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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krieg in der Ukraine Putin droht Trump

Das Telefonat zwischen Donald Trump und Wladimir Putin verlief für die Ukraine enttäuschend. Während der Kremlchef auf Zeit spielt, redet der US-Präsident die Ergebnisse schön. Was bedeuten die Ergebnisse nun für den Krieg?
Er hat im Vorfeld hohe Erwartungen geweckt, den Mund erneut sehr voll genommen. Doch das Ergebnis des Telefonats von US-Präsident Donald Trump mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Dienstag ist ernüchternd. Im Vorfeld hatten sich die USA und die Ukraine bei Gesprächen in Saudi-Arabien vergangene Woche auf eine Waffenruhe verständigt.
Das lehnt Putin ab und gab Trump einen Korb.
Die anschließenden Presseerklärungen aus dem Weißen Haus und dem Kreml lesen sich teilweise, als hätten Trump und Putin an unterschiedlichen Gesprächen teilgenommen. Einig ist man sich lediglich darüber, dass die USA und Russland ihr Verhältnis normalisieren möchten – beide Länder sehen Potenzial für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen, und Trump und Putin sollen in ihrem anderthalbstündigen Gespräch auch über ein Eishockeyspiel mit russischen und US-Stars gesprochen haben.
Die Annäherung zwischen Russland und den USA geht weiter. Nur die Ukraine scheint immer mehr unter die Räder dieses Prozesses zu kommen, den Trump und Putin vorantreiben.
Die Einigkeit der beiden Präsidenten endet eben dort, beim Ukraine-Krieg. Während Putin seinen Krieg weiterführt, spielt er in den Gesprächen mit den Amerikanern auf Zeit. In einem öffentlichen Statement droht der Kreml den USA sogar mit einer Eskalation, sollte der Westen seine militärische Unterstützung für die Ukraine nicht aufgeben. Der US-Präsident lässt sich von Russland vorführen.
Russland hält an Kriegszielen fest
Das alles fing schon vor dem eigentlichen Telefonat an. Putin saß noch zu der für das Gespräch verabredeten Zeit in einer Konferenz im russischen Fernsehen. Als ihn der Moderator darauf ansprach, dass er nun eigentlich mit Trump reden müsse, erwiderte der Kremlchef: "Er wird merken, dass wir hier noch eine Diskussion haben."
Putin ließ Trump warten. Das ist ein politisches Instrument, das Russland in der Vergangenheit oft anwandte, um seine angebliche Macht zu demonstrieren.
Danach einigten sich die beiden Staatschefs offenbar auf eine 30-tägige Aussetzung russischer Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur. Putin habe der Armee umgehend einen entsprechenden Befehl erteilt, hieß es aus Moskau und Washington. Doch ob sich Russland an diese Einigung hält, ist bislang unklar. Denn in der Nacht gab es erneut Luftalarm in Kiew, im Norden des Landes wurden auch zwei Krankenhäuser angegriffen. Das muss noch keinen Wortbruch Putins bedeuten, aber die Angriffe sind ein fatales Signal.
- Kommentar zum Telefonat zwischen Putin und Trump: Ein erbärmliches Eingeständnis
Denn auch dadurch wächst die Sorge, dass Russland womöglich zu keinerlei Kompromissen bei seinen Kriegszielen bereit ist. Für Putin ist dieses Zugeständnis eigentlich nicht besonders teuer, denn es geht auf den Frühling zu, und Russland versuchte vor allem im Winter, die ukrainische Bevölkerung mit derartigen Angriffen zu demoralisieren.
Dass wenige Stunden nach dem Telefonat erneut russische Bomben und Drohnen auf zivile Ziele in der Ukraine fliegen, kann auch als Signal gegenüber Trump gewertet werden: Es wird unter den aktuellen Vorzeichen keinen Deal geben, bis die russischen Kriegsziele erreicht werden.
In einem öffentlichen Statement aus Moskau stellte der Kreml nach dem Telefonat der Präsidenten klar: Eine vollständige Waffenruhe käme erst dann infrage, wenn der Westen keine Waffen mehr an die Ukraine liefern und die ukrainische Armee ihre Mobilisierungen stoppen würde. Das käme einer Kapitulation gleich. So schrieb der Kreml: "Die vollständige Beendigung der ausländischen Militärhilfe für Kiew und die Einstellung der Bereitstellung von Geheimdienstinformationen an Kiew sind die zentralen Voraussetzungen dafür, eine Eskalation des Konflikts zu verhindern."
Damit droht Putin den USA mit einer zusätzlichen Eskalation. In dieses Bild passt auch, dass Russland erwägt, weitere ukrainische Gebiete zu beanspruchen, falls der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht schnell den russischen Forderungen zustimmt. Die Ukraine müsse den Verlust der Krim und der Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson anerkennen, soll Putin der Tageszeitung "Kommersant" zufolge bei einem Treffen mit russischen Unternehmern hinter verschlossenen Türen gesagt haben. Tue Kiew dies in nächster Zeit nicht, werde Moskau Ansprüche auf Odessa und andere Regionen erheben. Sie würden es nicht schaffen, die russischen Truppen weiter aufzuhalten, soll Putin gesagt haben. "Sie schaffen es nicht, sich einzugraben."
Trump redet Ergebnis schön
Dieser russische Optimismus erklärt, warum Putin Trump ins Leere laufen lässt. Er steht momentan nicht sonderlich unter Druck, seine Kriegsziele anpassen zu müssen. Im Gegenteil: Russland erlaubt sich sogar immer weitere Provokationen, auch gegenüber den Amerikanern. Der ehemalige russische Präsident und Putin-Vertraute Dmitri Medwedew schrieb nach dem Telefonat auf X: "Es gibt nur Russland und Amerika im Esszimmer. Der Hauptgang ist ein Schnitzel nach Kiewer Art. Guten Appetit!"
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Das ist erneut eine kleine Niederlage für Trump, der sich für eine Waffenruhe und für ein schnelles Kriegsende ausgesprochen hatte. Denn am Ende möchte er wahrscheinlich nicht der US-Präsident sein, der Russland den Weg zum Kriegssieg geebnet hat. Doch momentan sieht es eben danach aus.
Trump verzichtet noch immer darauf, den Druck auf Putin zu erhöhen. Keine weiteren Sanktionen, keine ausgebaute militärische Hilfe für die Ukraine. Stattdessen ignorierte der US-Präsident die russischen Drohungen, sprach von einem "guten" Telefonat mit Putin und schimpfte in einem Interview auf dem US-Sender Fox News über seinen Vorgänger Joe Biden. Trumps Botschaft: Mit ihm als Präsident wäre der Krieg nicht ausgebrochen.
Außerdem beteuerte der US-Präsident, dass er und Putin gar nicht über einen Stopp der militärischen Unterstützung für die Ukraine gesprochen hätten. "Nein, das hat er nicht. Wir haben nicht über Hilfen gesprochen", sagte der US-Präsident. Die Äußerungen aus Moskau, in denen genau das behauptet wurde, kommentierte er dagegen nicht. Zwar stellte Trump das Gespräch insgesamt immer noch als "großartig" dar. Doch er verzichtete darauf, sich für den angeblichen Verzicht Putins, ukrainische Infrastruktur zu attackieren, selbst auf die Schulter zu klopfen.
Auch dadurch liegt der Rückschluss nahe: Trump hat im Gespräch mit Putin eine diplomatische Niederlage erlitten.
Verhandlungen in Saudi-Arabien haben wenig Aussicht auf Erfolg
Aber was bedeutet das nun für die Ukraine? Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nannte das Ergebnis des Gesprächs am Mittwochmorgen eine "Nullnummer". "Also Putin spielt hier ein Spiel", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". "Ich bin sicher, dass der amerikanische Präsident da nicht lange wird zusehen können."
Doch momentan tut Trump eben genau das. Er lässt sich vom russischen Präsidenten durch die Manege führen, um vor allem innenpolitisch Tatendrang zu suggerieren. Davon hat die Ukraine nicht viel. Sie kann nur hoffen, dass der Druck auf die US-Regierung steigen wird, sodass Trump wiederum bereit ist, seine Möglichkeiten gegenüber Putin auszuschöpfen. Bislang ist er das nicht. Aber irgendwann wird auch in den USA der Druck auf den US-Präsidenten steigen, sollte er weiterhin keine Ergebnisse liefern.
Wenige Stunden nach dem Telefonat sagte Trumps Sondergesandter Steve Witkoff am Dienstag in einem Interview mit dem Sender Fox News, dass die Gespräche über ein Waffenruheabkommen zwischen Russland und der Ukraine "am Sonntag in Dschidda beginnen werden".
Die Gespräche in Saudi-Arabien haben allerdings wenig Aussicht auf Erfolg, solange sich Russland nicht kompromissbereiter zeigt. Dafür müssten die USA und die EU-Staaten die Ukraine wieder in eine stärkere Position versetzen. Denn momentan ist Putins Hebel für erfolgreiche Verhandlungen viel zu lang, und die ukrainische Führung wird auch in Saudi-Arabien keinem Deal zustimmen können, der mittelfristig ihre Existenz erneut gefährden würde. Doch Sicherheitsgarantien können eigentlich nur die Nato-Staaten geben, und dazu ist Trump nicht bereit. Es bleibt ein Dilemma.
- Eigene Recherche
- foxnews.com: Trump explains complex negotiations with Putin: 'A lot of guns pointing at each other' in the war (englisch)
- Nachrichtenagenturen dpa und afp