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Explosion in St. Petersburg: Toter Militärblogger Tatarskij und seine Feinde


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Anschlag auf Wladlen Tatarskij
Bankräuber, Kämpfer, Militärblogger – und jetzt ermordet


Aktualisiert am 03.04.2023Lesedauer: 4 Min.
In Uniform: Wladlen Tatarski kämpfte in Einheiten der Donbass-Republiken und war Sonderkorrespondent in dem Krieg. Das Foto ist aus seinem Telegram-Kanal.Vergrößern des Bildes
In Uniform: Wladlen Tatarskij kämpfte in Einheiten der Donbass-Republiken und war Sonderkorrespondent im Krieg. (Quelle: Telegram-Kanal von Wladen Tatarski)

Nach dem Anschlag auf den russischen Propagandakrieger Wladlen Tatarskij zeigt Russland auf die Ukraine. Doch der Blogger hatte auch im eigenen Lager Feinde.

"Militärblogger" und "Kriegsblogger" waren die ersten Zuschreibungen in westlichen Medien, als die Nachricht des Todes von Wladlen Tatarskij kam. "Journalist" nannten ihn prorussische Stimmen, die sich selbst auch in dieser Rolle sehen – und sich nun bedroht fühlen. Wer war Wladlen Tatarskij? Wen hat er sich zum Feind gemacht?

Das folgende Video sagt viel über ihn aus: Es zeigt Tatarskij wenige Momente, bevor ein Sprengsatz ihn tötet. Dieser steckte in einer Büste, die er gerade als Geschenk erhalten hatte. Tatarskij steht in dem Café in Sankt Petersburg, hinter ihm ein stilisiertes Bild seines Kopfes umgeben von Waffen und einer Drohne über ihm.

Er inszenierte sich martialisch, heroisierend – und damit ganz anders als es ein Journalist normalerweise tun würde. Aber Wladlen Tatarskji, in seinen letzten Stunden Gast bei den Kriegsunterstützern der "Cyberfront Z", war kein nüchterner Berichterstatter. Der verurteilte Verbrecher war in den Krieg gezogen – nicht nur als Propagandakrieger.

Video | Russischer Blogger stirbt bei Explosion
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Quelle: t-online

Den Satz, der ihn endgültig zur Hassfigur machte, sagte er im Kreml. Er war dorthin eingeladen, als Präsident Wladimir Putin verkündete, dass mit einer Teilmobilmachung noch Hunderttausende Soldaten in den Krieg in die Ukraine geschickt würden. Tatarskij filmte sich selbst mit den Worten: "Wir werden alle besiegen, wir werden alle töten, wir werden alle ausrauben, die wir brauchen. Alles wird so sein, wie wir es mögen."

Grausamkeiten in Butscha begrüßt

Es war kein Zufall, dass Tatarskij zu diesem wichtigen Anlass in den Kreml eingeladen war. Mehr als 500.000 Abonnenten hatte er zu diesem Zeitpunkt auf Telegram, er war als "Sonderkorrespondent" einer der bekanntesten Militärblogger, Verfechter und Anheizer des Kriegs gegen die Ukraine. In Russland seien die öffentlichen Verfechter des Kriegs nicht mehr vor den eigenen Leuten geschützt, geschweige denn vor Fremden, schrieb der frühere Bodybuilder und Propagandist Wladislaw Pozdnyakow.

Die Grausamkeit der mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butscha hatte er ausdrücklich begrüßt, das werde besonders in Deutschland Eindruck machen, meinte er. In einem Video im Juli plädierte er dafür, bis hin zum Einsatz taktischer Nuklearwaffen alles zu tun, um zur Erfüllung der Aufgaben der russischen "Militäroperation" ukrainische Infrastruktur zu zerstören. Die Ukraine sei ein Terrorstaat. Dieser "Terrorstaat" hatte ihn für einen bewaffneten Banküberfall ins Gefängnis gesteckt. Das war, als er noch nicht als Wladlen Tatarskji bekannt war.

Geboren wurde der 40-Jährige als Maxim Fomin im Donbass in Makijiwka. Sein Pseudonym ist zusammengesetzt aus Wladimir Iljitsch Lenin und einer Romanfigur, die Werbetexter ist. Auch Tatarskij war Werbetexter, und zwar für den Krieg, aber nicht immer nur im Sinne des Kremls. Der Einsatz ging ihm oft nicht weit und schnell und rücksichtslos genug voran, er kritisierte die Armeeführung für die Taktik. Zudem ergriff er immer wieder Partei für die Wagner-Söldner von Jewgeni Prigoschin, in dessen St. Petersburger* Café er starb.

Tatarskij könnte auch im eigenen Land Feinde gehabt haben, und nicht nur bei Kriegsgegnern.

Er dürfte bereits Unmut ausgelöst haben, als er im März 2022 von "Tausenden russischen Offizieren" schrieb, die ab 2014 in der selbsterklärten Donbass-Republik Kommandopositionen ab Bataillonsebene eingenommen hätten. Damit untergrub er nicht nur die offizielle Darstellung, es sei ein Kampf einfacher Menschen aus der Bevölkerung des Donbass gewesen. Er ätzte auch gegen die Offiziere: "99 Prozent von ihnen haben alles andere getan, als Kampferfahrung zu sammeln."

Aus dem Gefängnis 2014 in den Krieg

Offenbar in den Wirren des Konflikts 2014 war der Bankräuber Tatarskij freigekommen und hatte sich der Donezker Miliz angeschlossen, trat dann der LNR-Volksmiliz bei und verbrachte ein Jahr im berüchtigten Wostok-Bataillon. Dann habe er im Nachrichtendienst der LNR-Volksmiliz gedient: Das alles berichtet die Nachrichtenagentur RIA – und es zeigt, dass Tatarskij nicht einfach ein "Journalist" ist. Zu Beginn von Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 sei er dann wieder in das Wostok-Bataillon eingetreten und habe im Kriegsgebiet für Sondereinsätze gearbeitet.

Tatarskij hatte inzwischen auch die russische Staatsangehörigkeit und hielt sich viel in Moskau auf. Immer wieder entstanden in der Zeit auch Fotos mit einer Frau, die – wie er – bei einem Anschlag starb: Daria Dugina, die Tochter des faschistischen russischen Ideologen Alexander Dugin. Sie seien vielleicht sogar ein Paar gewesen, wurde in Netzwerken spekuliert. Daria Dugina war im August bei der Detonation einer Autobombe ums Leben gekommen, vieles deutet auf ukrainische Hinterleute bei der Tat hin.

Alexander Dugin, der seit vielen Jahren für ein Europa unter russischer Vorherrschaft arbeitet und Fäden zu Rechtsextremen in aller Welt knüpft, postete nach dem Tod von Tatarskij mehrere Fotos der beiden. "Wir haben keine Ahnung von den wahren Schätzen unseres Landes, den wahren Helden unseres Volkes", schrieb er. Wer nicht verstehe, dass Tatarskij "für uns, für sie, für ihn, für dich statt dir gestorben ist, der ist einfach kein Russe."

Helden würden sterben, damit das Volk leben könne, so Dugin weiter. Was müsse denn noch passieren, damit die Wahrheit über den Ukraine-Krieg deutlich werde, fragt er: "Das ist der Krieg des Teufels gegen Gott. Wir kämpfen gegen den Teufel."

Putin genervt von Kritik am Kriegsverlauf?

An vorderster Front teilte die Erklärung für den Anschlag nicht jeder: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der wie Tatarskij mangelnde Unterstützung seiner Einheiten beklagt hat, erklärte nebulös, dass er nicht "dem Kiewer Regime die Schuld für den Tod von Fomin und Daria Dugina geben würde." Der Blogger könnte auch wegen seiner Positionen eine Zielscheibe innerrussischer Akteure geworden sein.

So stellt es sich auch für die Ukraine dar: Mykhailo Podolyak, Berater des ukrainischen Präsidialamtes, sah in dem Anschlag "das Ergebnis von Machtkämpfen und politischem Wettbewerb zwischen russischen Akteuren". Der Tod könnte auf Fomins Nähe zu Prigoschin zurückzuführen sein, heißt es in einer Analyse des Washingtoner Institute for the Study of War. Die Ermordung könnte auch ein Beweis dafür sein, dass Putins Toleranz gegenüber diesen Bloggern und ihrer Kritik nachlässt.

*Wir hatten an dieser Stelle versehentlich Leningrad geschrieben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche auf Telegram
  • understandingwar.org: "Russian offensive campaign assessment, April 2, 2023" (englisch)
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