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Ukraine-Krieg: Kursk-Offensive in Russland vor Amtsantritt von Trump


Ukraine startet Überraschungsoffensive
Es bahnt sich ein Showdown an


Aktualisiert am 07.01.2025 - 09:00 UhrLesedauer: 5 Min.
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Russische Soldaten in der Region Kursk (Archivbild): Die ukrainische Armee hat in dem Gebiet eine Offensive gestartet. (Quelle: IMAGO/Sergey Bobylev/imago)
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Am Wochenende hat die Intensität der Gefechte in der russischen Region Kursk zugenommen. Die Ukrainer rücken offenbar vor. Was steckt hinter dem überraschenden Vorstoß?

Erneut ist es der ukrainischen Armee offenbar gelungen, die Kremltruppen in der russischen Region Kursk zu überrumpeln. Am Wochenende haben ukrainische Einheiten in dem Gebiet im Westen Russlands eine Offensive gestartet. Bis zum späten Sonntagabend soll es schwere Gefechte gegeben haben. Der Generalstab in Kiew meldete in seinem abendlichen Lagebericht insgesamt 42 einzelne bewaffnete Zusammenstöße in der westrussischen Region. "Zwölf Gefechte dauern zur Stunde noch an", hieß es.

Doch auch die russische Armee versucht wohl einen Vorstoß in der Region. Das zumindest meldet ein ukrainischer Soldat, der in Kursk stationiert sein soll, auf der Plattform X. Es handele sich dabei um die "größte russische Offensive" in Kursk seit der ukrainischen Invasion in das Gebiet Anfang August, schreibt der Soldat unter dem Pseudonym "Kriegsforscher". Gut 40 gepanzerte Fahrzeuge sollen beteiligt sein. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

In Kursk bahnt sich dieser Tage offenbar ein Showdown an. Denn der Zeitpunkt der gegenseitigen Vorstöße kommt nicht von ungefähr: In zwei Wochen, am 20. Januar, wird der designierte US-Präsident Donald Trump vereidigt. Tausende Kilometer von Washington entfernt versuchen offenbar sowohl Russland als auch die Ukraine, sich auf den Machtwechsel vorzubereiten. Beide Kriegsparteien wollen auf dem Schlachtfeld Fakten schaffen. Der Ausgang der jüngsten Entwicklungen ist dabei noch völlig offen.

"Die Russen in der Region Kursk machen sich große Sorgen"

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine kursiert derzeit in der öffentlichen Debatte immer wieder das Wort "Frieden". Das hat vor allem mit Trumps vollmundigem Versprechen zu tun, nach seinem Amtsantritt den Krieg binnen 24 Stunden beenden zu wollen. Während Trump bisher einen detaillierten Plan schuldig bleibt, wollen Moskau und Kiew ihre jeweilige Position mit Blick auf mögliche Verhandlungen stärken.

Angesichts der gelungenen Vorstöße triumphierte der ukrainische Generalstab bereits leise: "Die Russen in der Region Kursk machen sich große Sorgen, weil sie aus mehreren Richtungen angegriffen wurden und dies für sie überraschend kam", hieß es im Lagebericht. Russische Medien hingegen berichteten am Abend lediglich über abgewehrte Drohnenangriffe bei Kursk. Über Verluste, Erfolge oder veränderte Frontlagen machten beide Seiten keine Angaben.

Laut russischen Militärbloggern sollen die ukrainischen Einheiten hingegen östlich und nordöstlich der Stadt Sudscha auf einer Hauptstraße in Richtung der Gebietshauptstadt Kursk vorgerückt sein. Die Ukrainer hatten Sudscha bereits während der August-Offensive erobert. Über den möglichen Hintergrund der neuen ukrainischen Offensive sind sich die russischen Blogger jedoch uneins: Manche haben ein Ablenkungsmanöver zur Vorbereitung von möglicherweise entscheidenden Vorstößen im Verdacht. Gerüchte über eine ukrainische Offensive kursieren unter Russlands Militärreportern bereits seit Tagen.

Wohl bereits 34.000 Russen in Kursk gefallen

Womöglich aber wollten die Ukrainer den Russen schlicht zuvorkommen. Immer wieder heißt es, der russische Präsident Wladimir Putin habe den Befehl gegeben, Kursk bis zum 20. Januar vollständig zurückzuerobern. Bisher laufen die russischen Bemühungen dazu jedoch selbst mit nordkoreanischer Unterstützung schleppend. Laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj soll bereits ein Bataillon der Nordkoreaner, also rund 500 Soldaten, in Kursk gefallen sein. Insgesamt soll die russische Armee laut dem ukrainischen Armeechef Olexander Syrskyj seit August rund 34.000 Mann in Kursk verloren haben.

Die russische Offensive zur Rückeroberung von Kursk ging laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) auch am Wochenende weiter. Vor allem südöstlich von Sudscha sollen die Russen demnach vorgedrungen sein. Immer wieder fallen dem aktuellen ISW-Lagebericht zufolge jedoch mechanisierte Verbände der russischen Armee ukrainischen Drohnenschlägen zum Opfer.

Aktuell stellt demnach die ukrainische elektronische Kriegsführung in Verbindung mit der laufenden Bodenoperation die Russen in Kursk vor erhebliche Probleme. Mit Störsendern gehen die Ukrainer gegen russische Drohnen vor, um diese daran zu hindern, die vorstoßenden ukrainischen Einheiten anzugreifen. Laut russischen Militärbloggern sollen nur noch mit Glasfaserkabeln ausgestattete russische Drohnen in Kursk fliegen können.

"Der Kompromiss kann ukrainisches Land kosten"

Der Militäranalyst Emil Kastehelmi bleibt angesichts der ukrainischen Vorstöße skeptisch. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen zu nennenswerten Ergebnissen führen könnten", schreibt der Finne auf X. Die Ukrainer stünden einem stärkeren Gegner gegenüber, so Kastehelmi. Durch das Überraschungsmoment seien zwar taktische Erfolge oder die Eroberung einzelner Dörfer möglich, "im Großen und Ganzen wird die allgemeine Situation jedoch wahrscheinlich gleich bleiben".

Selbst wenn die Ukrainer zehn Kilometer vorrücken würden, schreibt Kastehelmi, blieben die Gefechte in etwa im selben Gebiet, in dem bereits seit Monaten gekämpft werde. "Es ist sehr schwierig, eine Truppe zu versammeln, die stark genug ist, um die Situation operativ signifikant zu verändern", erklärt der Militärexperte.

Kastehelmi sieht sowohl Vorteile als auch Nachteile des ukrainischen Vorgehens in Kursk. Besonders in Donezk gerieten die Ukrainer derzeit ins Hintertreffen. "Der Kompromiss, mehr Truppen in Kursk zu stationieren, kann ukrainisches Land kosten." Besonders die Lage bei Pokrowsk in Donezk ist brenzlig. Ein Erfolg ist Russlands Soldaten laut Angaben des Verteidigungsministeriums am Montag gelungen: Die Stadt Kurachowe soll eingenommen worden sein. Die Kämpfe um Kurachowe haben rund zwei Monate gedauert. Die Ukrainer konnten den Ort damit länger halten, als Experten eigentlich vermutet hatten.

Video | Marinedrohne schießt russischen Hubschrauber ab
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Quelle: t-online

In Kursk sei es den Ukrainern laut Kastehelmi aber in den vergangenen Wochen gelungen, sich einzugraben. Die andauernden Kämpfe auf russischem Territorium würden so mehr und mehr zu einem politischen Problem für Putin. Russland habe zudem gut ausgebildete und gut ausgerüstete Truppen nach Kursk verlegt, die aber bei der Rückeroberung nur geringe Erfolge erzielten. "Die Ukrainer wollen wahrscheinlich, dass dies so bleibt, was die jüngsten Entwicklungen erklären könnte", so Kastehelmi.

Blinken: "Ihre Position in Kursk ist wichtig"

Die politische Dimension der neuen Kursk-Offensive sieht auch der scheidende US-Außenminister Antony Blinken – wohl auch mit Blick auf Trumps Einzug ins Weiße Haus. Die Lage der ukrainischen Streitkräfte in der Region ist nach seiner Einschätzung von entscheidender Bedeutung für künftige Verhandlungen.

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"Ihre (die der Ukrainer, Anm. d. Red.) Position in Kursk ist wichtig, denn sie ist sicherlich ein Faktor bei den Verhandlungen, die im kommenden Jahr zustande kommen könnten", sagte Blinken am Montag am Rande seines Besuchs in Südkorea. Die scheidende US-Regierung unter Präsident Joe Biden wolle sicherstellen, dass Kiew im Falle von Verhandlungen "die bestmöglichen Karten hat", fügte er hinzu.

Blinken betonte, dass die Ukraine auch im Falle von Verhandlungen "angemessene Sicherheitsgarantien" gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin benötige. Dessen "imperiale Ambitionen" würden bestehen bleiben, sagte der US-Außenminister. Putin werde versuchen, "sich auszuruhen, nachzurüsten und letztendlich wieder anzugreifen". Daher brauche es eine "angemessene Abschreckung, damit er das nicht tut", forderte Blinken.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Selenskyj: Letzten Endes müsse der designierte US-Präsident Donald Trump den russischen Präsidenten zu einem Waffenstillstand bewegen, sagte der ukrainische Präsident in einem Gespräch mit dem US-Podcaster Lex Fridman. Dann aber wären starke Sicherheitsgarantien nötig. "Denn ein Waffenstillstand ohne Garantien ist wie ein Freibrief für Putin", warnte Selenskyj. Er sah Trump vor einer schwierigen Aufgabe. "Aber wartet nicht darauf, dass Putin von sich aus den Krieg beenden will."

Verwendete Quellen

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