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Ukraine-Krieg | Panzer-Offensive: Ist Putins Armee nun hilflos?


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Krieg in der Ukraine
"Das kam zu spät"

InterviewVon Patrick Diekmann

Aktualisiert am 29.03.2023Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Der russische Präsident gerät im Ukraine-Krieg wieder zunehmend in die Defensive.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Der russische Präsident gerät im Ukraine-Krieg wieder zunehmend in die Defensive. (Quelle: IMAGO/Gavriil Grigorov/imago-images-bilder)
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Die Ukraine plant die nächste Offensive – mit westlichen Kampfpanzern. Aber die russische Armee konnte sich lange auf einen Angriff vorbereiten. Was heißt das für den Krieg?

Wladimir Putin braucht eigentlich dringend einen militärischen Erfolg in seinem Ukraine-Krieg, aber die russische Armee kommt weiterhin nur langsam voran. Bachmut und Awdijiwka werden zwar langsam von russischen Truppen eingekesselt, aber bislang ist es der ukrainischen Armee gelungen, die Städte im Donbass zu halten – mit großen Verlusten auf beiden Seiten.

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Doch während der Kremlchef zunehmend älteres Gerät in die Kämpfe schicken muss, treffen immer mehr moderne westliche Kampf- und Schützenpanzer in der Ukraine ein. Militärexperte Christian Mölling spricht im Interview über die Chancen für eine erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive und kritisiert das lange Zögern Deutschlands, die ukrainische Armee mit schweren Waffen zu unterstützen.

t-online: Herr Mölling, immer mehr moderne Kampfpanzer aus dem Westen treffen in der Ukraine ein. Könnte das der Wendepunkt in dem Krieg sein?

Christian Mölling: Da wäre ich vorsichtig. Es sind gerade mal zwei Dutzend westliche Kampfpanzer in der Ukraine angekommen. Das sind nicht viele. Im besten Fall können sie bei einer ukrainischen Offensive an einigen neuralgischen Punkten an der Front helfen.

Immerhin sind die westlichen Panzer ihren russischen Kontrahenten technologisch deutlich überlegen.

Richtig. Die Ukraine bekommt hochmoderne Panzer, während Russland offensichtlich Gerät aus dem Zweiten Weltkrieg heranführt. Im direkten Panzerduell wäre das eine klare Angelegenheit, aber die russische Armee profitiert natürlich von der Masse. Und auch die Panzer aufseiten der Ukraine werden kaputtgehen. Letztlich wird entscheidend sein, wie effektiv sie das Gerät aus dem Westen einsetzt.

Christian Mölling ist stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Denkfabrik Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung. Er studierte Politik-, Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften an den Universitäten Duisburg und Warwick und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Wie kriegsentscheidend können die Panzer sein?

Kampfpanzer sind ein wichtiges Element der Offensive, aber sie sind keine Wunderwaffe. Qualität und Quantität interagieren in Kriegen stark miteinander. Wenn die Ukraine mehr moderne Panzer hätte, würde das natürlich auch mehr helfen. Wenn sie aber nur noch schlechte Panzer haben, dann müssen sie viele davon haben.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, dass die Ukraine die Gegenoffensive noch nicht starten kann, weil es an Munition fehlt. Ist das eine Täuschung?

Natürlich ist Munition immer ein Problem, weil die Ukraine viel davon verschießen muss. Auch da gilt: Mehr Munition hilft auch mehr. Denn auch die ukrainische Armee muss stets Reserven haben. Aber ob Selenskyj Russland nun in Sicherheit wiegen möchte oder ob die ukrainische Armee tatsächlich für eine Offensive noch mehr Munition braucht, kann ich nicht sagen. Das wäre Spekulation.

Der genaue Munitionsbedarf einer Offensive lässt sich wahrscheinlich auch schwer berechnen, zumal Russland sich auch auf dieses Szenario vorbereitet und Verteidigungslinien anlegt.

Genau. Es ist nicht spurlos an der russischen Armee vorbeigegangen, dass sie im vergangenen Jahr viel Territorium der Ukraine wieder verloren hat. Das hat Spuren hinterlassen und natürlich hat Russland Angst, dass es zu weiteren Durchbrüchen an der Front kommen könnte. Das wäre für Putin politisch katastrophal und sollte Russland die Landbrücke zur Krim im Süden der Ukraine verlieren, wäre auch die Schwarzmeer-Halbinsel bedroht.

Warum das?

Sobald der Süden auch nur in Teilen von der ukrainischen Armee befreit werden sollte, steigt das Risiko für die Krim im erheblichen Maße, weil die Halbinsel ohne die eroberte Landbrücke nur schlecht zu versorgen ist. Dann hätte die Ukraine auch bessere Chancen, die Krim-Brücke erneut anzugreifen.

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Sie sagten, Russland hätte aus den Misserfolgen gelernt. Hätte der Westen nicht gerade deshalb mehr Tempo bei den Waffenlieferungen machen müssen? Kommen die Panzer jetzt nicht zu spät?

Das kam zu spät. Die Ukraine hat im vergangenen Jahr bewiesen, dass sie Gebiet zurückerobern kann. Viele westliche Staaten – auch Deutschland – hätte diese Erkenntnis schneller in mehr praktische Unterstützung umsetzen müssen. Auch Kanzler Olaf Scholz hat gesagt, dass es darum gehe, Territorium zurückzuerobern. Wenn wir die Ukraine aber nicht dazu in die Lage versetzen, bleibt es bei den hohlen Worten. Wenn wir der ukrainischen Armee das schneller zugetraut hätten, dann hätte sie nun ganz andere Möglichkeiten.

Also hing das deutsche Zögern auch damit zusammen, dass die Bundesregierung die Fähigkeiten der ukrainischen Armee unterschätzt hat?

Für Deutschland würde ich das so unterschreiben. In Berlin ging man am Anfang des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine davon aus, dass Russland schnell gewinnen würde. Noch immer haben die Strategen im Kanzleramt offenbar ihre alten Stereotypen und noch immer trauen sie es der Ukraine scheinbar nicht zu, diesen Krieg gewinnen zu können. Weil Deutschland außerdem keine Erfahrung mit derartigen Kriegsentscheidungen hat, traut sich die Bundesregierung oft nicht sofort auf das Eis, das man in Berlin für dünn hält.

Die Bundesregierung möchte wahrscheinlich im Fahrwasser der USA fahren.

Die Amerikaner denken mit Blick auf Deutschland, dass wir noch immer nicht verstanden haben, dass es einen Krieg in Europa gibt. Sie verstehen das deutsche Hadern nicht und verlieren wirklich den Glauben an uns, auch wenn das Kanzleramt das nicht sehen möchte.

Für US-Präsident Joe Biden ist das Engagement für die Ukraine politisch nicht ungefährlich. Immerhin stehen 2024 auch wieder Präsidentschaftswahlen an.

Biden hat sich durch die Zusage, Abrams-Kampfpanzer zu liefern, angreifbar gemacht. Damit Deutschland Leopard 2 liefern kann, hat sich der US-Präsident selbst unter den Bus geschmissen. Auf konservativen TV-Sendern in den USA läuft rauf und runter, dass die US-Unterstützung für die Ukraine nicht im nationalen Interesse sei. Im Wahlkampf wird hinzukommen, dass Deutschland zu wenig leisten würde. Biden wird also für Deutschland seinen Kopf hinhalten müssen und wir tun nichts, um ihn zu unterstützen. Damit machen wir seine Wiederwahl unwahrscheinlicher.

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Tut denn die Bundesregierung mittlerweile genug?

Deutschland muss das bereitstellen, was die Ukraine braucht. Im Zweifel muss die Bundesregierung einen Nachtragshaushalt machen. Im vergangenen Jahr haben wir keine Munition und keine Ersatzteile, weil wir kein Geld mehr in der Finanzlinie hatten. Das ist unglaublich. Es herrscht Krieg und das Beispiel zeigt, dass Teile der deutschen Politik noch im Friedensbetrieb sind.

Am Ende muss auch Russland nachhaltig Kriegsgerät in die Ukraine verlegen, wenn Putin den Krieg weiterführen möchte. Der Kreml hat nun angekündigt, 1.500 Panzer jährlich bereitstellen zu können. Ist das realistisch?

Entweder ist das russische Propaganda oder Russland schickt nun Panzer aus dem Ersten Weltkrieg. Es kursiert schon der Witz, dass Putin den T-34-Panzer zurückfordern könnte, der hier am Kriegsdenkmal in Berlin steht. Die Quantität kann ich nicht beurteilen, aber wir sehen auf jeden Fall eine abnehmende Qualität beim russischen Kriegsgerät in der Ukraine.

Es ist bezeichnend, dass der Kreml nun mit Telegrammen von Josef Stalin der russischen Rüstungsindustrie droht.

Das ist ein Zeichen der Hilflosigkeit. Der Kreml könnte die Leute zwar reihenweise erschießen oder in den Gulag schicken, aber davon bekommen sie nicht mehr Panzer. Weil bestimmte Technologien aus dem Westen fehlen, sind die russischen Panzer schwerer zu produzieren und sie sind auch nicht mehr so leistungsfähig. Zum Beispiel sind die Russen wohl nicht mehr in der Lage, gute Wärmebildsysteme zu bauen. Damit sind ihre Panzer nicht mehr nachtkampffähig, im Gegensatz zu den westlichen Panzern.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Mölling.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Christian Mölling
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