Gerichtsprozess gegen Frankfurter OB Ehemalige AWO-Chefin zu Feldmann: "Jetzt bauen wir auf dich"
Auftakt im Strafprozess um den Frankfurter OB Peter Feldmann: Die Anklage verliest Chatverläufe zwischen Feldmann und der früheren AWO-Chefin.
Um 9.30 Uhr am Dienstag sollte der Prozess um Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann wegen des Vorwurfs der Vorteilsnahme vor dem Landgericht Frankfurt losgehen. Eigentlich. Doch der Auftakt verzögert sich. Schuld daran ist nicht Feldmann, sondern andere verspätete Prozessteilnehmer. Feldmann betritt um 9.32 Uhr den Verhandlungsaal, mit To-go-Becher und dunklem Anzug und gesellt sich zu seinem Anwalt David Hofferbert.
Es ist ein Tag der Premieren für Frankfurt: nicht nur, weil sich das höchste städtische Oberhaupt einem Strafprozess stellen muss, sondern auch, weil dieses möglicherweise während des Prozesses aus dem Amt gewählt werden könnte. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Verhandlungssaal der Wirtschaftskammer voll besetzt ist. Viele wollen an diesem Dienstag einen Blick auf Feldmann werfen – obwohl er doch in den letzten Monaten öfters zu sehen war, als einigen lieb gewesen ist.
Sein Auftritt bei der Europa-League-Feier der Frankfurter Eintracht, sexistische Äußerungen im Flugzeug, eine Abwahl durch die Frankfurter Stadtverordneten – allesamt Fehltritte, die den heutigen Prozessauftakt noch zusätzlich befeuerten, für ihn allerdings nicht maßgeblich sind. Es ist ein Strafprozess, auch hier gilt die Unschuldsvermutung. Doch ab jetzt wird es ernst für Feldmann: In den insgesamt sechs vom Landesgericht angesetzten Prozessterminen soll geklärt werden, ob das Stadtoberhaupt der deutschen Finanzmetropole in mindestens zwei Fällen als Amtsträger unrechtmäßig Vorteile angenommen hat.
Chatverläufe zwischen Hannelore Richter und Peter Feldmann
Der Vorwurf: Feldmann soll seiner späteren Frau, Zübeyde Feldmann, eine Stelle als Kita-Leiterin bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit überhöhtem Gehalt und Dienstwagen durch seinen Einfluss ermöglicht haben. Zudem soll er Wahlkampfhilfe der AWO in Form eingeworbener Spenden bekommen und seinen früheren Arbeitgeber im Zug seiner Amtsausübung wohlwollend berücksichtigt haben. Es ist die Kurzfassung einer langen Anklageschrift, die am ersten Prozesstage von Staatsanwalt Johannes Schmidt verlesen wird.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft verdankt Feldmanns Noch-Ehefrau die lukrative Anstellung einzig dem Amt ihres Mannes und seiner langjährigen Beziehung mit ehemaligen Führungsfunktionären der AWO, unter anderem dem Ehepaar Hannelore und Jürgen Richter. Weiterhin sollen Mitarbeiter der Frankfurter AWO im Wahlkampf 2018 Spenden für Feldmann geworben haben. Die Ankläger sprachen von einer stillschweigenden Übereinkunft, dass Feldmann sich im Gegenzug in seinem Bürgermeisteramt "wohlwollend gegenüber der AWO Frankfurt verhalten" würde.
Als Beweis hierfür führt die Anklage Chatverläufe zwischen Feldmann und Hannelore Richter an: "Stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen, jetzt bauen wir auf dich", heißt es hier beispielsweise in einer Nachricht von Richter im April 2019, oder in einem anderen Verlauf vom Juni 2019: "Wir müssen uns aufeinander verlassen können."
Feldmann selbst folgt diesen Auszügen aus den privaten Chatverläufen mit regungsloser Miene. Vor dem Prozess ließ er immer wieder verlauten, dass er dem Prozess entspannt entgegensehe. "Ich bin nicht korrupt", hieß es von seiner Seite zu der Anklage. Doch die Anspannung der letzten Monate ist scheinbar nicht spurlos an ihm vorbeigegangen: Über seinen Anwalt Hofferbert lässt er im Anschluss der Sitzung ausrichten, dass es ihm den Umständen entsprechend ginge.
In einer schriftlichen Erklärung Feldmanns hieß es, er habe keine Spenden der AWO erhalten oder vereinnahmt. Zudem kritisierte Feldmann, dass die Staatsanwaltschaft lange keinen Ansatz für ein strafwürdiges Verhalten bei ihm gesehen habe, sich dies aber kurz vor der Kommunalwahl 2020 geändert habe – und per Pressemitteilung bekannt gegeben worden sei.
Generell ist von Feldmann selbst wenig an diesem Tag zuhören. Er soll über seinen Anwalt am nächsten Verhandlungstermin, dem 27. Oktober, aussagen. In einem schriftlichen Statement wies sein Anwalt die erhobenen Vorwürfe jedoch zurück. Am zweiten Prozesstag soll auch sein zweiter Anwalt, Ulrich Endres, vor Ort sein, der an diesem Dienstag nicht dabei ist.
Endres ist bereits durch mehrere prominente Prozesse in Erscheinung getreten, allen voran vertrat er den Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler. Aktuell tritt er auch als ein Verteidiger eines syrischen Arztes auf, der wegen Foltervorwürfen vor dem Oberlandesgericht steht.
Verteidigung wirft Vorsitzendem Richter Befangenheit vor
Für diesen Tag belässt es Feldmann mit einem kurzen Satz am Ende der Sitzung. Er hoffe auf eine faire und unvoreingenommene Klärung der Vorwürfe. Doch anscheinend stellen Feldmann und seine Anwälte genau das infrage: Die Verteidigung äußert den Verdacht auf eine mögliche Befangenheit des Vorsitzenden Richter Werner Gröschel. Die mündliche Verlesung des Antrages wurde in der Sitzung selbst abgelehnt. Ein Befangenheitsantrag sei bereits außerhalb der Hauptverhandlung gestellt worden, wie Hofferbert mitteilt.
Die Befangenheit des Gerichts ergebe sich aus dem Umstand, dass der Vorsitzende Richter mit jener Staatsanwältin verheiratet sei, die wesentliche Vorwürfe gegen den Frankfurter OB an die Medien weitergab.
Aussagen von Jürgen Richter und Zübeyde Feldmann wird es in dem Prozess voraussichtlich nicht geben: Beide geladenen Zeugen ließen über ihre jeweiligen Anwälte ausrichten, dass sie sich selbst aufgrund ihrer eigenen Ermittlungsverfahren nicht äußern wollen.
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
- Persönliche Erklärung von Peter Feldmann