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Kölns skurrile Sammler: Dieser Kunsthistoriker sammelt Staub – aber wieso?


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Skurriler Job
Kölner Künstler sammelt Staub – "habe auch Merkel gefragt"


Aktualisiert am 30.03.2021Lesedauer: 3 Min.
Künstler Wolfgang Stöcker: Der Kölner hat ein Herz für Geschichte – und Staub.Vergrößern des Bildes
Künstler Wolfgang Stöcker: Der Kölner hat ein Herz für Geschichte – und Staub. (Quelle: Benjamin Rastetter)

Die meisten Menschen ärgern sich über Staub, für ihn ist er eine Leidenschaft geworden: Ein Kölner Kunsthistoriker hat das "Internationale Staubarchiv" gegründet. Wie ist er dazu gekommen?

Wolfgang Stöcker sammelt seit mehr als 15 Jahren Staubproben kulturell bedeutender Orte – der Kölner gründete eigens dafür ein Staubarchiv. t-online hat den Mann mit dem ungewöhnlichen Hobby besucht.

Schon Stöckers Großeltern waren große Sammler. Sein Opa sammelte Briefmarken und seine Oma eigentlich alles, unter anderem originalverpackte Zuckerstücke aus Cafés und alte Joghurtbecher. Ihr Enkel sammelte auch viel, die Idee einer Wassersammlung gab er aber auf: "Staub ist viel praktischer, da er klein und überall zu finden ist".

Wolfgang Stöcker ist promovierter Kunsthistoriker und begann 2004, im Dom und den anderen Kölner Kirchen Staub zu sammeln. Dann schrieb der den Aachener Dom an und bat um eine Probe. Er bekam sie. Schon bald kam mehr Staub dazu, nicht mehr nur aus Kirchen, sondern von vielen verschiedenen Orten. Heute umfasst das Archiv über 600 verschiedene Staubproben, die alle säuberlich in Tüten verpackt und mit einem Staubbericht in Ordnern abgeheftet sind. Hier, in den Ordnern in Stöckers Arbeitszimmer in Köln-Bickendorf, befindet sich das sogenannte Internationale Staubarchiv.

Staub aus Schloss Bellevue fehlt noch

Der Name entstand mehr als Witz, wie Stöcker erklärt: "Der ursprüngliche Name 'Deutsches Staubarchiv' hörte sich so formell an, wie Deutsche Bank oder Deutsche Post. Eben ganz anders als eine Staubsammlung". Als immer mehr Staub aus der ganzen Welt dazukommt und ihm der Name zu patriotisch wird, nennt Stöcker seine Sammlung 2019 um.

Staub ist nicht gleich Staub

Dabei ist der Staubbegriff laut Stöcker tückisch. Die typischen Wollmäuse, die wir unter dem Sofa finden, sind nämlich streng genommen kein Staub: Für Naturwissenschaftler ist Staub einzig feiner Sand. Stöcker sammelt beide Varianten. Auswahlkriterien für seine Archivstücke hat er aber trotzdem: "Es muss schon Staub von Kultur- oder Kunstorten oder geschichtsträchtigen Plätzen sein", erklärt der Künstler.

Für ihn ist das Staubarchiv nicht nur eine seltsame Leidenschaft, sondern eben auch Kunst. Er möchte mit seinen Arbeiten die Vergänglichkeit darstellen und das Spannungsfeld zwischen Ordnung und Chaos: "Nichts ist sauberer und zivilisierter als Orte, an denen Kultur stattfindet. Ist es nicht spannend, dass es selbst dort Staub gibt?"

Zu seiner Sammlung gehören Staube von der chinesischen Mauer, aus dem Louvre und dem Petersdom und vom Kassenhäuschen des Empire State Buildings. Staub von politisch wichtigen Orten ist hingegen schwer zu bekommen: "Wahrscheinlich für immer in meiner Sammlung fehlen werden wohl Staub aus dem Kreml und dem Weißen Haus", meint Stöcker.

Trotz mehrfacher Anfragen habe er bisher nur Absagen erhalten. Auch das Sekretariat der Bundeskanzlerin schickte keinen Staub aus Merkels Arbeitszimmer. Und Schloss Bellevue, der Sitz der Bundespräsidenten, ebenfalls nicht. Stöcker versucht es aber bei jedem neuen Bundespräsidenten erneut.

Corona verändert die Arbeit

Einige Menschen schicken ihm hingegen unaufgefordert Staub zu: Mittlerweile gibt es mehr als zehn Staub-Scouts, die die Welt bereisen und Stöckers Archiv bestücken. Momentan kommt aber nichts an: Die Reisenden sitzen aufgrund der Corona-Pandemie zu Hause. Mehr als das störe Stöcker aber, dass durch Corona alles unplanbar geworden sei. Als Künstler lebe er unter anderen von Staubtouren und Vorträgen, die momentan nicht stattfinden können. Auch andere Projekte mussten verschoben werden und da die ganze Familie zu Hause sei, fehle ihm oft Ruhe zum Arbeiten.

Die freie Zeit nutzt Stöcker nun, um sein Archiv zu ordnen und neue "Staubschreine" zu bauen, die er seit sechs Jahren fertigt. Staubschreine sind Häuser aus Wachs, in das Staub eingearbeitet wurde. Das Haus als Form ist dabei nicht zufällig gewählt, denn Hausstaub kommt nur in Gebäuden vor.

Ein bekanntes Kölner Gebäude mit Hausstaub ist das Museum Ludwig. Auch hier konnte Stöcker 2017 Staub aus den 13 leeren Schausälen sammeln, um diesen im Kunstverein Ahlen auszustellen. Möglich machte dies sein Bekanntheitsgrad in der Kölner Kulturszene: "Die halten mich nämlich nur für oberflächlich bekloppt."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Wolfgang Stöcker
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