negative Folgen für unsere Gesellschaft hat", so Ahmed.
"Frage mich mittlerweile selbst, warum?"
Das scheint der Mann, der nicht namentlich genannt werden will, offenbar verstanden zu haben. Das Gespräch mit Nasser Ahmed habe ihm die Augen geöffnet, sagte er zu t-online. "Ich frage mich mittlerweile selbst, warum ich das überhaupt geschrieben habe – zumal auch ich einen Migrationshintergrund habe", so der Mann.
Vermutlich habe er sich von anderen Kommentatoren mitreißen lassen. Für ihn sei aber jetzt klar, dass bei Rassismus jeder Spaß aufhöre. Er hoffe, dass seine Geschichte helfe, das auch anderen klarzumachen. Er möchte darauf aufmerksam machen, dass auch scheinbar harmlose Späße verletzend sein können. Zudem können sie dazu beitragen, dass man gegen Rassismus abstumpft.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Instagram-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Instagram-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Nasser Ahmed stimmte der Austausch mit dem jungen Mann "hoffnungsvoll". Imponiert habe ihm, dass der Mann sich offenbar nicht mit ihm getroffen habe, um einer Strafe aus dem Weg zu gehen – sondern weil er sein Verhalten ernsthaft bedauere. Für ihn sei der Fall damit erledigt, sagte der SPD-Chef. Er habe bei der Staatsanwaltschaft inzwischen ein gutes Wort dafür eingelegt, dass das Verfahren gegen den jungen Mann eingestellt werde.
Weiter zwei bis drei Hassnachrichten pro Stunde
Ahmed fürchtet allerdings, dass es in den sozialen Medien vielen Leuten so geht wie dem jungen Mann. Manche würden sich vermutlich von dem Rassismus und der Queerfeindlichkeit dort mitreißen lassen, mutmaßt er. Umso wichtiger sei es, dass Demokraten im Netz lauter seien als Rassisten. Dass das nötig ist, zeigt Ahmed schon ein Blick in seinen Posteingang. Zwei bis drei Hassnachrichten erreichten ihn pro Stunde, sagt er. Die schlimmsten Nachrichten-Verfasser wolle er weiterhin anzeigen.
Mit dem Problem stehe er aber nicht alleine da. Das gehe vielen so, die sich in den Sozialen Medien aktiv gegen Rechtsextremismus stellten, unabhängig von der Hautfarbe. Die Tatsache, dass er schwarz ist, verstärke den Hass aber noch weiter, so Ahmed.
Dennoch kann er dem Shitstorm auch etwas Gutes abgewinnen. Es sei ihm mit dem Nagellack-Video darum gegangen, zu provozieren und die Menschen zum Nachdenken anzuregen. Das habe er angesichts der Hunderttausenden Aufrufe augenscheinlich erreicht. Außerdem mache ihm Mut, dass das Video mehr Likes bekommen, als er Hassnachrichten erhalten habe.
- Gespräch mit Nasser Ahmed
- Gespräch mit dem Mann, der Nasser Ahmed beleidigt hat
- instagram.com: Verschiedene Posts des Accounts "nasser.spd"