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Berlin: Das sagen Politik und Kliniken zur Aufhebung aller Corona-Maßnahmen


Debatte um Ende der Corona-Maßnahmen
Deutsche Städte skeptisch: "Wäre das falsche Signal"


Aktualisiert am 21.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Passanten mit Maske in Düsseldorf: Kommt schon bald die Aufhebung aller Schutzmaßnahmen?Vergrößern des Bildes
Passanten mit Maske in Düsseldorf: Kommt schon bald die Aufhebung aller Schutzmaßnahmen? (Quelle: Michael Gstettenbauer/imago-images-bilder)

Nach Meinung von Kassenärztechef Andreas Gassen sollen alle Corona-Beschränkungen zum 30. Oktober aufgehoben werden. Wie sehen Deutschlands Großstädte den Vorstoß eines solchen "Freedom Day"?

Sollten die Corona-Maßnahmen bald wegfallen? Wenn es nach Andreas Gassen, dem Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ginge, wäre es bereits am 30. Oktober so weit. Im Rahmen eines Interviews mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" appellierte Gassen an die Politik, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen, wo die Corona-Beschränkungen bereits am 19. Juli aufgehoben wurden. An diesem Datum feierten die Briten den sogenannten "Freedom Day", den Freiheitstag. So verlockend ein Wegfall der Maßnahmen klingen mag – ist er für Deutschlands Städte auch realistisch?

Berlin: Auf Pauschalforderungen nicht eingehen

Vonseiten der großen Berliner Kliniken will sich niemand zu dem Vorstoß der KBV äußern. Lediglich die Sana-Kliniken Berlin-Brandenburg teilen auf Anfrage von t-online mit: "Für uns sind die jeweiligen gesetzlichen Regelungen auf bundesstaatlicher Ebene beziehungsweise auf Basis der jeweils gültigen Version der Verordnungen im Land Berlin maßgebend. Daran orientieren wir unsere Verfahrensweise strikt."

Die anderen Kliniken möchten von einer Stellungnahme absehen und bitten um Verständnis, dass man die Forderungen nicht kommentiere – von der Charité über Vivantes bis zum Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, wo im Frühjahr vergangenen Jahres 47 Corona-Patienten gestorben sind.

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Auch in der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung teilt man uns knapp mit: "Auf Pauschalforderungen, die den Schutz der Menschen vernachlässigen, wollen wir nicht weiter eingehen."

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hatte am Sonntag im "Bericht aus Berlin" bereits den Vorschlägen aus der KBV eine klare Absage erteilt: "Wir können nicht bei der Impfquote, die wir haben, alle Corona-Maßnahmen abschaffen. Wir brauchen weiter Schutzvorkehrungen, das ist selbstverständlich."

"Wir haben großen Aufholbedarf"

Man spüre, wie man mit dem Impffortschritt schrittweise in die Normalität zurückfinde – das gelte es zu erhalten, ob im Sport, in der Kultur oder in der Familie. Müller forderte erneut alle Berliner auf, sich impfen zu lassen, sofern noch nicht geschehen. Es sei ihm "schleierhaft", warum die Impfangebote nicht angenommen würden.

Auch Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zeigte sich mit der Zahl der Geimpften zwar zufrieden, hält sie aber immer noch für zu niedrig. Zwar hätten bisher in Berlin rund 78 Prozent der über 18-Jährigen eine Erstimpfung erhalten, aber bei den unter 18-Jährigen seien es erst 38 Prozent. "Hier haben wir großen Aufholbedarf", so Kalayci.

Die Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hält angesichts der Zahlen ebenfalls nichts von einem festen Datum für das Ende aller Corona-Auflagen. "Die kalte Jahreszeit beginnt, Menschen halten sich wieder häufiger in geschlossenen Räumen auf, wo die Ansteckungsgefahr größer ist. Die Bevölkerung ist noch nicht in ausreichendem Maße durch eine Impfung geschützt", erklärte Nonnemacher auf Anfrage.

Kölner Kliniken: Falsches Signal

Wenn man sich an Kölns Kliniken umhört, sollte ein "Freedom Day" angesichts der Zahl der Geimpften sowie der Risiken wohl auch hier vorerst nicht zur Realität werden: "Angesichts der immer noch zu niedrigen Impfquoten und der stark ausgelasteten Intensiv-Kapazitäten wären umfassende Lockerung das falsche Signal”, erklärt etwa eine Sprecherin des Ehrenfelder St.-Franziskus-Hospitals. Daher werden die Hygeniemaßnahmen im Krankenhaus, das sich in enger Abstimmung mit den örtlichen Behörden und Krisenstäben befindet, auch zukünftig aufrechterhalten.

Ähnlich steht auch das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Hohenlind den Forderungen Gassens gegenüber. Zwar wünsche man sich auch hier "die Rückkehr zu mehr Normalität", doch soll weiter an den aktuellen Corona-Regeln festhalten werden: "Zum Schutz unserer Patientinnen, Patienten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden wir sie so lange wie notwendig beibehalten", heißt es vonseiten des Klinikums. Die Kölner Uniklinik wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

"Die Pandemie ist leider noch nicht überwunden”

Dass in Köln bald die Corona-Beschränkungen fallen könnten, sieht auch Dr. Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln, als eher unrealistisch an. Wie Rau auf Anfrage mitteilte, sei die Pandemie noch nicht überwunden, was vor allem an der geringen Impfquote läge: "In NRW sind bisher nur knapp 35 Prozent der 12- bis 17-Jährigen, nur gut 72 Prozent der 18- bis 59-Jährigen und knapp 87 Prozent der über 60-Jährigen vollständig geimpft", erklärt Rau. Zudem würden weiterhin viele Menschen auf den Kölner Intensivstationen liegen, bei denen es sich vor allem um ungeimpfte Personen mit einem schweren Krankheitsverlauf handle.

Auch er verweist auf das erhöhte Infektionsrisikos im Herbst und Winter – ein Verzicht auf sämtliche Restriktionsmaßnahmen sei "zu diesem Zeitpunkt nicht angebracht".

Hamburg: "Infektionsgeschehen im Gange"

Bei der Hamburger Gesundheitsbehörde hält man von dem Vorschlag ebenfalls wenig. Pressesprecher Martin Helfrich: "Sofern weiter Einschränkungen nötig sind, werden diese aufrechterhalten, aber eben auch nur dann." Konkrete Fristen, wie sie der Vorsitzende der KBV fordert, würden dabei nicht helfen, ergänzt er. "Wir sind weiter in der Situation, in der ein Infektionsgeschehen im Gange ist", so Helfrich.

Wichtig sei vor allem die Entwicklung der Pandemie und eine stabile Verbesserung der Lage. Zudem seien die Eingriffe für Geimpfte (Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften, Anm. d. Red.) relativ gering und hätten gleichzeitig einen hohen Nutzen. Auch würden für Geimpfte und Genesene keine privaten Kontaktbeschränkungen mehr gelten und dank der sogenannten 2G-Regelung könnten sie mit sehr geringen Einschränkungen Kulturangebote wahrnehmen. "Diejenigen, die geimpft sind, sind von den aktuellen Maßnahmen verhältnismäßig wenig betroffen", erklärt Martin Helfrich.

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Die großen Hamburger Klinken konnten t-online auf Anfrage keine Einschätzung der Lage geben, sie waren mit der Versorgung von Patientinnen und Patienten beschäftigt.

Den "Freedom Day" mit angekündigtem Datum, wie ihn Andreas Gassen fordert, wird es in Hamburg wohl in absehbarer Zeit nicht geben. Die Forderung, dass die Maßnahmen zu einem Ende kommen müssen, sei aber aus Sicht der Hamburger Gesundheitsbehörde nachvollziehbar und berechtigt: "Die Beschränkungen, die es im Moment gibt, die sind temporär. Es wird einen Zeitpunkt geben, zu dem diese Beschränkungen vorbei sind", so Martin Helfrich abschließend.

München: "Nicht seriös einzuschätzen"


Auch in München sieht man den 30. Oktober als Stichtag für die Aufhebung der Corona-Maßnahmen kritisch. "Die Aufhebung von allen Corona-Einschränkungen hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Impfquote und der Belegung in Krankenhäusern durch Covid-19-Erkrankte", heißt es vom Klinikum rechts der Isar in München auf Anfrage von t-online.

Die vergangenen Monate hätten immer wieder gezeigt, dass die Corona-Entwicklung sehr dynamisch sei, daher ließe sich aus heutiger Sicht nicht seriös einschätzen, wie die Situation am 30. Oktober aussehen werde.

Verwendete Quellen
  • Redemanuskript der KBV, Dr. Stephan Hofmeister (Stellvertreter)
  • Stadt Hamburg: Die geltenden Regeln
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • "Bericht aus Berlin", ARD
  • Anfrage bei den Berliner Kliniken
  • Anfrage bei der Berliner Senatsverwaltung
  • Anfrage bei Ursula Nonnemacher
  • Anfrage St. Elisabeth-Krankenhaus, Köln
  • Anfrage Hospital St. Franziskus, Köln
  • Anfrage Stadt Köln
  • Anfrage Klinikum rechts der Isar, München
  • Robert-Koch-Institut
  • Anfrage bei der Hamburger Gesundheitsbehörde
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