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Atomkraftwerk Kursk: Experte warnt vor Angriff der Ukraine


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Atomkraftwerk in Kursk
"Es kann zu einer lokalen Kernschmelze kommen"


23.08.2024Lesedauer: 3 Min.
Das Atomkraftwerk Kursk: Russland warnt vor einem schweren Reaktorunglück.Vergrößern des Bildes
Das Atomkraftwerk Kursk: Russland warnt vor einem schweren Reaktorunglück. (Quelle: IMAGO/Ilya Pitalev)
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Wladimir Putin wirft der Ukraine vor, das Atomkraftwerk Kursk anzugreifen. Der Chef der Internationalen Atomaufsichtsbehörde warnt vor einem Reaktorunfall. Die Situation ist kompliziert.

Seit dem Vorstoß der ukrainischen Armee auf die russische Region Kursk ist ein Gebäude besonders oft Thema von Diskussionen: das Atomkraftwerk Kursk, etwa 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Am Freitag warf Russland der Ukraine vor, das Kraftwerk mit einer Drohne angegriffen zu haben. Es handele sich um einen Akt von "nuklearem Terrorismus", zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur "Tass" die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau.

Die russischen Anschuldigungen erscheinen angesichts der von "Tass" veröffentlichten Bilder allerdings haltlos. Einerseits ist auf den Bildern nicht erkenntlich, dass die Drohne das Atomkraftwerk angegriffen hat. Andererseits hat die abgebildete Drohne nicht die Angriffskraft, um das Gebäude ernsthaft zu beschädigen – außerdem zeigen die von Russland veröffentlichten Bilder eine Drohe, die von ihrem Piloten nur wenige Kilometer weit gesteuert werden kann.

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Trotzdem geraten Atomkraftwerke in diesem Krieg oft unter Beschuss. Es stellt sich die Frage: Was passiert, wenn das Atomkraftwerk in Kursk wirklich zum Ziel eines Angriffs mit schweren Waffen wird? Immerhin warnt Rafael Grossi, der Generaldirektor der Internationalen Atomaufsichtsbehörde (IAEA), in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender Bloomberg vor einem "zweiten Tschernobyl". Denn der in Kursk verbaute Reaktor ist baugleich mit dem Tschernobyl-Reaktor, der im Jahr 1986 explodierte.

Experte: Situation wie in Tschernobyl ist ausgeschlossen

Sören Kliem, Experte für Reaktorsicherheit am Helmholtz-Zentrum in Leipzig, gibt im Gespräch mit t-online Entwarnung. "Eine Situation wie in Tschernobyl ist ausgeschlossen", sagt Kliem. Das liege an der Natur eines Angriffes auf das Atomkraftwerk. Denn eine Rakete könne nur Teile des Reaktors beschädigen. Die Brennelemente im Reaktor seien allerdings separat gesichert, die Wahrscheinlichkeit eines verheerenden Unfalls sei dementsprechend gering.

Allerdings könne selbst ein kleinerer Unfall im Atomkraftwerk Strahlung freisetzen. "Beschädigt eine Rakete die Kühlung der Brennelemente, kann es zu einer lokalen Kernschmelze kommen", erklärt Kliem. Die Restwärme des Reaktors könne dann nicht mehr abfließen. "Ein bisschen wie bei der Atomkatastrophe in Fukushima". Doch der Experte fügt hinzu: "Eine Katastrophe dieses Ausmaßes ist wirklich unwahrscheinlich." In Deutschland müsse man sich im Falle eines Angriffes vermutlich keine Sorgen machen.

IAEA-Chef: Situation bereitet mir große Sorgen

Warum sieht Grossi, Chef der IAEA, trotzdem die Gefahr einer Katastrophe? Im Interview mit Bloomberg erklärt Grossi, es gebe im AKW Kursk keine schützende Betonkuppel, der die Reaktoren vor einem Artilleriebeschuss abschirmen könnte.

"Und wenn man die Tatsache hinzurechnet, dass die ukrainischen Truppen so weit vorrücken, dass ihre Artillerie das Kraftwerk treffen könnte, dann bereitet der Agentur und mir das natürlich große Sorgen", fügte er hinzu.

Einen Kampf um das Atomkraftwerk wollen vermutlich sowohl Russland als auch die Ukraine vermeiden – auch wenn es bereits Berichte darüber gibt, dass russische Soldaten Schützengräben rund ums Kraftwerk ziehen.

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Ein Atomkraftwerk als Faustpfand?

Falls die Kämpfe in Kursk das Atomkraftwerk erreichen, empfiehlt die IAEA, dass die verteidigende Macht das Kraftwerk an die Angreifer übergeben sollte. Es ist unklar, ob Russland diesen Vorschlag umsetzen würde. Denn eines ist klar: Für die Ukraine könnte eine mögliche Eroberung des Atomkraftwerks in Kursk strategisch bedeutsam sein – nicht etwa, um Strom zu gewinnen, denn die Verlegung von Starkstromleitungen durch besetztes und umkämpftes Gebiet wäre vermutlich zu riskant.

Aber ein von der Ukraine kontrolliertes AKW Kursk wäre ein wertvolles Faustpfand bei möglichen Verhandlungen über einen Tausch zweier Kraftwerke. So könnte sich die Ukraine aus dem AKW Kursk zurückziehen und dafür von Russland die Kontrolle über das 2022 eroberte Kernkraftwerk Saporischschja zurückbekommen. Anzeichen für ein derartiges Gedankenspiel ist auf den Gefechtsfeldern allerdings aktuell nicht erkennbar.

Doch ein erobertes Atomkraftwerk wäre am Verhandlungstisch sicherlich wertvoll und Kiew versucht zumindest, sich in der Region Kursk festzusetzen. Ukrainische Soldaten stürmen nicht nur voran, um schnell große Geländegewinne zu erzielen. Sie bauen auch umfangreiche Verteidigungsanlagen in der ganzen Region. Das lässt den Schluss zu, dass die Ukraine die eroberten Gebiete bis zu einem möglichen Ende des Krieges oder bis zum Beginn eventueller Friedensverhandlungen halten will.

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