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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sanktionslücke entdeckt Russland schießt im Ukraine-Krieg mit deutschen Waffen
Seit dem Einfall Russlands in die Ukraine herrschen strenge Sanktionen gegen das Land – eigentlich auch bei Waffen. Ein Bericht zeigt nun, dass deutsche Waffen offenbar dennoch nach Russland gelangen.
Deutschland hat seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine zahlreiche Sanktionen gegen Russland verhängt. Gas, Holz, Elektrochips und Waffen fallen darunter. Immer wieder werden die Waren jedoch trotz der Rechtslage importiert oder exportiert.
Das Recherchenetzwerk "Correctiv" deckte nun gemeinsam mit einem russischen Journalisten, einem Waffenexperten und einem Analysten für Exportdaten auf: Obwohl Deutschland und weitere westliche Länder Ausfuhrbeschränkungen für Waffen verhängt haben, gelangen sie weiterhin nach Russland.
Insgesamt sind laut "Correctiv" seit Beginn des Angriffskrieges mehr als 7.000 zivile Schusswaffen westlicher Hersteller und fast acht Millionen Schuss Munition nach Russland verkauft worden. Zum Teil seien sie in der Ukraine im Einsatz. Das Rechercheteam wertete Posts unter anderem in Telegram-Kanälen und Datenbanken für Importzertifizierungen aus. Über die Seriennummern konnten sie vierzehn Unternehmen ausmachen, darunter einige deutsche: die thüringische Firma Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH sowie die Munitionshersteller Nammo Schönebeck, RWS, Ruag Ammotec und Blaser.
Lücken in den deutschen Sanktionsbeschränkungen
Die Blaser R8-Gewehre sind sogenannte Repetierbüchsen, die nicht automatisch nachladen und in Deutschland daher nicht als Kriegswaffen gelistet sind. Trotzdem sind sie häufig beim Militär im Einsatz.
Von den knapp 7.300 Schusswaffen stammen den Recherchen zufolge 916 von deutschen Herstellern. Für Russland wohl besonders interessant seien die US-amerikanischen AR15-Systeme von Smith & Wesson, die dort vermehrt Amokläufern benutzt wurden, oder Waffen des österreichischen Herstellers Glock. Auch auf russischen Spezialmessen sind die Waffen weiterhin ausgestellt.
Der Grund dafür, dass deutsche Waffen in Russland landen, könnten Lücken in den Sanktionsbeschränkungen sein. Kriegswaffen und Waffen wie die R8-Gewehre dürfen nicht exportiert werden. Für Letztere sind allerdings Exportgenehmigungen an andere Länder möglich. Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) teilte "Correctiv" mit, dass keine Genehmigungen für Jagd- oder Sportwaffen nach Russland erteilt worden seien, an andere Staaten jedoch schon.
Deutsche Waffen gelangen über Kasachstan nach Russland
Laut der eingehenden Recherche von "Correctiv" könnten die Waffen beispielsweise über Kasachstan nach Russland kommen. Das Land bezog 2023 über 1.000 Waffen aus Deutschland. Kasachstan ist Teil der Eurasischen Wirtschaftsunion mit Russland, die gehandelten Waren zwischen den Staaten tauchen nicht in Handelsstatistiken auf.
Der Verdacht kommt nicht von ungefähr: Im Juni berichtete das ZDF über immens gestiegene Exporte von Waschmaschinen, Kühl- und Gefrierschränken nach Kasachstan. Aus den Geräten seien vermutlich die Halbleiter ausgebaut und für die Rüstungsindustrie nach Russland weiterverkauft worden. 2022 habe Kasachstan Halbleiter im Wert von 3,7 Millionen Dollar nach Russland verkauft.
Zu den Anfragen des Recherchenetzwerks wollten sich die meisten Hersteller nicht äußern. Der Geschäftsführer des Allgäuer Herstellers Blaser antwortete, 99 Prozent seien "innerhalb Europas an verschiedene Länder und an unterschiedliche Händler verkauft" worden. Das spreche dafür, dass "gezielt von russischer Seite bei Händlern in Europa eingekauft wurde". Das Unternehmen habe die zuständigen Behörden informiert.
- correctiv.org: "Deutsche Waffen für Russland"