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Rosenmontag in Aachen: Der Öcher Kulturkampf zieht mit


Karneval in Aachen
Beim Rosenmontagszug zieht der Öcher Kulturkampf mit

Von t-online, kk

Aktualisiert am 03.03.2025 - 18:40 UhrLesedauer: 4 Min.
Öcher Kulturkampf 2025: Autofahrer kämpfen gegen Radfahrer um die Herrschaft über die Aachener Straßen.Vergrößern des Bildes
Öcher Kulturkampf 2025: Autofahrer kämpfen gegen Radfahrer um die Herrschaft über die Aachener Straßen. (Quelle: Katrin Krause)
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Karnevalsfieber in Aachen: Der Rosenmontagszug zieht bei bestem Wetter durch die Innenstadt und vereint Tradition, Kreativität und Lokalpolitik.

Es ist kurz vor 11 Uhr am Rosenmontag in Aachen. Auf dem Adalbertsteinweg sammeln sich rund 8.000 Zugteilnehmer. Auf der Strecke quer durch Aachens Innenstadt warten knapp 200.000 Karnevalisten auf sie. Der Zug führt vom Adalbertsteinweg über Wilhelm- und Theaterstraße zum Elisenbrunnen und von dort aus weiter Richtung Markt und Rathaus.

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11.10 Uhr: "Eine Minute noch", ruft jemand auf Höhe der Josefskirche ins Mikrofon. Die Jecken, die zu Fuß unterwegs sind, ziehen sich langsam von den Bürgersteinen und aus den Kneipen am Adalbertsteinweg zurück auf die Straße. Nur die Öcher Marktweiber haben die Ruhe weg. Bevor der Zug sich in Bewegung setzt, sind sie – zwischen frischen Erdäpfeln und dicken Kohlköpfen – noch in ihre Smartphones vertieft.

Die Stadtreiter gehören zum Aachener Karneval

11.11 Uhr: Der Zug setzt sich in Bewegung – vorneweg 10 Pferde mit ihren Besitzern. Die "Stadtreiter" haben sich vor einigen Jahren aus einer aufgelösten Polizeireiterstaffel gebildet, erklärt Frank Prömpeler, Präsident vom Festausschuss des Aachener Karnevals. Sie laufen an der Spitze des Zuges, um die fliegende Kamelle von ihnen fernzuhalten und um die Lautstärke für sie zu reduzieren. So hätten die Tiere etwas weniger Stress, sagt Prömpeler.

In Bonn werden seit 2022 bereits keine Pferde mehr auf dem Rosenmontagszug eingesetzt. Die Tierschutzorganisation PETA ruft seit Jahren dazu auf, keine Pferde mehr auf den Rosenmontagszügen mitlaufen zu lassen. Doch Aachen sei nun mal eine Reiterstadt, so Prömpeler. Schließlich sei auch das Weltfest des Pferdesports, das CHIO, in Aachen beheimatet.

11.30 Uhr: Die Stadtreiter haben den Kaiserplatz erreicht. "Oh Ponys", sagt ein als Krake verkleidetes Mädchen und fragt ihren Vater, wann es Süßigkeiten gibt. "Dauert nicht mehr lang", antwortet der. Um 11.35 Uhr tauchen die ersten Wägen am Kaiserplatz auf.

Öcher Kulturkampf: Fahrradfahrer gegen Autofahrer

Der Wagen, der in diesem Jahr die Augen besonders auf sich zieht, ist ein Motivwagen des Festausschusses Aachener Karneval – frisch aus der Werkstatt des Düsseldorfer Wagenbauers Jacques Tilly. Zu sehen ist ein Autofahrer mit vor Wut verzogener Fratze. Er sitzt in einem schwarz-gelben Auto und hält eine Lanze in denselben Farben. Sein Kontrahent: ein verkniffen schauender Radfahrer mit einer rot-grünen Lanze.

Der ritterliche Zweikampf, der auf dem Wagen ausgefochten wird, trägt den Titel "Öcher Kulturkampf 2025". Dieser "Kulturkampf" findet in Aachen schon seit einigen Jahren zwischen Autofahrern und Radfahrern statt. Es geht um die Frage, wie der städtische Verkehrsraum verteilt werden soll. Autofahrer wehren sich gegen Einschränkungen und neue Radwege. Fahrradaktivisten fordern eine fahrradfreundlichere Stadt.

Ein besonderer Clou: Das Gesicht des Autofahrers aus Holz, Stahlgerüst, Kaninchendraht, Seidenpapier und Farbe ist dem von Hans Dieter Schaffrath nachempfunden, dem Vorsitzenden des Bürgervereins "Mobile Vernunft", der sich gegen die Benachteiligung von Autofahrern einsetzt.

Das Gesicht des radfahrenden Ritters ähnelt dem von Jan van den Hurk, einem Mitbegründer des Radentscheids Aachen und mobilitätspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion. Die Farben der Lanzen (rot-grün) und (schwarz-gelb) spiegeln die jeweiligen Parteipositionen wieder (Pro Auto: CDU und FDP; Pro Radverkehr: SPD und Grüne).

Kostüme spielen auf Baustellen und Parkproblematik an

"Nicht schlecht", kommentiert ein Mann den Mottowagen. Er ist mit einigen Karnevalsorden dekoriert. Sein Freund ist als Napoleon Bonaparte verkleidet. Er lacht und sagt, er könne sich mit beiden Figuren identifizieren. Schließlich sei er sowohl genervter Auto- als auch genervter Radfahrer.

Doch nicht nur der Mottowagen greift das Verkehrsthema auf. Auch viele Jecken haben die Aachener Baustellen und das Verkehrschaos in ihren Kostümen humorvoll interpretiert. So trägt ein Pärchen etwa einen blauen Filzanzug. "Wir sind Aachener Parkscheiben", sagt der Mann in dem Filzanzug. In gekennzeichneten Flächen sei das Parken nur zwei Stunden erlaubt, steht auf seiner Kappe.

Rosenmontagszug in Aachen: Sonnenschein und zehn Grad

12 Uhr: Am Theater drängen sich die Leute auf den Bürgersteinen dicht aneinander. Die Sonne scheint kräftig. Es ist etwa 10 Grad. Anne aus Brand hat sich als Eichhörnchen verkleidet, aber schnell festgestellt, dass ein Plüschkostüm an diesem Rosenmontag viel zu warm ist. Ihre Freundin hat sich als Sonne verkleidet. In der Nähe stehen zwei junge Frauen, die als Frühlingsblumen gehen.

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12.30 Uhr: Vor der Karnevalskneipe Stehgraa ist die Stimmung ausgelassen. Die Öcher Jecken trinken Bier in der Sonne. Einer von ihnen trägt Handschuhe, eine Warnweste, ein Klemmbrett mit einem vollgeschriebenen Zettel und einen Stift in der Brusttasche. Prüfend schaut er durch die Menge. Auf den ersten Blick ist man sich nicht ganz sicher, ob er auf dem Weg zur Theaterbaustelle ist, oder Karneval feiert.

Doch eine Aufschrift auf seinem weißen Helm verrät den Aachener: "Helm" steht darauf. In der behandschuhten Hand hält er eine Bierflasche. Thomas sagt, er habe gerade eine Ausbildung im elektrotechnischen Bereich angefangen. Da habe er nicht viel kaufen müssen, sein Kostüm sei gleichzeitig auch seine Arbeitskleidung. Überhaupt tragen viele junge Männer in der RWTH-Stadt am Rosenmontag Helm und Baustellenoutfit. Das sei einfach "typisch Aachen", sagt Thomas.

Fantasiewesen, Tiktok und besonders aufwendige Kostüme

12.45 Uhr: Doch neben den ganz praktischen, günstigen und schnellen Kostümen, trifft man beim Aachener Rosenmontagszug auch auf unzählige Fantasiewesen und Menschen, die seit Monaten an ihren Kostümen gearbeitet haben. Saskia steht an der Theaterstraße. Seit September bastelte sie an ihrem Kopstüm. "Spengler" steht auf ihrem beigen Overall – in Anlehnung an Dr. Egon Spengler, eine der Hauptfiguren aus den Ghostbusters-Filmen.

Doch den Overall zu fertigen, das sei nicht die größte Herausforderung gewesen, sagt Saskia. Am aufwendigsten sei die Herstellung des "Protonenpacks" gewesen. Das ist der Rucksack, mit dem die Ghostbusters auf Geisterjagd gehen. Dafür habe sie Monate gebraucht. Die Basis dafür sei eine alte Laptoptasche und eine alte Yogamatte gewesen. Die habe sie dann mit Elektroschrott beklebt.

13 Uhr: Inzwischen schaut kein Öcher Marktweib mehr auf das Handy, so viel ist zu tun, so viel zu verteilen, so häufig die Arme in die Luft zu werfen. Einige der Wagen sehen inzwischen aus als hätten sie Altpapier abgeholt, so viele leere Kamelle-Kartons stapeln sich auf den Wägen.

Mehr als die Hälfte der fünf Zugkilometer des Aachener Rosenmontagszugs sind zurückgelegt. Für einige der jüngeren Teilnehmer ist allerdings auch jetzt schon der Zug vorbei. Am Elisenbrunnen sitzt eine Vogelscheuche und stützt den Kopf mit den Händen ab. Freunde bringen ihm eine Flasche Wasser vorbei.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
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