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Berlin-Wahl | Chialo aus "Zukunftsteam" von Laschet: "CDU war immer mehr"


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Ex-Grünen-Mitglied Joe Chialo
"War spannend, wie Armin Laschet das aufgenommen hat"

  • Matti Hartmann
InterviewVon Matti Hartmann

Aktualisiert am 26.09.2021Lesedauer: 7 Min.
Chialo und Laschet: Der Musikmanager aus Berlin gehört zum sogenannten Zukunftsteam, das sich der Kanzlerkandidat der Union zusammengestellt hat.Vergrößern des Bildes
Chialo und Laschet: Der Musikmanager aus Berlin gehört zum sogenannten Zukunftsteam, das sich der Kanzlerkandidat der Union zusammengestellt hat. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)
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Früher war er Musiker, Grüner, Gewerkschafter. Heute ist er "Kelly Family"-Plattenmanager und Mitglied in Laschets "Zukunftsteam". Ein Gespräch mit Joe Chialo unter anderem über Rassismus und Ressentiments auch in der CDU.

Nur zwei Tage bevor Armin Laschet sein "Zukunftsteam" vorstellte, klingelte bei Joe Chialo das Telefon. Seither ist der Berliner Bundestagskandidat Experte der Union für Kreativwirtschaft und Innovation.

Bundestagskandidat für Berlin-Spandau

Mit t-online hat Chialo darüber gesprochen, wie viel Vorlauf man braucht, um Akzente zu setzen, welche Gegenkandidaten ihn am meisten beeindrucken, wie viel eigenes Geld er in seinen Wahlkampf buttert – und außerdem darüber, wie er Rassismus und Ressentiments auch innerhalb der CDU erlebt.

Herr Chialo, erinnern Sie sich gern an die 90er?

Joe Chialo: Ja. Es gab kein Ost-West mehr, vieles war im Entstehen und Berlin voller Baustellen.

Auch für Sie persönlich waren es wilde Jahre, oder?

Es war eine Zeit der Befreiung für mich. Ich bin 1970 in Bonn geboren worden, mein Bruder und ich kamen 1979 auf ein katholisches Ordensinternat bei Köln, um dort eine stabile Bildung zu erhalten. Seitdem habe ich nicht mehr mit meinen Eltern zusammengelebt. Mein Vater war für Tansania im diplomatischen Dienst tätig, da gehörte es dazu, dass er immer wieder versetzt wurde.

Im Internat bei den Salesianern Don Boscos hatte ich eine tolle Zeit. Aber nach dem Abitur habe ich es auch sehr genossen, das erste Mal ein eigenständiges Leben zu führen, fernab von Erziehern und Gruppen.

Sie wurden dann Sänger in der Cross-over-Band Blue Manner Haze – mit durchaus radikaler Attitüde.

Es war eine Neuerfindung meiner eigenen Person. Es hatte etwas von einer Umkehrung des Internats-Joes, der in den 80ern Fußball gespielt und Wham gehört hat. Die Grunge-Bewegung hat mich extrem hart beeinflusst. Das war eine Szene, die sich sehr kritisch mit dem eigenen Sein auseinandergesetzt hat.

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Und Sie waren einigermaßen erfolgreich.

Wir haben auf großen Festivals gespielt, auf dem Bizarre und bei Rock am Ring zum Beispiel. Aber es hat nicht gereicht, um davon leben zu können. Wir waren eher Kritikerlieblinge.

Inzwischen sind Sie Geschäftsführer einer Plattenfirma, die unter anderem die Kelly Family unter Vertrag hat. Können Sie diesen Satz vervollständigen: Die Kelly Family verhält sich zu Blue Manner Haze wie die CDU zu …?

Nein, das möchte ich nicht. Ich verstehe den Witz. Aber ich will die Kelly Family nicht im politischen Kontext instrumentalisieren.

Dann vielleicht andersherum: Als Sie mit Blue Manner Haze auf der Bühne standen und unter anderem gegen Rassismus gesungen haben, da haben sich Teile der CDU in "Das Boot ist voll"-Rhetorik geübt. Das waren gefährliche Jahre für viele, die anders aussahen als der Durchschnittsdeutsche.

Richtig.

Haben Sie selbst auch Rassismus erlebt?

Ich fürchte, es gibt keinen Schwarzen, der in Deutschland aufwächst und keine Erfahrungen mit Rassismus macht. Ich würde mich freuen, wenn es anders wäre.

Wie standen Sie damals zur CDU?

Es gab immer scharfzüngige und umstrittene Persönlichkeiten in der CDU, die haben wir ja leider jetzt auch noch. Aber man sollte so spitze Aussagen nicht über die ganze Breite einer Volkspartei niederregnen lassen.

Die CDU war immer mehr. In den 90ern stand sie vor allem für ein einiges Europa. Heiner Geißler oder Norbert Blüm waren prägende Figuren. Die haben sich immer gegen Ressentiments gestellt, und das sind genau die Menschen, die mich begeistert haben in der CDU.

Damals waren Ihnen aber noch die Grünen näher. Dort waren Sie eine Weile Parteimitglied.

Ich war damals auch Gewerkschaftsmitglied. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker gemacht, das ist etwas, was ich Kevin Kühnert oder Lars Klingbeil voraushabe. Ich habe mich solidarisiert mit der Arbeiterschaft, deshalb war ich bei der IG Metall.

Und warum waren Sie bei den Grünen?

Weil mich die Energie der Grünen begeistert hat, ihre aktivistische und radikale Hinwendung zur Natur. Sandoz, saurer Regen, Tschernobyl – das waren große Themen, und die Grünen haben klare Kante gezeigt. Das fand ich super.

Was hat Sie zum Austritt bewogen?

Die Risse in der Partei waren viel heftiger als heute, es gab die Fundis und die Realos. Dann kam der Krieg im Kosovo, wo der damalige Außenminister Joschka Fischer eine Position bezogen hat, die ich geteilt habe.

Dafür wurde er nicht nur inhaltlich hart angegriffen, sondern auch körperlich. Auf dem Parteitag in Bielefeld im Mai 1999 hat ihn jemand mit einem roten Farbbeutel beworfen. Mich hat schon vorher einiges befremdet bei den Grünen. Aber das war endgültig zu viel, da bin ich gegangen.

Was hat Sie dann später zur CDU geführt?

Ich bin als katholischer Christ sozialisiert, ich kann mich also mit dem christlichen Menschenbild sehr gut identifizieren. Was dann 2015 vor den Toren Deutschlands passiert ist, die Zerreißprobe, die dieses Land damals erlebte – das hat mich wie alle anderen auch nicht kaltgelassen. Ich hatte großen Respekt vor der klaren Haltung von Bundeskanzlerin Merkel, die gesagt hat, sie möchte Menschen in Not nicht alleinlassen.

Nirgendwo ist das so hart diskutiert worden wie in der Union. Man denke nur daran, wie Horst Seehofer sie auf dem CSU-Parteitag minutenlang schmoren ließ. In dieser Situation wollte ich noch mehr mit den Menschen in dieser Partei diskutieren und mich engagieren. Und deshalb bin ich eingetreten.

Wann haben Sie Armin Laschet kennengelernt?

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Anfang dieses Jahres.

Und wie viele Tage vor der Vorstellung seines Zukunftsteams hat er Sie gefragt, ob Sie dabei sein möchten?

Zwei Tage.

Zwei Tage? Wie kann man in so kurzer Zeit denn noch inhaltliche Akzente setzen?

Nein, nein, nein. Das stellen Sie sich falsch vor. Schon als ich Armin Laschet Anfang des Jahres kennengelernt habe, hat er sehr interessiert zugehört, was ich zu sagen hatte. Ich habe ihm erzählt, was ich mache: Ich komme aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die während der Pandemie eine extrem harte Zeit erlebt hat, und ich habe ihm von den Sorgen und Nöten der Soloselbstständigen berichtet, von denen der Musikerinnen und Musiker, von den Veränderungen, die sich die Branche wünscht.

All das haben wir besprochen, auch als wir uns später bei anderen Gelegenheiten erneut getroffen haben. Und es war spannend, wie er das aufgenommen hat. Er ist ein unheimlich empathischer Zuhörer. Als er mich dann gefragt hat, ob ich Teil seines Teams werden will, musste ich nicht lange überlegen.

Laschet hat kürzlich ein "Sofortprogramm" für die ersten 100 Tage nach der Wahl vorgestellt. Von der Kultur- und Kreativwirtschaft ist darin nichts zu lesen.

Ich werde als Mitglied des Zukunftsteams für Kultur- und Kreativwirtschaft am Montag einen eigenen Aufschlag in Berlin haben, wo es um das Thema geht. Gemeinsam mit Armin Laschet und Monika Grütters. Wir wollen die Bazooka rausholen für die Kultur. Es geht darum, sicherzustellen, dass wir jetzt nicht nur ein Pünktchen machen, sondern ein Ausrufezeichen setzen.

Werden Sie konkrete Vorhaben verkünden?

Ich werde erste Punkte präsentieren, die mir für die Kultur- und Kreativwirtschaft wichtig sind. Und die werden auch Teil des Sofortprogramms sein. Deswegen ist Armin Laschet ja da: weil er mir das zutraut, gemeinsam mit Frau Grütters diese Punkte vorzubereiten.

Was werden Sie genau vorschlagen?

Das werden Sie am Montag hören.

Jüngst konnte man bei Twitter ein Video sehen, das viele einigermaßen skurril fanden. Während Leslie Mandoki eher kritisch guckt, singen unter anderem Uschi Glas und Sie aus vollem Hals "Armin Laschet wird Kanzler". Glauben Sie das wirklich?

Ich bin davon überzeugt, dass er Kanzler wird.

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Wollen Sie dann Minister werden?

Ich strebe nicht nach Pöstchen. Ich möchte im Parlament Gestaltungsmöglichkeit haben.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, in den Bundestag einzuziehen?

Fifty-fifty. Ich stehe nicht auf der Berliner Landesliste. Entweder ich gewinne in Spandau/Charlottenburg Nord die meisten Erststimmen, oder ich komme nicht in den Bundestag.

Was haben Sie für ein Gefühl?

Wenn ich in Spandau unterwegs bin, merke ich, dass mich sehr viele Leute kennen und Bock auf meine Ideen haben. Ich muss aber auch sagen, dass die anderen Mitbewerber auch ein aufrichtiges Interesse daran haben, etwas für den Bezirk zu tun. Die werden sich mit Sicherheit ebenfalls für Spandau zerreißen. Aber am Ende müssen die Wähler entscheiden.

Welcher Ihrer Gegenkandidaten beeindruckt Sie besonders?

Mich beeindrucken zwei Kandidaten besonders: Steffen Laube von den Grünen und Dominik Znanewitz von der FDP. Sie sind mit 25 und 27 beide noch sehr jung. Aber in den Diskussionsrunden, die wir zusammen an verschiedenen Schulen hatten, haben sich beide durch klare Haltung, thematische Tiefe und Interesse an den Argumenten der anderen hervorgetan.

Herr Laube hat uns vor dem Interview mit Ihnen verraten, was er für ein Wahlkampfbudget hat: 2.500 Euro für Plakate, 4.000 Euro für die Gehälter seiner Wahlkampfmanagerin und einer Fotografin, 1.000 Euro für Veranstaltungen, 2.000 Euro für Flyer und Werbegeschenke, 420 Euro für seine Webseite und 500 Euro für Werbeanzeigen. Wie hoch ist Ihr Budget?

Sicherlich um einiges höher, aber da macht jeder, was er kann.

Er ist Student und Sie erfolgreicher Manager. Buttern Sie eigenes Geld in Ihren Wahlkampf?

Absolut. Ich habe einen hohen Eigenanteil.

Eine vierstellige oder eine fünfstellige Summe? Nennen Sie mal eine Hausnummer.

Von einer mittleren fünfstelligen Summe kann man schon sprechen. Aber das ist doch auch okay. Herr Laube hat eine andere Klientel, eine andere Coolness, eine andere Glaubwürdigkeit, eine andere Art zu kommunizieren. Ich denke ja nicht, dass man sich das alles erkaufen sollte. Aber für mich war es mit hohen Kosten verbunden, mich in Spandau bekannt zu machen, mir hier eine Base aufzubauen.

Und der Wahlkampf macht mir viel Spaß. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt. Wenn ich die künftig im Bundestag vertreten darf, freue ich mich. Aber ich freue mich auch, wenn wir auf eine andere Art und Weise miteinander zu tun haben werden.

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