Ex-Sicherheitsbeamter packt aus "Nur saubere Mitarbeiter können mit Putin im selben Raum arbeiten"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jahrelang arbeitete der Ex-Sicherheitsbeamte Gleb Karakulow eng an Wladimir Putins Seite. Jetzt verrät er bisher ungekannte Details über den Kremlchef.
Als ranghoher Offizier des russischen Sicherheitsdienstes FSO stand Gleb Karakulow Kremlchef Wladimir Putin jahrelang nahe. Der FSO ist für den persönlichen Schutz des russischen Präsidenten verantwortlich, Karakulows Auftrag war es, Putin mit wichtigen Informationen zu versorgen. Bis Mitte 2022 arbeitete er eng mit ihm zusammen.
Ende 2022 ist der Offizier mit seiner Familie in die Türkei geflohen – und packt nun über den Kremldiktator aus. In einem Interview mit dem "Dossier Center", das dem russischen Oppositionellen Michail Chodorkowski gehört, gibt Karakulow pikante Details preis, etwa über Putins permanente Angst, sich mit Covid-19 anzustecken.
So lebe Russlands Präsident drei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie immer noch in Selbstisolation. Vor jeder Veranstaltung hätten Mitarbeiter wie er zwei Wochen lang in Quarantäne gemusst – selbst, wenn sie bei der Veranstaltung nur 15 bis 20 Minuten auf den Präsidenten träfen. Nur Mitarbeiter, die sich einer solchen "Reinigung" unterzogen hätten, "gelten als sauber und dürfen mit Putin im selben Raum arbeiten".
Impfzwang im Kreml
Ob es Verständnis in der Belegschaft dafür gebe? Bedingt. Der Ex-FSO-Beamte erklärt, die Mitarbeiter seien verwirrt darüber gewesen, dass die Quarantänevorschriften immer noch so streng seien. Zudem seien alle Mitarbeiter gezwungen worden, sich impfen zu lassen. "Jeder unterzieht sich medizinischen Untersuchungen, überwacht seine Gesundheit und unterzieht sich PCR-Tests" – teils mehrmals täglich, so Karakulow.
Warum Putin offenbar so große Angst hat, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, hätten er und seine Kollegen aber nicht weiter diskutiert, so Karakulow. Der geflohene Offizier sieht Putins Sorgen vielmehr altersbedingt, beteiligt sich aber nicht an Spekulationen darüber, dass der Präsident todkrank sei.
Es gehe Putin "besser als vielen anderen seines Alters"
Der Ex-FSO-Beamte sagt hingegen, dass Putin bis zu Beginn der Corona-Pandemie auch viele Dienstreisen unternommen habe. In der gesamten Zeit, in der Karakulow im Dienst gewesen sei – von 2009 bis 2022 – hätten nur ein oder zwei Dienstreisen abgesagt werden müssen, weil Putin krank gewesen sei. Nach Ausbruch des Virus habe der Präsident sich jedoch zunehmend abgeschottet und nur noch zwei bis drei Dienstreisen im Jahr unternommen.
"Gesundheitlich geht es ihm wohl besser als vielen anderen seines Alters", resümiert Karakulow. "Er hat jährliche medizinische Kontrollen." Auf eine Unregelmäßigkeit weist er in dem Interview jedoch in: Normalerweise finde eine ärztliche Untersuchung des Präsidenten am Ende des Sommers oder Anfang Herbst statt. 2022 sei sie bereits im April gewesen. Gründe dafür seien nicht bekannt.
Putin lebt in einem "Informationsvakuum"
Zudem berichtet Karakulow, dass Putin in einem Informationsvakuum lebe. "Er benutzt kein Handy." In all seinen Dienstjahren habe er den Kremlchef noch nie mit einem Mobiltelefon gesehen, sagt der Ex-FSO-Beamte. Putin benutze auch das Internet nicht.
"Alle Informationen, die er erhält, stammen von Personen, die ihm nahe stehen." Fernsehen schaue der Präsident zwar durchaus – aber ausschließlich eine Handvoll russischer Sender wie beispielsweise Rossija.
Das Gespräch mit dem "Dossier Center" fand bereits Ende 2022 statt. Um Karakulow zu schützen, sei es erst jetzt veröffentlicht worden, heißt es auf der Website. Denn russische Behörden haben ein Strafverfahren gegen Karakulow wegen Desertation eröffnet. Der Ex-FSO-Beamte stehe bereits auf einer Fahndungsliste.
- dossier.center: "Я считаю президента военным преступником" (russisch)